Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2020, Az. VI ZR 319/18
Die Kfz-Haftpflichtversicherung deckt Schäden ab, die anderen durch den Betrieb eines Fahrzeugs entstehen. Dazu gehören beispielsweise Schäden durch das unaufmerksame Öffnen einer Fahrzeugtür oder das Auffahren an einer roten Ampel. Doch wie steht es um Schäden durch den Brand in einer Lagerhalle? Greift hier auch die Haftpflichtversicherung?
Nach einem Verkehrsunfall schleppte ein Abschleppunternehmen ein schwer beschädigtes und nicht mehr fahrbereites Fahrzeug ab. Dieses stellte das Unternehmen in seiner Lagerhalle ab, wo es nicht weiter bewegt wurde. Nach drei Tagen kam es zu einem Brand in der Halle. Das Abschleppunternehmen ließ den entstandenen Schaden über seinen Gebäudeversicherer regulieren.
Nach Ansicht des Gebäudeversicherers war ein technischer Defekt an dem abgeschleppten Fahrzeug die Brandursache. Weiter meinte er, [der] Brandschaden sei von einer Betriebseinrichtung des Fahrzeugs ausgegangen und habe überdies in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem schweren Verkehrsunfall gestanden, der sich wiederum im öffentlichen Straßenverkehr ereignet habe.
Daher wollte der Gebäudeversicherer den Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs in Regress für den regulierten Schaden nehmen. Der Haftpflichtversicherer sah sich nicht in der Haftung und wies die Forderung zurück. Da sich die beiden Versicherer nicht einigen konnten, ging die Angelegenheit vor Gericht.
Das zunächst angerufene Landgericht (LG) Köln wies die Klage des Gebäudeversicherers mit Urteil vom 28.08.2017 (Az. 26 O 435/16) ab. Auch die dagegen eingelegte Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte keinen Erfolg. Mit Urteil vom 04.07.2018 (Az. 11 U 146/17) bestätigten die Richter die Entscheidung des Landgerichts. Es gebe keine Anknüpfungspunkte für ein schuldhaftes Verhalten, die den Anspruch begründen würden. Eine Haftung des Haftpflichtversicherers für das Fahrzeug scheide auch aus, weil der Schaden nicht bei dessen Betrieb entstanden sei. Das Fahrzeug habe sich (
) weder in Bewegung noch im öffentlichen Verkehrsraum befunden.
Denn die Halle, in dem es stand, diene nur privaten Zwecken. Der Gebäudeversicherer wollt sich damit nicht abfinden und zog vor den BGH.
Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Angelegenheit zur neuen Verhandlung an das OLG zurück. Die Begründung des Oberlandesgerichts für die Ablehnung des Anspruchs war den BGH-Richtern zu dünn. Das Merkmal “bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs” hätte
weit ausgelegt werden müssen. Es sei bereits dann als bei dem Betrieb
anzunehmen, wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadengeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit) geprägt worden ist.
Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt: [Die] Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht
.
Für den BGH ist der Schutz vor Schäden durch einen Fahrzeugdefekt grundsätzlich erfasst – losgelöst vom konkreten Fahrbetrieb: Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist.
Dass das Fahrzeug schwer beschädigt sowie nicht mehr betriebsbereit war und nicht feststand, ob es wieder im Straßenverkehr eingesetzt werden könne
, sei ohne Bedeutung für die Haftungsfrage. Auch unter diesen Umständen handelte es sich (noch) um ein Kraftfahrzeug
.
Das OLG muss sich nun mit den Fragen auseinandersetzen, was tatsächlich die Brandursache war und ob der Brand in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebseinrichtung des beschädigten Fahrzeugs steht. Die Möglichkeit die Haftung pauschal abzulehnen, weil der Schaden nicht beim Fahrzeugbetrieb (im engeren Sinne) entstanden sei, besteht jedenfalls nicht mehr.
Das OLG Bremen hat in einem Hinweisbeschluss vom 05.07.2023, Az. 1 U 12/23 folgendes festgestellt:
1. Eine Beschädigung des Eigentums Dritter aufgrund des Brandes eines abgestellten Fahrzeugs ist nicht durch dessen Betrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG verursacht, wenn nicht festzustellen ist, dass der Brand des Fahrzeugs auf einem technischen Defekt oder einer anderen technischen Ursache (Reibung, Wärme) des Fahrzeugs beruhte.
2. Eine Haftung aufgrund der Betriebsgefahr nach § 7 Abs. 1 StVG wird nicht bereits dadurch begründet, dass ein Fahrzeug wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennbar ist. Ein hieraus verursachter Brand eines Fahrzeugs steht der Gefahr der Inbrandsetzung beliebiger anderer im öffentlichen Raum abgestellter Gegenstände gleich (Anschluss an BGH, Urteil vom 21.01.2014, Az. VI ZR 253/13; Urteil vom 11.02.2020, Az. VI ZR 286/19).
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Wie weit reicht die Haftung aus Betriebsgefahr?
Die Haftung aus Betriebsgefahr ist sehr weitreichend. Sie ist der Preis für die Gefahren, die mit der Fahrzeugnutzung einhergehen. Daher legt der BGH – entgegen Stimmen aus Teilen der Rechtsprechung und Literatur – den Begriff beim Betrieb
sehr weit aus. Was noch zum Betrieb gehört und was nicht mehr, hängt auch vom Einzelfall ab. So kann beispielsweise die Haftung abgelehnt werden, wenn ein ordnungsgemäß abgestelltes Fahrzeug mutwillig in Brand gesetzt wird. Anders wiederum, wenn der Brand durch ein Parken über einem heißen Einweggrill verursacht wurde.
Aktualisiert am 13.12.2023