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Radfahrer fährt auf falscher Seite! Autofahrer haftet trotzdem!

OLG Schleswig, Urteil vom 19.11.2024, Az. 7 U 90/23

Als ein Autofahrer nach rechts in eine Straße abbiegen wollte, stieß er mit einem Radfahrer zusammen. Dieser war in Fahrtrichtung neben der Fahrbahn, aber verbotswidrig auf dem Gehweg gefahren. Bei dem Zusammenstoß wurde der Radfahrer nicht nur von seinem Fahrrad gestoßen, sondern auch von dem Auto überrollt und schwer verletzt.
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10.12.2024
ca. 3 Minuten
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Fahrradfahrer fährt auf falscher Seite!

Das Landgericht Lübeck hatte ein Mitverschulden des Radfahrers von 75 % angenommen und die Ansprüche entsprechend gekürzt. Gegen dieses Urteil hatte der Radfahrer Berufung eingelegt.

In der Sache war der Anspruch des Radfahrers unstreitig!

Dass sich der Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 7 StVG ereignet hatte, war ebenso wenig zweifelhaft wie die Frage, ob sich der Radfahrer ein Mitverschulden im Sinne des § 9 StVG anrechnen lassen musste.

Das OLG Schleswig hatte zu klären, ob und in welchem Umfang diese Kürzung gerechtfertigt war. Es hatte an der Entscheidung des Landgerichts nichts zu beanstanden.

Zwar gehören Radfahrer zu den schwächeren und verletzungsanfälligeren Verkehrsteilnehmern, weshalb von Autofahrern besondere Rücksichtnahme erwartet werden kann. Gesetzgeberisch hat sich dies z.B. in den Sonderregelungen zur Einhaltung des seitlichen Mindestabstandes und eben auch zum Abbiegen niedergeschlagen. Dies reicht jedoch nicht aus, um Radfahrer von der Einhaltung der Verkehrsregeln zu entbinden.

Verkehrswidrig fahrende Radfahrer tragen ein erhöhtes Mitverschulden!

Die Grundregel des § 1 StVO, wonach die Teilnahme am Straßenverkehr nicht nur ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme erfordert, sondern jeder Verkehrsteilnehmer sich auch so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird, gilt ausnahmslos sowohl für Kraft- als auch für Radfahrer.

Daraus folgt für das OLG Schleswig-Holstein, dass sich ein erwachsener Radfahrer, der verbotswidrig mit 10 – 27,5 km/h auf einem Gehweg fährt, als Geschädigter ein erhebliches Mitverschulden von 75 % entgegenhalten lassen muss, wenn er eine Straße über einen abgesenkten Bordstein überquert, ohne seiner Wartepflicht nachzukommen.

Dies hat zur Folge, dass einem nach rechts abbiegenden Kraftfahrer kein kausaler Verstoß gegen § 8 Abs. 1 StVO bzw. § 9 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 1 StVO vorgeworfen werden kann, wenn er mit dem verbotswidrig den parallel zur Fahrbahn verlaufenden Gehweg benutzenden Radfahrer kollidiert.

Denn sowohl § 8 Abs. 1 StVO als auch § 9 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 1 StVO dienen allein dem Schutz des nachfolgenden Verkehrs. Wer als Radfahrer verbotswidrig einen parallel zur Fahrbahn verlaufenden Gehweg befahren hat, kann den erhöhten Schutz, der sich aus den besonderen Abbiege- und Vorfahrtsregelungen ergibt, nicht für sich in Anspruch nehmen.

So hatte z.B. auch das OLG München einer Radfahrerin den Anspruch auf Schadenersatz mit der Begründung abgesprochen, dass der Unfall aufgrund ihres Verhaltens für den für den Fahrer des Wagens unvermeidbar gewesen war (Kein Schmerzensgeld für Radfahrerin).

Autofahrer müssen mit verkehrswidrig fahrenden Radfahrern rechnen!

Das alles ändert aber nichts daran, dass sich ein Kraftfahrer beim Rechtsabbiegen einen Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 2 StVO vorwerfen lassen muss, wenn er bei gehöriger Sorgfalt den Radfahrer rechtzeitig hätte erkennen und die Kollision hätte vermeiden können. Diese Pflicht beinhaltet, sich so zu verhalten, dass bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt ein Unfall vermieden wird.

So hatte z.B. das Landgericht Hanau entschieden, dass der aus einem Grundstück mit dem PKW in den Straßenverkehr Einfahrende bei einer Kollision mit einem Fahrradfahrer auch dann den Unfall allein verursacht haben und für die entstandenen Schäden haften kann, wenn der Fahrradfahrer verkehrswidrig nicht den gekennzeichneten Fahrradweg benutzt hat, sondern auf der Straße gefahren ist. (LG Hanau, Beschl. v. 30.08.2023, Az. 2 S 65/22).

Fazit

Das Urteil des OLG Schleswig lässt sich auf zwei Sätze reduzieren:

Verkehrsregeln gelten für Auto- und Radfahrer gleichermaßen.

Wer Verkehrsregeln missachtet haftet oder hat im Schadenfall nur einen reduzierten Anspruch auf Schadenersatz (s.a. Mithaftung bei Fahrt entgegen Fahrtrichtung).

Sollten Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt worden sein, kontaktieren Sie uns umgehend und nicht erst dann, wenn es hinsichtlich Ihrer Haftung oder Ihres Anspruchs auf Schadenersatz zu Problemen gekommen ist.

Sie wissen doch: Voigt regelt!

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