Zu Landgericht Lübeck, Urteil vom 10.05.2024, Az. 14 S 7/23
Bekannt ist auch, dass Schadenersatz die Umsatzsteuer nur dann einbezieht, wenn sie auch tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 BGB). Das ist z.B. der Fall, wenn das verunfallte Fahrzeug offiziell in einer Werkstatt repariert worden ist und die Reparaturkostenrechnung die Mehrwertsteuer ausweist. Was die Erforderlichkeit der Reparaturkosten betrifft, hat die Rechnung übrigens Indizwirkung. Bei der fiktiven Abrechnung, d.h. dort, wo es um die Ausbezahlung des Geldbetrages geht, ist das nicht der Fall.
Zudem wird der Schadenersatzanspruch bei Straßenverkehrsunfällen von vielen Faktoren beeinflusst. Die können das Regulierungsverhalten der Versicherer oder der Umstand sein, dass Unfallbeteiligte gleichzeitig Schädiger und Geschädigter sind und deshalb Ansprüche gegeneinander haben. Sind dann auch noch mehrere Personen oder mehr als nur zwei Fahrzeuge an dem Geschehen beteiligt, wird es nochmals komplizierter. Einfach gelagerte Verkehrsunfallsachen gibt es daher nicht.
Verursacht ein Auto den Schaden und beruht der Unfall auf dessen Betrieb, steht dessen Halter in der Pflicht (§ 7 Abs. 1 StVG). Da Geschädigte aber auch einen Direktanspruch gegenüber dem Kfz-Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs haben (§ 115 Abs. 1 VVG, § 1 PflVG) wird der Halter so gut wie nie in Anspruch genommen. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 StVG, kann aber auch der Fahrer zum Schadenersatz verpflichtet sein. Außerdem können Ansprüche aus der eigenen Kaskoversicherung bestehen. Um den eigenen Schaden gering zu halten, kann zudem das Quotenvorrecht in Frage kommen.
Bei Sachschäden beziehen sich die Ansprüche in der Regel auf die Kosten der Reparatur des Fahrzeugs oder – bei einem Totalschaden – auf die Ersatzbeschaffung. Wertminderung, Mietwagenkosten, Nutzungsausfallentschädigung, Sachverständigen- und Anwaltskosten sind weitere Positionen.
Der Umfang Ersatzanspruchs hängt grob gesagt davon ab, ob und in welchem Umfang sich der Geschädigte ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens anrechnen lassen muss. Dieses kann sowohl aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs als auch aus seinem Verhalten resultieren.
Im dem hier zugrundeliegenden Sachverhalt hatte sich der Unfall ereignet, als die Verursacherin von einem Parkplatz auf die Straße und in den fließenden Verkehr einfahren wollte und dabei mit dem Auto des Geschädigten und späteren Klägers kollidierte. Der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen dem Einfahren und der Kollision stand außer Frage. Hinzu kam, dass ein Einfahrvorgang regelmäßig erst dann abgeschlossen ist, nachdem sich das einfahrende Fahrzeug vollständig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat. So hatte es z.B. das OLG Brandenburg am 14.10.2021 entschieden (Az. 12 U 231/20) entschieden und das war hier nicht der Fall.
Laut § 10 S. 1 StVO müssen Fahrzeugführer, die aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren wollen, sich so verhalten, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden.
Einfach ausgedrückt: Wer von einem Parkplatz oder aus einer Ausfahrt auf die Straße fährt, muss dabei besonders vorsichtig sein.
In dem hier zugrundeliegenden Sachverhalt wurde die aber augenscheinlich nicht hinreichend berücksichtigt. Haftungstechnisch schlugen bei der Verursacherin des Unfalls daher sowohl ein Verstoß gegen § 10 S. 1 StVO als auch die Betriebsgefahr des Fahrzeugs zu Buche.
Beim Geschädigten kam lediglich die allgemeine Betriebsgefahr des von ihm geführten Fahrzeugs ins Spiel. Die Unfallverursacherin hatte zwar einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 1, 2 StVO behauptet. Da aber im deutschen Recht die Beweislastregel gilt „Wer behauptet, muss beweisen“ musste das Gericht auch von der Wahrheit der Behauptung überzeugt werden. Die konnte die Schädigerin aber weder mittels der vorgelegten Fotos vom Unfallort noch durch die Aussage einer Zeugin.
Abgesehen davon wäre aber die Verletzung des Rechtsfahrgebots ohnehin nicht dazu geeignet gewesen wäre, den Verursachungsbeitrag des Geschädigten/Klägers wesentlich zu erhöhen (BGH vom 20.9.2011, Az. VI ZR 282/10). Die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs musste er sich aber mit 25% anrechnen lassen.
Beide Unfallbeteiligten konnten – wenn auch in unterschiedlichem Umfang – ihren Schaden gegenüber dem anderen bzw. dessen Versicherer geltend machen. Denn aufgrund des Mitverschuldens war ja jeder sowohl Schädiger als auch Geschädigter.
Die Unfallverursacherin hatte gegenüber dem Geschädigten / dessen Versicherung einen Anspruch auf 25 %. Der Geschädigte konnte seinen Schaden zu 75 % geltend machen.
Der Schadenersatzanspruch richtet sich nach dem erlittenen Schaden. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn in der Regel wissen Geschädigte gar nicht, was die Reparatur kosten wird und welche Ansprüche sie sonst noch haben. Nutzungsausfall oder der merkantile Minderwert – also die Wertminderung – sind Positionen, die Versicherer gerne verschweigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Geschädigte leichtfertig deren Schadensmanagement anvertraut hat.
Die Erstattung der Sachverständigenkosten in der Regel eher unproblematisch, sofern der Versicherer nicht auf die Idee kommt, die Angemessenheit des Pauschalhonorars in Abhängigkeit von der ermittelten Schadenshöhe zu bestreiten (BGH, Urt. v. 24.10.2017, Az. VI ZR 61/17). Probleme gibt es hier aber regelmäßig bei Bagatellschäden.
Und da Reparaturkosten im Rahmen der Rechnungsprüfung standardmäßig und nach den Vorgaben des Versicherers gekürzt werden, ist Ärger vorprogrammiert. Bei der Ermittlung des im Totalschadenfall anzusetzenden Rest- oder Wiederbeschaffungswert bzw. Wiederbeschaffungsaufwand ist dies nicht anders. Allerdings stehen Geschädigten hier das sogenannte Werkstatt– oder Sachverständigenrisiko und im Idealfall auch ein Anwalt zur Seite. Die Anwaltskosten hat übrigens der Versicherer des Unfallverursachers zu tragen.
Die Entschädigung soll den entstandenen Schaden ersetzen, den Geschädigte aber nicht bereichern. Das ist an sich auch in Ordnung. Allerdings schießen Versicherer bei der Bemessung der Kürzung der Entschädigung immer wieder über das Ziel hinaus. Dies führt dann nicht nur zu Ärger und Verdruss bei dem Geschädigten, sondern z.B. auch bei der involvierten Werkstatt. Die Regressproblematik sei hier nur am Rande erwähnt.
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Auch hier gilt: Voigt regelt!