Zu OLG Schleswig, Urteil vom 28.11.2025, Az. 7 U 61/25

Unfall mit abbiegendem Gespann auf dem Heimweg
Das zugrunde liegende Urteil des OLG Schleswig betrifft zwar keine Weihnachtsfeier.
Vielmehr war ein Ehepaar mit seinem Pkw tödlich verunglückt, als es spätabends auf dem Heimweg von einer betrieblichen Feier mit einem Traktorgespann kollidierte, das von rechts kommend nach links in die Vorfahrtsstraße einbog. Im anschließenden Prozess ging es um Sterbegeld und Beihilfen.
Das Urteil verdeutlicht, wie sich Haftung und Mitverschulden bei alkoholbedingten Unfällen abhängig davon gestalten, ob der Beifahrer von der Alkoholisierung des Fahrers weiß oder nicht.
Besonders interessant war, dass der Pkw-Fahrer mit 1,59 Promille deutlich über der Grenze von 1,1 Promille lag, ab der absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vermutet wird. Das Gericht sah die Hauptverantwortung jedoch nicht beim Pkw-Fahrer, sondern beim Traktorfahrer, der seine Sorgfaltspflichten beim Einbiegen gravierend verletzt hatte.
Denn selbst wenn der Pkw-Fahrer für die nächtlichen Sichtverhältnisse zu schnell gefahren war, ließ sich nicht beweisen, dass die Alkoholisierung unfallursächlich war. Der zur Unfallrekonstruktion hinzugezogene Gutachter stellte jedenfalls klar, dass in derselben Situation auch ein nüchterner Fahrer vergleichbar verzögert reagiert hätte. Ein Beweis des ersten Anscheins für die Unfallursächlichkeit der Trunkenheit scheiterte daher.
Das Gericht erkannte bei der Beifahrerin, die mit ihrem betrunkenen Ehemann heimfuhr, keine Mitschuld. Ein Mitverschulden wäre nur dann gegeben gewesen, wenn sie die Fahruntauglichkeit ihres Mannes beim Fahrtantritt hätte erkennen können. Dies hätte der Versicherer beweisen müssen, da er sich auf diesen Gesichtspunkt berief (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.1996, Az. VI ZR 126/95; OLG Dresden, Urteil vom 25.02.2020, Az. 4 U 1914/19; OLG Schleswig, Beschluss vom 08.06.2020, Az. 7 U 36/20). Diesen Beweis konnte der Versicherer jedoch nicht führen.
Was das OLG Schleswig in Bezug auf die Ehefrau des Fahrers festgestellt hat, lässt sich unproblematisch auf andere Konstellationen und Mitfahrer übertragen.
Reine Vermutungen oder eine „Alkoholgewöhnung” des Fahrers reichen ohne konkrete Anhaltspunkte nicht aus. Ein Mitverschulden der Beifahrerin nach §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB konnte daher nicht aus der Alkoholisierung des Fahrers abgeleitet werden.
Auch in der Vorweihnachtszeit gilt: „Wer trinkt, fährt nicht“ und „Wer fährt, trinkt nicht“.
Mitfahrer sollten erkennbar betrunkene Fahrer weder fahren lassen noch sich von ihnen fahren lassen – sowohl zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer als auch um eine mögliche Minderung eigener Ansprüche im Falle eines Unfalls zu vermeiden.