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Zwei zu Null für Geschädigte!

Amtsgericht Kassel, Urteil vom 18.09.2023, Az. 423 C 341/23

Versicherer müssen Anwaltskosten erstatten und Großkundenrabatte sind nachzuweisen!
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26.09.2023
ca. 3 Minuten

Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Kassel sorgt (nicht nur) bei Autovermietern für Freude!

Denn der hier zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Kassel zufolge, müssen Haftpflichtversicherer nicht nur die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts erstatten, die bei der vorgerichtlichen Regulierung von Unfallschäden entstehen! Unter bestimmten Voraussetzungen müssen sie etwa unterstellte Großkundenrabatte des Geschädigten auch beweisen. Behaupten reicht dann nicht!

Der Ausgangssachverhalt war unspektakulär!

Ein Fahrzeug eines Autovermieters war bei einem Unfall beschädigt worden. Anschließend hatte der Autovermieter einen Anwalt eingeschaltet, um seine Ansprüche durchzusetzen. Ein ganz normaler Vorgang also.

Der Versicherer fand das aber offenbar nicht so gut. Die Reparaturkosten hatte zunächst zwar vollständig beglichen. Die Anwaltskosten wollte er aber nicht bezahlen und zudem forderte er einen Teil der Reparaturkosten zurück. Im Prozess erklärte der Versicherer dann hilfsweise die Aufrechnung.

Die Begründung lautete, der Vermieter hätte die Angelegenheit auch eigenständig und ohne Anwalt abwickeln können. Außerdem würde er bei den Reparaturkosten von Großkundenrabatten profitieren. Er sei daher ungerechtfertigt bereichert und müsse einen Teil des erhaltenen Geldes zurückzahlen. Der Autovermieter und das AG Kassel sahen das – zu Recht – anders.

Auch Großunternehmen sind Anwaltskosten zu erstatten!

Unmissverständlich stellte das AG Kassel klar, dass auch große Unternehmen nach einem Autounfall dazu berechtigt sind, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass die Abwicklung von Verkehrsunfällen nicht zum Kerngeschäft zählt. Und da Autovermieter Autos vermieten und keine Unfälle abwickeln (wollen), was auch für den klagenden Autovermieter zutrifft, konnte der Versicherer mit seinem Ansinnen nicht durchdringen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich in dem zu entscheidenden Sachverhalt anders verhalten haben sollte, waren weder ersichtlich noch konnte der Versicherer solche vorlegen.

Unerwartet kam das übrigens nicht. Der Versicherer hätte rechnen damit müssen. Denn das AG Kassel konnte sich nicht nur auf seine bisherige Rechtsprechung (z.B. Urteile vom 17.12.2019 – Az. 435 C 2934/19), vom 04.06.2019,  Az. 435 C 1567/18, vom 16.08.2013,  Az. 435 C 12/13, v. 30. 6. 2009, Az. 415 C 6203/08, sondern auch auf den BGH stützen (Urt. v. 29.10.2019 – VI ZR 45/19).

Der Großkundenrabatt wäre zu beweisen gewesen!

Eine Besonderheit des Sachverhaltes bestand darin, dass der Versicherer die geltend gemachten Reparaturkosten bereits ohne Abzüge gezahlt hatte und mit dem angeblich überschießenden Betrag hilfsweise aufrechnen wollte. Aber auch dieses Ansinnen musste scheitern.

Die Rechtsprechung zum Großkundenrabatt konnte nicht verfangen!

Seit dem Urteil des BGH vom 29. Oktober 2019, Az. VI ZR 45/19 ist zwar unstreitig, dass eingeräumte Großkundenrabatte von markengebundenen Fachwerkstätten zu berücksichtigen sind, wenn ein Geschädigter diese ohne Weiteres auch für die Reparatur eines Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen kann. Wäre das auch bei der hier behandelten Konstellation der Fall gesehen, hätte das Urteil sicher anders ausgesehen.

Hier ging es aber nicht um die Zahlung, sondern um einen Rückforderungsanspruch, sondern um bereits geleistete Zahlungen, die der Versicherer „evident in Kenntnis der Nichtschuld…erbracht“ hatte. Laut § 814 BGB kann „das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete (aber) nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war“. So war das hier. Der Versicherer konnte sich deshalb nicht darauf berufen, der geschädigte Autovermieter sei ungerechtfertigt bereichert.

Das Urteil spricht hier von einem „anders rechtsdogmatisch strukturierten Bereicherungsanspruch des Schädigers gegen den Geschädigten“. Und da hier bereicherungs- und nicht schadenersatzrechtliche Grundsätze gelten, können die Grundsätze des BGH zum Schadenersatzrecht eben auch nicht greifen.

Anderes gilt für den Grundsatz „Wer haben will muss beweisen“. Der Versicherer hätte beweisen müssen, dass der geschädigte Autovermieter den unterstellten Rabatt auch tatsächlich hätte in Anspruch nehmen können. Da er diesen Beweis nicht antrat, konnte er auch mit seinem Ansinnen auf Rückzahlung / Hilfsaufrechnung nicht durchdringen.

So richtigerweise auch schon auch LG FFM, Beschl. v. 02.03.2022, Az. 2 – 15 S 126/21, zu AG FFM, 29 C 1096/21 (85). Dort hatte der beklagte Versicherer einen Großkundenrabatt von 20 % behauptet. Und zwar ohne dass sie, im Verhältnis zum Zeitpunkt der Zahlung, neue Umstände zu dem konkreten Schadensfall erfahren hat. Damit ist ein Bereicherungsanspruch der Beklagten zumindest nach § 814 BGB ausgeschlossen, denn die Beklagte hat unter dem gleichen Wissensstand zunächst gezahlt und fordert nun zurück. § 814 BGB ist eine Ausprägung des Grundsatzes des Verbotes des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium).

Fazit

Die Rückforderung einer – in Kenntnis der Nichtschuld – erbrachten Zahlung des Versicherers, betrifft die Entscheidung zwar eine nicht alltägliche Konstellation. Die Grundsätze „Wer haben will muss beweisen, wer nicht zahlen will muss gute Argumente dafür haben!“ gelten aber auch hier.

Sprechen Sie mit uns! Wir haben gute Argumente dafür, dass Sie den Ihnen zustehenden Schadenersatz auch bekommen und sich nicht billig abspeisen lassen müssen.

Voigt regelt!

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