OLG Dresden, Urteil vom 01.10.2024, Az. 4 U 446/24
Der Gebäudeversicherer sah die Haftung aus Betriebsgefahr als gegeben an. Er begründete dies damit, dass die ursprünglich herrschende “maschinentechnische” Auffassung einer Veränderung hin zur verkehrstechnischen Auffassung erfahren habe.
Daher muss der Begriff “bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs” weit gefasst werden, um die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen werden, nicht nur vom Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug, sondern insbesondere auch von Kraftfahrzeugen ausgehen, die nach der maschinenrechtlichen Auffassung nicht im Betrieb sind.
Die Gefährdungshaftung eines Kraftfahrzeugs greift daher nicht nur bei Unfällen im öffentlichen Straßenverkehr oder privaten Verkehrsraum, sondern bei allen Unfällen, die mit seinem Betrieb oder seinen Betriebseinrichtungen zusammenhängen. Allerdings muss ein örtlicher und zeitlicher Kausalzusammenhang mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs oder dem Versagen seiner Betriebseinrichtungen gegeben sein, wie dies z.B. beim Brand eines geparkten Pkw infolge technischen Defekts der Fall ist (BGH, Urt. v. 21.01.2014, Az. VI ZR 253/13).
Die Konsequenz ist klar: Ein Schaden ist bereits dann “bei dem Betrieb” eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Das heißt, dass das Schadengeschehen durch das Kraftfahrzeug geprägt worden sein muss. (BGH, Urt. v. 11.02.2020, Az. VI ZR 286/19, zur Haftung des Halters eines Anhängers)
Im Einzelfall muss entschieden werden, ob dies der Fall ist. Dabei müssen alle Umstände berücksichtigt werden.
Das OLG stimmte dem Gebäudeversicherer zu, dass das Betanken eines Kraftfahrzeugs vom Grundsatz her eng mit dessen Betrieb zusammenhängt. Auch das Öffnen des Benzinkanisters dient unstreitig dem Betrieb des Fahrzeugs.
Das Gericht konnte in dem vorliegenden Sachverhalt jedoch keinen Zusammenhang zwischen dem Öffnen des Kanisters und den vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren erkennen. Denn unstreitig war das Fahrzeug an dem Brandgeschehen nicht beteiligt. Insbesondere hatte es weder eine Ursache für die Entzündung des Kanisters gegeben, noch war es durch den Brand des Kanisters beschädigt worden.
Dem Gericht zufolge sei “Tanken” zwar ein Betriebsvorgang. Allerdings hatte sich der Kanister entzündet, bevor mit der Betankung im eigentlichen Sinne begonnen worden war. Eine vom Fahrzeug, hier speziell vom Tank, ausgehende spezifische Gefahr konnte sich daher noch nicht verwirklichen.
Eine Haftung aus Betriebsgefahr dürfte auch dann fraglich sein, wenn der Fahrer vor dem Tankvorgang mit einem Feuerzeug hantiert und dadurch Benzindämpfe entzündet.
Der Begriff des “Betriebs” im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG ist inzwischen zwar weit gefasst. Dennoch gilt: Nicht jeder Schaden, der entfernt im Zusammenhang mit dem Kraftfahrzeug steht, wird von der Haftung aus Betriebsgefahr erfasst.
Das Öffnen des Benzinkanisters hat eben keinen spezifischen Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeugs. Deshalb kann es auch keine Haftung für Schäden geben, bei denen das Fahrzeug in keiner Weise beteiligt ist.
Wurden sie in einen Unfall verwickelt, bei dem die Schuldfrage problematisch ist?
Bildnachweis(e): Titel: Feuerwehr Lage; Beitrag: Polizei Rheinland-Pfalz