Nach einer Reparatur wird oft eine Probefahrt durchgeführt, um den Erfolg der durchgeführten Arbeiten als solchen oder die Kalibrierung und Funktion von Assistenzsystemen zu überprüfen. Versicherer verweigern dann oftmals die Erstattung der Kosten und behaupten, die Probefahrt sei nicht erforderlich gewesen. Die Rechtsprechung sieht dies anders. So hat z.B. das Amtsgericht festgestellt, dass eine Probefahrt dazu dient „auszuschließen, dass das Fahrzeug ungeprüft an den Kunden übergeben wird und gegebenenfalls Reklamationen anfallen und daraus folgende Nacharbeiten gesondert durchgeführt werden müssen“ (Urt. v. 24.10.2016, Az. 131 C 294/16).
Welche Grundsätze gelten?
Zunächst gilt dass die Kosten einer Probefahrt zu erstatten sind, wenn der Sachverständige eine solche – hier zur Überprüfung von Windgeräuschen der Tür und Seitenwand – ebenso für notwendig erachtet hat, wie die durchführende Werkstatt (z.B. AG Nördlingen, Urt. v. 21.07.2020, Az. 2 C 129/20; AG Meppen, Urt. v.16.09.2019, Az. 3 C 182/19).
Das AG Dresden hat diesen Grundsatz mit Urteil vom 02.07.2020, Az. 101 1516/20 bestätigt. Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Bereits der Gutachter hatte diese (Anm. die Probefahrtkosten) für erforderlich gehalten, so dass für die Klägerin keine Veranlassung bestand, diese Position gegenüber der Werkstatt zu rügen. Wenn eine Probefahrt nach der Reparatur erforderlich ist, um zu überprüfen, ob die Reparatur erfolgreich war und nach dem Gutachten eine Kontrolle in Bezug auf Geräusche, Fahrverhalten und Funktion der Assistenzsysteme stattzufinden hat, sind die Kosten dafür zu erstatten.“
Vergleichbar hat auch das AG Hameln, sowohl die Notwendigkeit einer Probefahrt als auch die Erstattungsfähigkeit der damit verbundenen Kosten überzeugend und schlüssig für einen Sachverhalt dargelegt, bei dem im Zuge der Reparaturmaßnahmen eine Fahrzeugtür auszubauen und vollständig zu zerlegen war und auf eine Probefahrt zur Feststellung eventueller Wind- oder Klappergeräusche nicht verzichtet werden konnte (Urt. v. 22.03.2022, Az. 35 C 97/21).
Nichts anderes gilt, wenn infolge des Austausch eines Stoßfängers einschließlich Sensoren auch Assistenzsysteme von den Arbeiten betroffen sind, insbesondere Spurhalteassistent und Rückfahrkamera und die Notwendigkeit der Probefahrt im Sachverständigengutachten ausgewiesen ist (AG Bielefeld, Urt. v. 28.09.2023, Az. 401 C 136/23).
In gleichem Sinn hat das LG Karlsruhe (Verfügung v. 14.09.2021; Anerkenntnisurteil v. 04.10.2021, Az. 19 S 81/20) festgestellt: „Die interne Abnahme des Werks umfasst – gerade nach derart umfangreichen Reparaturen – sinnvollerweise auch eine Probefahrt. Ob der Werkunternehmer diese gesondert in Rechnung stellt oder in die Reparaturkosten einpreist, ist ihm – in den hier nicht einschränkenden Grenzen des konkreten Werkvertrags- überlassen und berührt die Ersatzfähigkeit nicht.“
Abgesehen davon können für die Vergütung des die Probefahrt durchführenden Mitarbeiters keine andern Maßstäbe gelten, als für einen im Rahmen der direkten Instandsetzung eingesetzten Mitarbeiters (vgl. AG Deggendorf, Urt. v. 07.03.2022, Az. 3 C 664/21).
Allerdings hat AG z.B. das AG Recklinghausen die Erstattungspflicht für die Kosten einer Probefahrt zumindest für solche Reparaturen infrage gestellt, die keine Bauteile betreffen, “die für die Fahrfähigkeit des Fahrzeugs relevant sind. Insbesondere wurden z.B. keine Reparaturen am Motor, an der Elektronik, an den Bremsen oder am Fahrwerk vorgenommen. Ein Auto, das vorher normal gefahren ist, sollte nach so einer Reparatur also genauso normal fahren.”
Dem Gericht zufolge hätte dargelegt werden müssen, welchem genauen Ziel die in Rechnung gestellte Probefahrt diente, was also genau damit überprüft werden sollte. angesichts einer fehlenden Erläuterung, hatte es die Probefahrt nicht als eine zur sach- und fachgerechten Reparatur des Unfallschadens des Klägers erforderliche Maßnahme eingestuft und eine Erstattung der damit verbundenen Kosten abgelehnt (AG Recklinghausen, Urt. v. 15.01.2018, Az. 51 C 232/17).
Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass Probefahrten nach einer Karosseriereparatur erforderlich sind, um auszuschließen, dass das Fahrzeug ungeprüft an den Kunden übergeben wird und gegebenenfalls Reklamationen anfallen und daraus folgende Nacharbeiten gesondert durchgeführt werden müssen.
Das AG Hattingen (Urt. v. 19.11.2015, Az. 6 C 46/15) vertritt hierzu eine klare Meinung: “Es mag sein, dass der Beklagten als Haftpflichtversicherer Reparaturbetriebe bekannt sind, bei denen die Positionen Fahrzeugreinigung und Probefahrt in anderen Abrechnungspositionen enthalten sind oder die aus Gründen der Kulanz derartige Kosten nicht berechnen. … Derartige Leistungen sind im Grundsatz auch nur gegen eine Vergütung bei einem Handwerksbetrieb zu erwarten.”
Die Höhe der Reparaturkosten hat Indizfunktion
Dem AG Stuttgart zufolge, ist bei Reparaturkosten von 21.222,17 Euro schon aufgrund der Höhe der Reparaturkosten, die auf eine umfangreiche Reparatur schließen lassen, erkennbar, dass in der Regel eine Probefahrt nach der Reparatur durchzuführen ist (Urt. v. 16.10.2020, Az. 44 C 607/20).
Probefahrten dienen nicht primär der Selbstkontrolle!
Die immer wieder vorgebrachte Behauptung, es handele sich bei der Probefahrt „nicht um eine entgeltpflichtige Tätigkeit der Reparaturwerkstatt, welche primär der Selbstkontrolle der Werkstatt diene und insoweit nicht gesondert in Rechnung gestellt werden dürfe,“ verfängt nicht (AG München, Urt. v. 18.02.2021, Az. 331 C 19975/20).
Eine Ersatzpflicht kann auch bei fiktiver Abrechnung bestehen!
Dem AG Bad Oeynhausen zufolge (Urt. v.21.01.2019, Az. 24 C 92/18) sind die Kosten einer Probefahrt nach der Reparatur auch bei der fiktiven Schadensberechnung und Abrechnung ersatzpflichtig.
Dies hat es damit begründet, dass sich die Höhe der Schadensbeseitigungskosten bei der fiktiven Abrechnung nach dem Preis richtet, “zu dem der Geschädigte die erforderliche Schadensbeseitigungsmaßnahme (z. B. die Reparatur oder die Ersatzbeschaffung) auf seinem regionalen Markt von fachlich qualifizierten Marktteilnehmern (z. B. Fachwerkstätten oder Autohäusern) erlangen kann. Ein Geschädigter darf – sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen – der Schadensberechnung grundsätzlich die Kosten zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Privatgutachter auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (sogenannte “ortsübliche” Kosten; BGH, Urt. ,03.12.2013, Az. VI ZR 24/13). Bei der fiktiven Berechnung erhält der Geschädigte also den Marktwert der Schadensbeseitigungsmaßnahme.”