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Haftung beim Abbiegeunfall eines Lang-LKW!

OLG Stuttgart, Urteil vom 11.04.2024, Az. 2 U 176/22

Hat der Fahrer eines LKW keine ausreichende Sicht, muss er sich im Zweifel einweisen lassen!
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17.04.2024
ca. 3 Minuten
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Lastzug, Lang-LKW

Besondere Fahrzeuge erfordern besondere Maßnahmen!

Der Fahrer eines Lang-LKW wollte auf einer zweispurigen Abbiegespur nach rechts abbiegen. Einer betriebsinternen Weisung folgend, hatte er sich dazu mittig zwischen den Fahrspuren aufgestellt, um so das seitliche Vorbeifahren von Fahrzeugen und Unfälle beim Abbiegen zu verhindern. Der Fahrer eines PKW drängte sich jedoch vorbei und es kam, wie es kommen musste. Als der LKW abbog scherte die vordere Ecke des Aufliegers aus und beschädigte das Heck des Dränglers.

Niederlage vor dem Landgericht, Erfolg vor dem Oberlandesgericht!

Der Kaskoversicherer des PKW beglich den Schaden zunächst, machte seine Aufwendungen anschließend aber als Regressforderung beim Haftpflichtversicherer des Lastzugs geltend. Dieser wies die Forderung jedoch zurück und es kam zum Rechtsstreit.

Nachdem der Kaskoversicherer vor dem Landgericht nahezu vollständig gescheitert war, legte er Berufung zum OLG Stuttgart ein.

Das Landgericht hatte dem LKW-Fahrer korrektes Verhalten bescheinigt!

Das Landgericht hatte das Verschulden überwiegend beim Fahrer des PKW gesehen. Ohne konkrete Vorstellungen davon, wie sich ein Lkw mit Anhänger während des Abbiegens verhalte, hätte er nicht so nah (75 cm Seitenabstand) an das Zugfahrzeug heranfahren dürfen.

Das OLG sah das anders und meinte, das Landgericht habe die Anforderungen an den PKW-Fahrer deutlich überspannt.

Selbst der gerichtlich beauftragte Sachverständige habe erst durch Fahrversuche herausfinden müssen, dass die linke vordere Ecke des Anhängers beim Gespann eines Lang-LKWs um einen Meter nach links ausschwenkt. Vor diesem Hintergrund hätte das Landgericht daher nicht davon ausgehen dürfen, dass ein derartiges Wissen bei dem drängelnden Kraftfahrer vorhanden gewesen sei.

Die Beherrschbarkeit beeinflusst die Sorgfaltsanforderung!

In Bezug auf den Fahrer des Lastzuges sei das anders zu beurteilen. Dieser habe schon aufgrund der Fahrbahnbreite und seiner vorangegangenen Erfahrungen an der Unfallörtlichkeit damit rechnen müssen, dass sich ein Fahrzeug an ihm „vorbeidrücken“ würde. Hinzu kam, dass er – aufgrund der für ihn beschränkten Sichtverhältnisse – nicht erkennen konnte, ob das Ausscheren des Anhängers während des Abbiegens nachfolgenden Verkehr gefährden könne.

Unbeherrschbare Situationen erfordern Unterstützung!

Die Verkehrssituation sei somit für ihn nicht beherrschbar gewesen. Vor dem Abbiegen hätte er daher stärker auf etwaigen nachfolgenden Verkehr achten müssen, um dessen Gefährdung auszuschließen (§ 9 Absatz 1 Satz 4 StVO). Dies habe auch für rechtsabbiegenden Verkehr gegolten und es sei – insbesondere bei einem ausschwenkenden Fahrzeug – ein äußerst sorgfältiges Verhalten gefordert gewesen. Im Zweifel hätte der Fahrer sich sogar durch eine weitere Person einweisen lassen müssen. Dies sei aber unterblieben, obgleich mit „vorbeidrückenden“ Fahrzeugen gerechnet werden musste.

75 zu 25 für den Kaskoversicherer!

Am Ende kam das Oberlandesgericht kam zu einer Verteilung der Haftung von 75 % zu 25 % zu Gunsten des Klägers und sprach weiteren Schadenersatz zu. Die allgemeine Betriebsgefahr des Pkw sowie den eingeräumten Verstoß gegen die allgemeinen Sorgfaltspflichten (§ 1 Absatz 2 StVO), weil der Fahrer trotz erkennbar enger Verhältnisse sich an dem Beklagtenfahrzeug „vorbeigedrückt“ hatte, hatte es dabei mit berücksichtigt.

Fazit

Das Urteil belegt: Eindeutige und klar vorhersehbare Fälle gibt es im Verkehrsrecht kaum. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass sich die Rechtsprechung und damit die Anspruchssituation ändert, wenn ein Rechtsstreit über mehrere Instanzen geht.

Wer dennoch meint, er könne – selbst bei einer vermeintlich einfachen Verkehrsunfallsache – auf die Einschaltung eines Anwalts verzichten, handelt mindestens fahrlässig (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 01.12.2014, Az. 22 U 171/13). Lassen Sie sich dies nicht vorhalten!

Sollten Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt worden sein, kontaktieren Sie uns!

Wir können den Unfall zwar nicht ungeschehen machen, aber wir können den Schaden regeln!

Bildnachweis:  GrumpyBeere / Pixabay

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