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Das Werkstattrisiko gilt auch für die Kaskoversicherung!

AG München, Urteil vom 23.05.2023, Az. 331 C 14558/22

Das AG München hat – in einer geradezu schulbuchhaften Entscheidung - erläutert, wann und warum die Grundsätze des Werkstattrisikos auch bei der Kaskoversicherung greifen.
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07.07.2023
ca. 3 Minuten
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Die Grundsätze des Werkstattrisikos gelten auch für die Kaskoversicherung!

Kasko ist nicht Haftpflicht

Im Zentrum der Entscheidung stand die Frage, wie der Versicherungsnehmer die Ziffer A.2.6.2. der zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen verstehen und von welchem Leistungsumfang er ausgehen durfte.

Das Verständnis der Versicherungsbedingungen war deshalb entscheidend, weil es nicht um einen Haftpflicht-, sondern einen Kaskoschaden ging. Und da Kaskoschäden nun einmal Eigenschäden sind, d.h. solche, bei denen ein Schädiger „fehlt“ ergibt sich der Ersatzanspruch eben nicht aus den gesetzlichen Bestimmungen des Deliktsrechts, sondern aus den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kaskoversicherer. In bestimmten Konstellationen (Stichwort Quotenvorrecht) kann es zwar auch in einem Haftpflichtschadenfall sinnvoll sein auf die eigene Kaskoversicherung zurückzugreifen. Ein solcher Sachverhalt lag hier jedoch nicht vor.

Wie sind Klauseln in AKB zu verstehen?

Allgemeine Versicherungsbedingungen regeln das vertragliche Leistungsversprechen des Versicherers. Die Gerichte sind sich darin einig, dass „so auszulegen (sind), wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind“ (z.B. BGH, Urt. v. 22.04.2015, Az. IV ZR 419/13). 

Wie durfte der Geschädigte die Klausel verstehen?

Dem Wortlaut der Klausel zufolge, bestand bei Beschädigung des versicherten Fahrzeugs ein Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Kosten der Reparatur, bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes.

Den Grundsätzen der Rechtsprechung zufolge, durfte ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer deshalb annehmen, der Schaden werde reguliert wie ein Haftpflichtschaden.

 Das AG München hat, unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH (Urt. v. 11.11.2015, Az. IV ZR 426/14), auf einen entscheidenden Punkt hingewiesen: Durchschnittliche Versicherungsnehmer werden dem Begriff der erforderlichen Kosten nicht entnehmen, dass der Umfang ihrer Ansprüche gegenüber dem Versicherer „insoweit generell hinter dem zurückbleiben soll, was im Schadenfall von einem haftpflichtigen Unfallgegner verlangt werden kann.“

Das Werkstattrisiko war abgedeckt!

Der Geschädigte durfte davon ausgehen, dass für seinen Kaskoschaden die gleichen Rahmenbedingungen gelten würden, wie für einen Haftpflichtschaden, konnte er sich folglich auch auf das Werkstattrisiko berufen, demzufolge im Fall eines Ersatzanspruchs nach §§ 7, 18 StVG, 249 BGB anerkannt ist, dass der Schädiger auch das Risiko einer nicht sachgerechten Reparatur trägt.

Werkstattrisiko und subjektiver Schadensbegriff werden erläutert!

Was das genau bedeutet, hat das Gericht ausführlich erklärt:

„Ein Geschädigter, der das Unfallfahrzeug selbst zu Reparatur gibt, kann gem. § 249 Abs. 2 BGB von dem Schädiger den zur Herstellung erforderliche Geldbetrag ersetzt verlangen.

Erforderlich ist der Geldbetrag, der vom Standpunkt eines verständigen wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeugs zweckmäßig und angemessen erscheint. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt.

Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insoweit geht das Werkstattrisiko zu Lasten des Schädigers.

Es macht daher keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind.”

Fazit

Nach alledem konnte das AG München nur kurz und knapp feststellen: Das gilt auch hier!

Was seinen Ursprung außerhalb der kontrollierbaren Einflusssphäre des Geschädigten hat, kann diesem auch nicht zur Last gelegt werden. Und ob eine Werkstatt einzelne Positionen über die Gemeinkosten abrechnet oder als gewinnorientiertes Unternehmen separat an den Kunden weitergibt, kann dieser in der Regel nicht erkennen.

Eines kann aber jeder erkennen: Versicherer sparen gerne zu Lasten der Geschädigten!

An dieser Stelle gilt dann der Grundsatz „Voigt regelt“! Sprechen Sie mit uns!

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Bildnachweis: Tumisu / Pixbay

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