Landgericht Ellwangen, Urteil vom 14.05.2025, Az. 1 S 94/24
Die Besonderheit dieses Falls bestand darin, dass das Fahrzeug des Geschädigten, das auf der vorfahrtsberechtigten Straße fuhr, bereits im Jahr 2020 bei einem anderen Unfall beschädigt worden war. Es wies einen fiktiv abgerechneten Vorschaden auf, der nicht behoben worden war.
Der Versicherer des Unfallverursachers führte aus, der vom neuen Unfall betroffene Bereich des total beschädigten Fahrzeugs sei bereits vorher beschädigt gewesen. Da kein neuer Schaden entstanden sei, bestehe folglich auch kein Anspruch auf Schadenersatz. Es kam zum Prozess.
Dabei ging es unter anderem darum, dass der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Zweitunfall für einen Restwert in Höhe von 1.455 Euro verkaufen konnte, nachdem er im Jahr 2020 einen Schadensersatz auf Totalschadenbasis in Höhe von 2.300 Euro erhalten hatte. Dieser Betrag setzte sich aus einem Wiederbeschaffungswert gemäß Vorschadensgutachten in Höhe von 3.500 Euro minus einem vorgeblichen Restwert in Höhe von 1.200 Euro zusammen.
Der Sachverständige stellte fest, dass das Fahrzeug bei dem Unfall im Jahr 2020 lediglich oberflächliche Kratzer an der linken hinteren Seite erlitten hatte. Es sei daher noch uneingeschränkt verkehrs- und betriebssicher gewesen. Dies sei nach dem streitgegenständlichen Unfall nicht mehr gegeben gewesen. Aus technischer Sicht sei durch den Zweitunfall ein Mehrschaden entstanden.
Das Amtsgericht kam daher zu dem Schluss, dass der neue Schaden den alten übersteigt, weshalb ein neuer, technisch und rechnerisch bestimmbarer, ersatzfähiger „Mehrschaden” vorliegt.
Den Ersatz der Kosten für das Privatgutachten lehnte das Gericht mit der Begründung ab, der Geschädigte habe den Vorschaden dem Gutachter gegenüber verschwiegen.
Der Versicherer des Unfallgegners vertrat die Auffassung, dass der Geschädigte habe insgesamt keinen Anspruch habe und legte Berufung ein. Schließlich habe der Geschädigte bereits nach dem ersten Unfall zu viel Schadensersatz erhalten, da der Restwert mit 1.200 Euro zu niedrig angesetzt worden sei. Eine vollständige Geltendmachung des Anspruchs des Geschädigten würde daher gegen das Bereicherungsverbot verstoßen, zumal Alt- und Neuschaden nicht klar voneinander abgegrenzt werden könnten.
Auch das Landgericht Ellwangen hielt die Schäden der beiden Unfälle für unterscheidbar.
Während der erste Unfall lediglich Lackschäden verursacht habe, habe der zweite Unfall zusätzliche technische Schäden (z. B. ein beschädigtes Rad und eine verkratzte Heckverkleidung) verursacht.
Die Festsetzung des Restwerts des Fahrzeugs nach dem ersten Unfall auf 1200 Euro sei für den aktuellen Unfall irrelevant. Die frühere Überzahlung kann keine Auswirkung auf den aktuellen Fall haben. Da Schadenersatzzahlungen generell nur auf den aktuellen Sachverhalt bezogen und nicht zur Entlastung künftiger Versicherer gedacht sind, können sie auf spätere Schäden – und daher auf neue Ansprüche – nicht angerechnet werden.
Ein Entfallen des Schadensersatzanspruchs nach § 242 BGB aufgrund des Verschweigens bzw. Leugnens von überlagernden, unreparierten Altschäden lehnte das Landgericht Ellwangen ab. Unter Hinweis auf die diesbezügliche Rechtsprechung der Oberlandesgerichte verdeutlichte es, dass derartige Strafgedanken dem deutschen Zivilrecht fremd sind.
Das Urteil enthält drei entscheidende Punkte:
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