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Fahrtenbuch / Fahrtenbuchauflage

Informationen
08.02.2024

Die Fahrtenbuchauflage ist in § 31a StVZO geregelt. Sie kann gegenüber dem Fahrzeughalter verhängt werden, wenn der Fahrzeugführer nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsregeln nicht festgestellt werden kann.

 

Voraussetzung ist allerdings – unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht (VGH München, Beschl. v. 31.01.2022, Az. 11 CS 21.3019; BVerwG, Urt. v. 17.5.1995, Az.  11 C 12.94).

 

Entscheidend ist dabei das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO in tatsächlicher Hinsicht. Anders als im Strafprozess, genügt es hierbei aber, dass sich die Überzeugung für die Behörde oder das Gericht mit hinreichender Sicherheit ergibt (OVG Münster, Beschl. v. 03.06.2022, Az. 8 B 433/22).

 

Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist dabei an dem in Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) niedergelegten Punktesystem zu orientieren. (BVerwG, Urt. v. 28.5.2015, Az. 3 C 13.14; OVG NRW, Beschl. v. 13.01.2016, Az. 8 A 1030/15); Beschl. v. 07.04.2011, Az. 8 B 306/11). Ein nur einmaliger unwesentlicher Verstoß, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann noch Rückschlüsse auf die charakterliche Ungeeignetheit des Kraftfahrers zulässt, genügt zum Erlass einer Fahrtenbuchauflage nicht (OVG NRW, Beschl. v. 13.01.2016, Az. 8 A 1030/15). Dem OVG NRW zufolge, ist die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage allerdings auch bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt (Urt. v. 30.11.2005, Az. 8 A 250/05).

 

Die Überzeugung der Behörde soll genügen

 

Dem des OVG NRW zufolge (Beschl. v. v. 03.06.2022, Az. 8 B 433/22; v. 31.01.2018, Az. 8 A 3024/17) „muss die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, ebenso wie das Verwaltungsgericht selbstständig prüfen, ob ein Verkehrsverstoß im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO in tatsächlicher Hinsicht feststeht. Dabei genügt aber – anders als im Strafprozess -, dass sich die Überzeugung mit hinreichender Sicherheit ergibt. Bestreitet der Halter eines Fahrzeuges, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen“ 

 

Welchen Zweck verfolgt die Fahrtenbuchauflage?

 

Der Zweck der Fahrtenbuchauflage wird darin gesehen – zumindest während ihrer Laufzeit – die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen (z.B. VG Minden, Beschl. v. 04.06.2020, Az. 2 L 156/20). Anknüpfungspunkt für die Fahrtenbuchauflage ist, dass der Fahrzeughalter im Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes die Verfügungsbefugnis und die Kontrollmöglichkeit über das Fahrzeug hatte, aber nicht aufgeklärt werden konnte, wer den Verkehrsverstoß begangen hat.

 

Die Fahrtenbuchauflage soll eine präventive Funktion haben. Sie dient der vorbeugenden Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich sind  (z.B. OVG Münster, Beschl. v. 08.08.2022, Az. 8 B 691/22; VG Mainz, Beschl. v. 02.03.2022, Az. 3 L 68/22.MZ; Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschl. v. 09.01.2020, Az. 5 L 1710/19). Sie ist daher auch keine Sanktion für eine unterbliebene Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrers (OVG Hamburg, Beschl. v. 28.11.2017, Az. 4 Bf 24/17.Z).

 

Zu welchen Nachforschungen ist die Behörde verpflichtet?

Grundsätzlich darf eine Behörde, sofern und soweit gegenteilige Anhaltspunkte fehlen, davon ausgehen, dass die im Fahrzeugregister als Zulassungsinhaber eingetragene Person auch tatsächlich der Halter ist. Zum Zwecke einer Anhörung des Halters im Rahmen eines verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens, darf sie sich daher insoweit auf die Anhörung dieser Person beschränken (OVG Münster, Beschl. v. 08.08.2022, Az. 8 B 691/22).

Welche Maßnahmen eine Behörde zu ergreifen hat, um den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, wird auch durch die Erklärung des Fahrzeughalters beeinflusst. Wenn dieser die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes verweigert, ist es der Behörde regelmäßig weder zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (OVG Schleswig, Beschl. v. 03.03.2021, Az. 5 LA 12/19).

Dies gilt indes nur, wenn die Aufklärungsmaßnahmen der Behörde angemessen waren. Entscheidend ist, ob die Bußgeldbehörde „in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können“ (VG Mainz, Beschl. v. 02.03.2022; Az. 3 L 68/22.MZ; VG Aachen, Beschl. v. 14.12.2021, Az. 10 L 702/21).

Wenn die Behörde den Halter in dem Anhörungsbogen sowohl als Beschuldigter als auch als Zeuge angesprochen, dieser dort aber keine sachdienlichen Angaben gemacht hat, soll der Behörde eine förmliche Befragung als Zeuge der Behörde nicht mehr zumutbar sein (OVG NiedersachsenBeschl. v. 23.11.2023, Az. 12 ME 98/23).

Ob das Fahrzeug nach dem Verkehrsverstoß verkauft oder ob ein Ersatzfahrzeug beschafft wurde, bzw. zur Verfügung steht, ist unerheblich (VG Würzburg, Beschl. v. 19.05.2021, Az. W 6 S 21.573; OVG NRW, Beschl. v. 22.07.2020, Az. 8 B 892/20); VG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2016, Az. 6 K 8199/14).

 

Wie lange darf eine Behörde warten?

 

Die Behörde genügt ihrer in § 31 a StVZO vorausgesetzten Pflicht, zunächst selbst alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Feststellung des Täters zu ergreifen, nur, wenn sie den Kraftfahrzeughalter unverzüglich von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis setzt. Die Anhörungsfrist darf im Regelfall zwei Wochen nicht überschreiten. Besondere Umstände können im Einzelfall allerdings ein Abweichen von der Regelfrist begründen (BVerwG, Urt. v. 13.10.1978, Az. BVerwG 7 C 77.74). Zudem schließt auch eine verspätete Anhörung die Anordnung der Fahrtenbuchauflage dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist (z.B. OVG Schleswig-Holstein v. 16.06.2021, Az. 5 LA 291/20; VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 04.03.2020, Az. B 1 K 19.46).

 

Die Frist der Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen ist noch öffentliche Klage erhoben worden ist, danach sechs Monate (§ 26 StVG). Einem Urteil des VG Trier zufolge (Az. 2 L 1001/06, v. 15.11.2006), schließt die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers nach Eintritt der Verfolgungsverjährung eine Fahrtenbuchanordnung nicht aus. Entscheidend war, dass die Halterin den Fahrer erst nach Eintritt der Verfolgungsverjährung und angesichts einer drohenden Fahrtenbuchauflage benannte.

 

Für welche Dauer kann eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden?

 

Die Dauer der Fahrtenbuchauflage orientiert sich an der Schwere des Verkehrsverstoßes sowie daran, ob es sich um einen erstmaligen Verstoß oder einen Wiederholungsfall handelt. Die Bemessung des Bemessung des Zeitraums wird dabei durch das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes sowie das Verhalten des Fahrzeughalters im Zusammenhang mit den Bemühungen der ermittelnden Stelle an der Tataufklärung beeinflusst. Ein weiterer Aspekt ist, ob es sich um einen erstmaligen oder einen wiederholten – unaufgeklärt gebliebenen – Verkehrsverstoß handelt.

 

 

Die Fahrtenbuchauflage über mehrere Jahre angeordnet werden!

 

  • zwei Jahre; BVerwG, Urt. v. 13.10.1978, Az. 7 C 77/74 ((Mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb kurzer Zeit)
  • zweieinhalb Jahre; OVG NRW, Beschl. v. 07.04.2011, Az. 8 B 306/11 (Rotlichtverstoß)
  • drei Jahre; OVG NRW, Beschl. v. 05.09.2005, Az. 8 A 1893/05 (Fahrerflucht).

 

Wie lässt sich eine Fahrtenbuchauflage vermeiden?

 

Die Behörde muss abwägen und sich damit auseinandersetzen, ob die Auflage erforderlich und verhältnismäßig ist. Wer nach einer Zuwiderhandlung organisatorische Maßnahmen ergriffen hat, die darauf gerichtet und geeignet sind, bei künftigen Verkehrszuwiderhandlungen die Ermittlung des verantwortlichen Fahrers zu erleichtern, hat gute Chancen, die Verhängung der Fahrtenbuchauflage zu vermeiden. Allgemein gehaltene und mit einer Unsicherheit verbundene Absichtserklärungen der Art „man werde sich in Zukunft anders, d.h. verkehrstreu verhalten“ reichen allerdings nicht (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 14.10.2020, Az. 9 A 2969/19). Der Mitwirkung im Verfahren kommt eine entscheidende Rolle zu. Etwa bestehende Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte des Fahrzeughalters stehen der Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs nicht entgegen.

 

Der Fahrzeughalter ist zur Mitwirkung verpflichtet!

 

Die Selbstbeschuldigung eines Fahrzeughalters gegenüber der Bußgeldbehörde führt insbesondere dann nicht zum Erfolg, wenn eine deutliche Diskrepanz zwischen der Selbstbeschuldigung des Antragstellers und dem vorgelegten Fahrerfoto existiert, die Behörde wiederholt angemerkt und um Benennung des Fahrers gebeten und auf die Möglichkeit der Auferlegung eines Fahrtenbuchs bei Nichtermittlung des Fahrzeugführers hingewiesen hat (VG Mainz. Beschl. v. 02.03.2022, Az. 3 L 68/22).

 

In einem anderen Fall hat das Verwaltungsgericht Minden (Az. 2 K 1957/12 v. 17.01.2013) eine Fahrtenbuchauflage verhängt, nachdem die Zwillingssöhne des Fahrzeughalter zwar zugegeben hatten, am Tattag gemeinsam mit dem Auto unterwegs gewesen zu sein. Sie bestritten allerdings den genauen Moment der Blitzeraufaufnahme wahrgenommen zu haben. Es sei ihnen daher – auch angesichts der schlechten Qualität des vorgelegten Fotos – nicht möglich den Fahrer zu identifizieren. Da sich nach dem Geschwindigkeitsmessfoto zum Tatzeitpunkt nur der Fahrer in dem Pkw befand, war es für das Gericht nicht ersichtlich, „welche weiteren Aufklärungsmaßnahmen die Bußgeldstelle hätte ergreifen können, um einen der beiden Söhne als Fahrer zu ermitteln. Angesichts dessen war es der Behörde im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht möglich, den Fahrzeugführer festzustellen, obwohl sie alle ihr zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft hatte.“ 

 

Bei einem Foto mit schlechter Bildqualität “ist der Hinweis des Fahrzeughalters, die schlechte Bildqualität mache es ihm unmöglich, die Person des Fahrers zu identifizieren, regelmäßig ohne rechtliche Relevanz. Denn normalerweise ist der Personenkreis, dem ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug anvertraut, überschaubar. Selbst ein in Betracht kommender größerer Personenkreis kann angesichts der dem Fahrzeughalter in Bezug auf die Örtlichkeit und den Zeitpunkt der verkehrsrechtlichen Zuwiderhandlung bekannten Fakten typischerweise weiter eingeschränkt werden” (OVG Saarland, Beschl. v. 24.08.25022, Az. 1 B 67/22).

 

Das VG Lüneburg  (Urt. v. 17.10.2022, Az. 1 A 139/21) hat ausgeführt, dass kein Anlass zu weiteren Ermittlungen bestehe und es keiner eingehenden Erörterung bedürfe, “dass ein Fahrzeughalter seinen Mitwirkungspflichten bei der Fahrerermittlung nach einem begangenen Verkehrsverstoß nicht genügt, wenn er falsche Angaben tätig oder gar eine Person als Fahrer angibt, die nicht existent ist (vgl. hierzu u.a. auch OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 28.7.2011 – OVG 1 N 58.11 – juris; OVG NRW, Beschl. v. 11.10.2007 – 8 B 1042/07 -, juris).”

 

Übrigens

 

Die Behörde muss beweisen, dass sie den Fahrzeughalter rechtzeitig angehört hat. Insbesondere muss sie den vollen Beweis über den Zugang eines Schriftstücks zu erbringen, da dessen Nichterhalt eine sog. negative Tatsache darstellt, die ihrerseits eines Beweises nicht zugänglich ist. Allerdings kann ein Gericht kann im Wege der Würdigung der Umstände des Einzelfalles nach § 108 Abs. 1 VwGO zu der Überzeugung gelangen, dass ein abgesandtes Schriftstück den Adressaten erreicht hat (OVG Hamburg, Beschl. v. 23.09.12021, Az. 4 Bs 140/21).

Auf “Mengenrabatte” oder Nachsicht sollte man aber auch bei großen Flotten nicht hoffen. Die Gerichte stufen Fahrtenbuchauflagen – auch bei großen Unternehmen – als eher geringfügigen Eingriff ein. Sie begründen dies damit, dass dem Unternehmen hiermit keine zeitintensiven zusätzlichen Pflichten auferlegt würden. Es entspreche ohnehin sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, auch Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren (OVG Bautzen. Beschl. v. 28.06.2023, Az. 6 B 64/23).

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