hello world!
hello world!

Streupflicht?

Zum Urteil des OLG Brandenburg vom 28.08.2023 (Az. 2 U 1/23)

Eigentlich ist die Sache klar: Schnee ist zu räumen und bei Eis und Glätte muss gestreut werden. Bei  Privatgrundstücken gibt es da auch kaum Zweifel. Aber was ist im öffentlichen Straßenraum?
Autoren
Informationen
12.01.2024
ca. 3 Minuten
Kategorien
Streufahrzeug

Auf öffentlichen Wegen und Plätzen ist zunächst grundsätzlich die Gemeinde dazu verpflichtet, diese schnee- und eisfrei zu halten. Dies gilt aber nicht umfassend, sondern vornehmlich innerorts und für gefahrenträchtige Stellen. Solche sind – neben Fahrbahnen – insbesondere Geh- und Fußgängerüberwege. Zudem besteht die Pflicht nur im Rahmen des Zumutbaren, d.h. nicht für alle Straßen und Wege.

Nebenstraßen können daher selbst dann noch glatt und schneebedeckt sein, wenn Hauptverkehrsstraßen schon längst geräumt oder bestreut worden sind.

Wie weit reichen die Pflichten?

Ein völlig gefahrloser Zustand kann schon deshalb nicht verlangt werden, weil er in der Regel nicht mit zumutbaren Mitteln erreicht werden kann. Ein Restrisiko darf daher auch bei den von der Räum- und Streupflicht erfassten Örtlichkeiten bestehen. Wer eine Straße benutzt, muss sich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straßen und Wege in dem Zustand hinnehmen, in dem sie sich ihm erkennbar darbieten (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 22.12.2022, Az. 4 U 116/21).

Vorrangige Pflichten zur Gefahrenbeseitigung bestehen nur dort, wo Gefahren „infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen“ (z.B. BGH, Urt. v. 23.07.2015, Az. III ZR 86/15, m.w.N.).

Dies erfordert wiederum eine konkrete Gefahrenlage, d.h. eine Gefährdung durch Glättebildung bzw. Schneebelag. Beim BGH liest sich das so: „Grundvoraussetzung für die Räum- und Streupflicht auf Straßen oder Wegen ist deshalb das Vorliegen einer allgemeinen Glätte und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen“ (BGH, Urt.  v. 12.06.2012, Az. VI ZR 138/11, m.w.N.).

Welche Orte haben Vorrang?

Bezogen auf Fußgänger, haben besonders verkehrswichtige und gefährliche Orte – z.B. Bahnhöfe und Haltestellen – Vorrang. Diese müssen nicht nur engmaschig kontrolliert, sondern auch vorrangig und nötigenfalls auch wiederholt geräumt und bestreut werden. Bei Dauerschneefall oder Eisregen muss zudem sichergestellt sein, dass das Streugut die glättebedingten Gefahren wenigstens vermindert. Behauptet ein Verkehrssicherungspflichtiger, Bestreuen sei witterungsbedingt zwecklos gewesen, dann muss er dies beweisen (BGH, Beschl. v. 07.06.2005, Az. VI ZR 219/04).

Besteht die Streupflicht rund um die Uhr?

Grundsätzlich ist die Räum- und Streupflicht auf die Hauptverkehrszeit beschränkt und beginnt allenfalls kurz vor dem Einsetzen des Haupt- und Berufsverkehrs. Abends endet sie – abhängig von den örtlichen Gegebenheiten – mit dem Ende des allgemeinen Tagesverkehrs (vgl. OLG München Beschl. v. 16.04.2012, Az. 1 U 940/12).

In dem diesem Artikel zugrundeliegenden Urteil des OLG Brandenburg heißt es dazu: „Wer außerhalb dieses Zeitraums unterwegs ist, muss etwaige Gefahrensituationen als Teil des allgemeinen Lebensrisikos selbst tragen und kann nicht verlangen, dass auch zur Nachtzeit Räum- und Streumaßnahmen durchgeführt werden.“

Eine Gemeinde kann in ihrer Satzung übrigens keine Räum- und Streupflichten für Anlieger begründen, die über die Anforderungen der sie selbst treffenden (allgemeinen) Verkehrssicherungspflicht hinausgehen (BGH, Urt. v. 14.02.2017, Az. VI ZR 254/16).

Gibt es Besonderheiten?

Besonderheiten können bei besonders gefahrenträchtigen Stellen bestehen. So können z.B. Hauseigentümer, die das Dach nicht über das eigene Grundstück, sondern über den Gehweg entwässern, verpflichtet sein, Maßnahmen zu ergreifen, die ein Ausrutschen von Fußgängern auf dem öffentlichen Gehweg vor seinem Haus verhindern. Infrage kommen z.B. das Anbringen besonderer Warnhinweise oder einer zusätzlichen Beleuchtung (OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 12.12.2013, Az. 2 U 25/13). Derartige Gestaltungen dürften aber eher die Ausnahme sein.

Zusammenfassung und Fazit

Die obigen Ausführungen können nur einen kleinen Überblick über die Rechtslage zu Räum- und Streupflichten bei Schnee und Eis geben. Im Einzelfall entscheiden die Umstände des Einzelfalls. 

Sollten Sie auf einer glatten Fläche ins Rutschen gekommen oder auf andere Art und Weise in einen glättebedingten Unfall verwickelt worden sein und einen Schaden erlitten haben, kontaktieren Sie uns!

Voigt regelt!

Themenbezogene Links

Wie weit reichen Räum- und Streupflicht?

Ist Schneeräumen (sozial-)versichert?

Was ist bei Schnee und Eis zu beachten?

Es ist kalt…

Wie lange muss in der Dunkelheit – bei Schnee und Eis – an einer Unfallstelle gewartet werden?

Beitrag teilen bei
Zurück zur Übersicht
calendar-fullhistorymagnifiercross