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Versicherer müssen mehr als nur die Fahrtkosten ersetzen!

Amtsgericht Itzehoe, Urteil vom 19.05.2023, Az. 94 C 61/22

Wer mit seinem Fahrzeug in einen Unfall mit Totalschaden verwickelt wird, benötigt in aller Regel ein neues Fahrzeug. Zudem muss er das beschädigte Fahrzeug ab- und das neue anmelden.
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07.08.2023
ca. 4 Minuten

Regelmäßig befinden sich weder die Zulassungsstelle noch das Ersatzfahrzeug „um die Ecke“. Und da sich auch heute noch nicht alles online erledigen lässt, müssen Geschädigte nach wie vor Zeit und Wege aufwenden, um unfallbedingt notwendig gewordene Erledigungen durchzuführen. Die damit verbundenen Aufwendungen hat der Versicherer des Unfallgegners zu übernehmen, Kosten für ein Ersatzfahrzeug und etwaige Nutzungsausfallschäden inklusive.

Leider sehen Versicherer das oft anders, selbst wenn die Haftungslage eindeutig ist. So war es auch in dem hier zugrundeliegenden Sachverhalt. Der Versicherer meinte, der Geschädigte müsse die Beseitigung des Schadens vorfinanzieren. Zudem würde sich die Nutzungsausfallentschädigung vermindern, weil er sich ein höherklassiges Fahrzeug beschafft hatte. Das Amtsgericht Itzehoe sah das differenzierter.

Wann ist Schadensersatz zu leisten?

Von strafrechtsrelevanten Ausnahmen einmal abgesehen, suchen Geschädigte sich weder den Unfall als solchen noch dessen Zeitpunkt oder die Folgen aus. Zudem sind Geschädigte regelmäßig zeitnah auf die Entschädigung angewiesen, da sie die Reparatur aus eigenen Mitteln nicht vorfinanzieren können. Dies wissen auch die Versicherer, insbesondere wenn sie explizit genau darauf hingewiesen worden sind!

Versicherer wissen auch, dass sie das Procedere und die Dauer der Schadensbehebung maßgeblich beeinflussen können. Denn da – vom Grundsatz her – kein Geschädigter die Instandsetzung aus eigenen (oftmals fehlenden) Mitteln vorfinanzieren oder gar einen Kredit aufnehmen muss (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19), darf mit der Beseitigung des Schadens solange gewartet werden, bis der entschädigungspflichtige Versicherer die Übernahme der Kosten erklärt hat. Hierzu bedarf es allerdings einer belastbaren Zahlungszusage. Floskeln wie „Wir sind regulierungsbereit“ genügen nicht (vgl. LG Stuttgart, Beschl. v. 14.06.2023, Az. 2 T 56/23).

Welche Parameter gelten für den Nutzungsausfall?

Die Nutzungsausfallentschädigung ist für den Zeitraum zu zahlen, während dessen ein Geschädigter sein Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen kann und keine Mietwagenkosten geltend macht. Dies kann sowohl die Zeit bis zur und für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs als auch für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs sein. Die Dauer des Zeitraums wird durch den Schaden selbst und ggf. die Verfügbarkeit erforderlicher Ersatzteile beeinflusst. Vorläufige Notreparaturen müssen Geschädigte nur im Ausnahmefall akzeptieren.

Geschädigte haben den Schaden zwar gering zu halten (§ 254 BGB) und die Beseitigung zeitnah in die Wege zu leiten. Dies werden sie regelmäßig aber erst dann können (s.o.), wenn der Versicherer die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt oder zugesagt hat. Der Ball liegt daher eindeutig dort. Und je eher der Versicherer des Schädigers die Übernahme der Kosten bestätigt, desto früher kann der Geschädigte die Reparatur in die Wege leiten und den Zeitraum des Nutzungsausfalls verkürzen.

Was ist mit Fahrtkosten?

Da das unfallbedingt erforderlich gewordene Ersatzfahrzeug nur selten direkt vor der Tür stehen wird, müssen Geschädigte sich in der Regel erst auf dem Markt um- und ggf. auch mehrere Fahrzeuge ansehen.

Die dadurch entstehenden Kosten hat der Versicherer des Schadenverursachers – im Rahmen der erforderlichen – Aufwendungen zu ersetzen. Als erforderlich betrachtet die Rechtsprechung die Aufwendungen, „die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten durfte.“

Bei Fahrten zur Zulassungsstelle die zur Abmeldung des beschädigten und zur Zulassung des Ersatzfahrzeugs erfolgen, besteht daran kein Zweifel. Bei anderen Maßnahmen, insbesondere bei Fahrten zur Besichtigung etwaiger Ersatzfahrzeuge, entscheidet der Einzelfall.

Die Entfernung darf nicht zu groß sein!

Ein Aspekt bei den Kosten für die Besichtigung /Abholung des Ersatzfahrzeugs ist die Marktgängigkeit des beschädigten Fahrzeugs. Taugliche Parameter können hier z.B. die Preisklasse oder die gefertigte Stückzahl sein. Entscheidend ist aber, ob Ersatz im näheren Umfeld beschafft werden kann. Ist dies möglich und wird das Ersatzfahrzeug dennoch an einem weit entfernten Ort besichtigt und gekauft, sind die Gründe dafür plausibel darzulegen.

In dem zu beurteilenden Sachverhalt war ein handelsübliches SUV beschädigt worden. Die größeren Fahrzeugmärkte (hier: Hamburg, Kiel, Lübeck) waren zwischen 50 – 100 km entfernt. Außerdem waren die Auswahl so groß, dass ein Ersatzfahrzeug auch dort hätte beschafft werden können. Weshalb ein Fahrzeug in 200 km Entfernung besichtigt werden musste, war nicht ersichtlich. Die geltend gemachten Kosten für 800 km (Besichtigung und Abholung) waren daher weder erforderlich noch erstattungspflichtig. Anders verhielt es sich bei den Kosten für die Besichtigung eines anderen Fahrzeugs, das in 93 km Entfernung angeboten wurde, auch wenn der Geschädigte dies am Ende nicht kaufte.

Ob ein Geschädigter ein gleichwertiges oder höherklassiges Fahrzeug beschafft ist übrigens irrelevant, solange es die Ersatzbeschaffung nicht verzögert. Die Höhe des geschuldeten Schadensersatzes wird dadurch nicht beeinflusst.

Fazit

Geschädigte dürfen bei der Ersatzbeschaffung zwar nicht auf die Pauke hauen und der gegnerische Versicherer hat die Entschädigung vollständig und zeitnah zu leisten! Kommt er dieser Verpflichtung nicht oder nur ungenügend nach, ist im Zweifel Klage geboten.

FAQ

Wer trägt die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts?

Geschädigte haben Anspruch auf Ersatz der Kosten, die sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte für zweckmäßig und erforderlich halten durften. Die Kosten der Rechtsverfolgung gehören grundsätzlich dazu (z.B. AG Krefeld, Urt. v. 27.08.2010, Az. 5 C 106/10 oder LG Krefeld, Urt. v. 07.04.2011, Az. 3 S 39/10, jeweils unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 08.11.1994, Az. VI ZR 3/94 in NJW 1995, 446). Wer versucht einen Schaden ohne die Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln, verzichtet im Regelfall nicht nur auf einen Teil seiner Ansprüche, sondern handelt eben auch fahrlässig (OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 2.12.2014, Az. 22 U 171/13).

Seien sie nicht fahrlässig! Kontaktieren Sie uns! Voigt regelt!

Bildnachweis: pexels / mart-production

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