Nach einem Verkehrsunfall sind dem Geschädigten die erforderlichen Reparaturkosten zu ersetzen. Deren Umfang richtet sich nach der Reparaturrechnung oder – bei der fiktiven Abrechnung – nach dem Sachverständigengutachten oder Kostenvoranschlag.
Ersatzfähig sind sowohl die Kosten für den Ersatz eines unfallbeschädigten Kennzeichens, einer anschließenden Probefahrt, den Einsatz eines Infrarottrockners, für die Anfertigung eines Farbmusterbleches, Finish- sowie Sicherheitsarbeiten vor Ofentrocknung (AG Bonn, Urt. v. 02.09.2022, Az. 106 C 125/21) oder das Auslesen des Fehlerspeichers (AG München, Urt. v. 26.09.2022, Az. 336 C 1795/22).
Dennoch versuchen Versicherer immer wieder die Reparaturrechnungen um einige darin enthaltene Positionen zu kürzen. Gerne wird dann behauptet, es sei nicht nötig gewesen ein bestimmtes Teil zu erneuern, eine Lackierung durchzuführen oder eine Fahrzeugendreinigung vorzunehmen.
Dies ist falsch, denn nach der Rechtsprechung müssen die Reparaturrechnungen selbst dann vollständig von der Versicherung erstattet werden, wenn der Werkstatt tatsächlich ein Reparatur- oder Abrechnungsfehler unterlaufen ist. Vergleichbar gilt für das Gutachten, dass der Anspruch des Geschädigten nicht auf die vom Gutachter für erforderlich gehaltenen Kosten beschränkt ist. Diese stellen lediglich eine Prognose dar und sind hängen von den Stundensätzen der durchführenden Werkstatt ab (vgl. LG Hannover, Beschl. v. 11.02.2022, Az. 4 S 14/21; AG Coburg, Urt. v. 30.06.2021, Az. 18 C 3552/20).
Denn das sogenannte Werkstattrisiko trifft nicht den Geschädigten, sondern vielmehr den Unfallverursacher und seine Kfz-Haftpflichtversicherung. Etwas Anderes gilt nur, wenn dem Geschädigten ein Auswahlverschulden vorzuwerfen ist. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Geschädigte eine „Hinterhofwerkstatt“ beauftragt hat, bei der er von vornherein befürchten musste, dass die Reparatur nicht ordnungsgemäß erledigt wird.
In allen anderen Fällen gilt jedoch, dass für Einwendungen des Versicherers letztlich kein Raum mehr ist, wenn die Reparatur tatsächlich durchgeführt wurde, die Reparaturrechnung vorliegt (z.B. AG Essen, Urt. v. 30.06.2021, Az. 11 C 25/21; AG Weißenburg, Beschl. v. 16.06.2021, Az. 1 C 115/21) oder der Geschädigte das Gutachten eines Sachverständigen zur Grundlage seines Reparaturauftrags gemacht hat (z.B. AG Rendsburg, Urt. v. 02.02.2022, Az. 41 C 198/20).
Legt ein Geschädigter eine Rechnung vor, sind die Reparaturkosten vollständig zu erstatten (LG Berlin, Beschl. v. 13.09.2021, Az. 23 S 7/21). Eine Rechnung über „Reparaturkosten laut Gutachten zum Festpreis“ genügt allerdings nicht (OLG Hamm, Beschl. v. 07.04.2021, Az. 20 U 28/21).
Wenn ein Geschädigter fiktiv abrechnet, um die Reparatur in die eigene Hand zu nehmen und auch durchführen lässt, ist er nicht dazu verpflichtet dem Versicherer die Rechnung vorzulegen, damit dieser die Zahlung entsprechend anpassen kann. Vom Grundsatz her sind die von einem Sachverständigen anhand der Preise einer Fachwerkstatt geschätzten Reparaturkosten auch dann zu ersetzen, „wenn die Reparatur von einer „freien“ Werkstatt, von Schwarzarbeitern, vom Geschädigten selbst oder überhaupt nicht ausgeführt worden ist“ (z.B. OLG München, Urt. v. 17.12.2020, Az. 24 U 4397/20; KG Berlin, Beschl. v. 14.12.2017, Az. 22 U177/15).
Zur Höhe der Kosten der benötigten Ersatzteile hat der BGH bereits 2018 festgestellt „Die Preise der Ersatzteile, die eine markengebundene oder eine freie Fachwerkstatt dem Kunden in Rechnung stellen, werden nach deren eigener Preisgestaltung regelmäßig nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen aufgestellt; sie können sich im Rahmen der unverbindlichen Preisempfehlung der Fahrzeughersteller und/oder ihrer Importeure für Originalersatzteile bewegen, aber auch darüber oder darunter liegen“ (BGH, Urt. v. 25.09.2018, Az. VI ZR 65/18).
Was gilt für die Umsatzsteuer?
Die Pflicht des Versicherers zur Erstattung der Umsatzsteuer entsteht bereits mit der Vorlage der Reparaturrechnung. Ursprünglich hatte das AG Lünen die Zahlung vom Nachweis der Bezahlung der Rechnung abhängig gemacht (Urt. vom 29.01.2021). Diese Rechtsauffassung hat es später korrigiert und das Urteil entsprechend abgeändert (Urt. v. 15.05.2021, Az. 9 C 157/20).