Grundsätzlich wird zwischen „merkantilem“ und „technischem“ Minderwert unterschieden. In beiden Fällen haftet dem Fahrzeug trotz Reparatur noch immer ein Makel an, der sich in einem geringeren Verkaufspreis niederschlägt. So heißt es z.B. in einem Urteil des BGH aus 1981 , “der durch den Unfall verursachte und trotz völliger Beseitigung aller technischer und ästhetischer Schäden nicht zu vermeidende sogenannte merkantile Minderwert (stellt) einen unmittelbaren Schaden an der von der Kaskoversicherung erfassten Substanz des versicherten Objekts dar” (Az. VI ZR 153/80 v. 08.12.1981).
Wie verhält es sich mit der Wertminderung bei Leasingfahrzeugen
Bei Leasingfahrzeugen steht die Wertminderung dem Leasinggeber zu. Bei der Berechnung entscheidet auch hier das Verbot der Überkompensation, wonach der Geschädigte sich an dem Schadensereignis nicht bereichern darf. Wie das Brandenburgisches Oberlandesgericht in einem Urteil vom 25.07.2024, Az. 12 U 160/23 ausgeführt hat, findet § 249 Abs. 2 S. 2 BGB auf den Schadensersatzanspruch nach § 251 BGB nicht unmittelbar Anwendung, da § 251 BGB keine Regel zur Berücksichtigung der Umsatzsteuer enthält. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Überkompensation aus steuerlichen Gründen im Anwendungsbereich von § 251 BGB erlaubt sein sollte. Würde die Umsatzsteuer nicht in Abzug gebracht werden stünden Leasinggeber nach einem Schaden vermögensmäßig besser da vorher.
Welche Bedeutung hat das Fahrzeugalter?
Bei älteren Fahrzeugen lehnen Versicherer diese Schadensposition oftmals ab und behaupten, dass ab einem Fahrzeugalter von mehr als fünf Jahren und/oder einer Laufleistung von über 100.000 km keine Wertminderung mehr gegeben sei . Dies ist so nicht richtig. Zwar existieren Urteile, die auf ein Fahrzeugalter von fünf Jahren und eine Laufleistung von 100.000 km abstellen (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.06.2012, Az. I-1 U 149/11); in anderen Gerichtsentscheidungen wurde aber zum Beispiel eine Wertminderung bei einem sieben Jahre alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von 191.000 km bejaht.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein Urteil des AG Schwäbisch Gmünd vom 25.03.2021 (Az. 5 C 626/20). Bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt wurde ein 19-Jahre altes Oberklassefahrzeug an der Tür hinten links und der Seitenwand beschädigt. Der Versicherer des Schädigers lehnte – unter Verweis auf das Alter – den Ersatz eines Minderwerts pauschal ab. Umgekehrt kann auch bei sehr jungen Fahrzeugen ein merkantiler Minderwert vorliegen. Da es am Markt mit Fahrzeugen konkurriert, die aufgrund ihres Alters in der Regel keine Vorschäden aufweisen, ist gegenüber potentiellen Käufern ein deutlicher Preisnachlas erforderlich, damit diese anderenfalls ein unbeschädigtes Fahrzeug kaufen würden. (vgl. AG Köln, Urt. v. 14.05.2021. Az. 169 C 125/20). Eine Wertminderung ist auch bei Fahrzeugen mit Vorschaden nicht ausgeschlossen, (AG Diepoldiswalde, Urt. v. 31.05.2013, Az. 3 C 432/12).
Wie verhält es sich bei Luxusfahrzeugen?
Bei Nutzfahrzeugen folgt die Berechnung des merkantilen Minderwerts eigenen Grundsätzen, wie nicht zuletzt einem Urteil des OLG Köln, (Az. 16 O 206/22 v. 05.02.2024) entnommen werden kann. Gut nachvollziehbar zitiert das Urteil den Sachverständigen, demzufolge sich “die Auswirkungen des “Makels” eines Unfalls bei Käufern von Fahrzeugen der Luxusklasse, die sich nach dessen Ausführungen gravierender darstellen als auf dem “normalen” Gebrauchtwagenmarkt.”
Die gängigen Berechnungsmodelle seien auf dem Markt für Luxusautos u.a. deshalb schon nicht passend, weil entsprechende potentielle Käufer an der Unfallfreiheit ein außergewöhnlich hohes Interesse hätten, “sodass regelmäßig verhältnismäßig hohe finanzielle Anreize im Gegenzug für ein Unfallfahrzeug geboten werden müssen.” Das entsprechende Publikum eine habe nicht nur eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge (BGH, Urt. v. 23.11.2004, Az. VI ZR 357/03).
Brutto oder netto?
Der Rechtsprechung zufolge, ist die Wertminderung mehrwertsteuerneutral zu kalkulieren. Begründet wird dies damit, dass sich die Kalkulation der Wertdifferenz nur auf den der Sache innwohnenden vor und nach dem schädigenden Ereignis beziehen kann. Dies sei denklogischerweise der Nettowert, unabhängig von einer möglichen Steuer (z.B. AG Coburg, Urt. v. 09.05.2022, Az. 11 C 796/22).
Den Amtsgerichten AG Soltau und München zufolge, sollte es sich es sich bei dem Betrag einer merkantilen Wertminderung – auch bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten – nicht um einen durchlaufenden Posten handeln. Der Wertminderungsbetrag sei daher grundsätzlich ohne Abzug der Mehrwertsteuer zu erstatten (Urt. v. 20.02.2023, Az. 4 C 150/22; 29.09.2022, Az. 336 C 1795/22).
Der Bundesgerichtshof hat die Karten allerdings zwei Urteilen vom 16.07.2024 neu gemischt und entschieden, dass die
a) Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs ist. Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen.
b) Wurde davon abweichend der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem “Umsatzsteueranteil” entsprechender Betrag abgezogen wird.
Die Entscheidungen sind im Volltext unter folgenden Links abrufbar:
Urteil des VI. Zivilsenats vom 16.7.2024 – VI ZR 205/23
Urteil des VI. Zivilsenats vom 16.7.2024 – VI ZR 243/23
Ausführlich: Merkantiler Minderwert
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