hello world!
hello world!

Merkantiler Minderwert

Informationen
02.09.2024

Der merkantile Minderwert beschreibt „die Minderung des Verkaufswertes zu verstehen, die trotz völliger und ordnungsmäßiger Instandsetzung des Fahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallgeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Während beim realen oder technischen Minderwert nach der Instandsetzung noch Mängel zurückbleiben, welche die Betriebssicherheit, die Lebensdauer oder das äußere Ansehen des Wagens beeinflussen und daher seinen Gebrauchswert beeinträchtigen, ist bei dem hier in Betracht kommenden merkantilen Minderwert, der ein völlig und ordnungsgemäß instandgesetztes Fahrzeug voraussetzt, nicht der Gebrauchswert, sondern wegen der Eigenschaft, ein „Unfallwagen“ zu sein, nur sein Verkaufswert beeinträchtigt“ (BGH, Urt. v. 29.04.1958, Az. VI ZR 82/57; BFH, Urt. v. 31.01.1992, Az. VI R 57/88). Im Bereich der Kaskoversicherung wird der merkantile Minderwert dem unmittelbaren Sachschaden zugerechnet (BGH, Urt. v. 08.12.1981, Az. VI ZR 153/80).

Der Rechtsprechung zufolge (z.B. LG Köln, Urt. v. 19.04.2024, Az. 14 O 65/21), kommt ein merkantiler Minderwert bei einer nicht unwesentlichen Beschädigung der Sache nicht in Betracht. Für die Abgrenzung ist auf die Verkehrsauffassung abzustellen: Sofern der auf dem Markt zu erzielende Verkaufserlös nach der Reparatur nicht unter dem bleibt, der ohne das schädigende Ereignis hätte erlöst werden können, besteht kein Schadensersatzanspruch. Bagatellschäden werden im Verkehr in der Regel nicht als wertmindernd angesehen, so dass für diese ein gesonderter Ausgleich ausscheidet

Bei älteren Fahrzeugen lehnen Versicherer die Leistung oftmals ab!

Das Standardargument lautet, dass ab einem Fahrzeugalter von mehr als fünf Jahren und/oder einer Laufleistung von über 100.000 km keine merkantile Wertminderung mehr möglich sei.

Dies trifft indes schon länger nicht mehr zu. So hat z.B. das AG Köln eine Wertminderung in Höhe von 5% der Reparaturkosten zugesprochen, obgleich das Fahrzeug bereits 7 Jahre alt war und eine Laufleistung von ca. 191.000 km aufwies (Urteil vom 17. Dezember 2010, Az. 263 C 240/10).

Da das Fahrzeug aber, dem Gutachten des Sachverständigen zufolge, zum Unfalltag über eine unterdurchschnittliche Laufleistung und einen sehr guten Zustand ohne reparierte oder unreparierte Vorschäden aufwies, habe der Unfall zum Verlust der Originalität des Fahrzeugs und der Unfallfreiheit geführt. Angesichts dieser Umstände, hielten der Sachverständige und das Gericht eine merkantile Wertminderung (Malus Unfallwagen) i.H.v. 250,00 Euro und eine technische Wertminderung (Verlust der Originalität) i.H.v. 750,00 Euro, mithin insgesamt in Höhe von 1000,00 Euro, für angemessen.

Käufer im hochpreisigen Marktsegment reagieren besonders sensibel auf Unfallschäden!

In einem Verfahren, bei dem es um die merkantile Wertminderung bei einem Mercedes Benz S 63 AMG Coupé 4-Matic ging, welcher zum Zeitpunkt des Unfalls seit ca. 1,5 Jahren zugelassen war und eine Laufleistung von 10.748 km aufwies, hat das Amtsgericht Remscheid (Urt. v. 10.11.2017, Az. 8a C 190/16) festgestellt: “Es komme schnell zu Bedenken, dass sich ein Unfallschaden auf die Zuverlässigkeit des Motors und die Sicherheit des Fahrwerks ausgewirkt haben könnte. Insofern seien gerade solche Fahrzeuge wertminderungsanfällig. Gerade potentielle Käufer eines Fahrzeuges der Premiumklasse würden einen entsprechenden Nachlass erwarten, der auch eingeräumt werden müsse, um gegenüber einem vergleichbaren, unbeschädigten Fahrzeug eine Wertanpassung durchzuführen.”  

Weist ein exklusives und hochpreisiges Fahrzeug jedoch eine hohe Laufleistung auf, etwa weil es als Fahrschulwagen genutzt wurde und fehlt es zudem an Nachweisen für eine regelmäßige Wartung, kann eine merkantile Wertminderung wegen einer leichten Verformung der hinteren linken Seitenwand und der Heckverkleidung schon deshalb ausscheiden, weil dem Fahrzeug auch ohne diesen Unfall ein größeres Misstrauen entgegengebracht würde als vergleichbaren “normal” genutzten Fahrzeugen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei dem beschädigten Fahrzeug nicht um ein Serienfahrzeug, sondern um ein nur in geringer Stückzahl hergestelltes Turbo-Modell handelt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.02.2017, Az. I-1 U 34/16).

Der merkantile Minderwert ist nicht auf Personenkraftfahrzeuge beschränkt!

Auch bei Nutzfahrzeugen kann ein merkantiler Minderwert anzuerkennen sein. „Auch hier ist ein großer Teil der Käufer – vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden und der möglicherweise bestehenden höheren Schadensanfälligkeit reparierter Wagen – nicht bereit, für wiederinstandgesetzte Unfallfahrzeuge denselben Preis zu zahlen wie für entsprechende unbeschädigte Wagen“ (BGH, Urt. v. 18.09.1979, Az. VI ZR 16/79).

Eine abschließende Festlegung, bis zu welcher Grenze ein merkantiler Minderwert zuzuerkennen ist, existiert nicht (vgl. BGH Urt. v. 23.11.2004, Az. VI ZR 357/03).

Was ist bei Unikaten?

Bei speziell umgebauten Fahrzeugen mit Einzelstückcharakter, bei den der Umbau mit Teilen erfolgte, die in den Richtlinien des Ursprungsherstellers nicht vorgesehen sind, sollen die herkömmlichen Berechnungsmethoden (Marktrelevanz- und Faktorenmethode) nicht herangezogen werden können. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass in Anbetracht eines nicht vorhandenen Marktes für derartige das streitgegenständliche Fahrzeug mit Unikatscharakter und in Ermangelung heranziehbarer Vergleichsfälle ein merkantiler Minderwert nicht bestimmt werden könne, sodass ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch ausscheide (OLG München, Endurteil v. 19.05.2021, Az. 7 U 2338/20).

Wie verhält es sich mit der Umsatzsteuer?

Der Bundesgerichtshof hat in zwei Urteilen vom 16.07.2024 entschieden, dass die

a) Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs ist. Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen.

b) Wurde davon abweichend der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem “Umsatzsteueranteil” entsprechender Betrag abgezogen wird.

Die Entscheidungen sind im Volltext unter folgenden Links abrufbar:

Urteil des VI. Zivilsenats vom 16.7.2024 – VI ZR 205/23

Urteil des VI. Zivilsenats vom 16.7.2024 – VI ZR 243/23

Stichwort teilen bei
Zurück zur Übersicht

Ansprechpartner

Dr. Wolf-Henning Hammer

Zum Profil
calendar-fullmagnifiercross WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner