OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.06.2025, Aktenzeichen 3 U 68/24
Der Kläger forderte vom Versicherer des Unfallverursachers den Ersatz von Reparaturkosten, Gutachterkosten, Anwaltskosten sowie einer Unkostenpauschale. Der Versicherer lehnte die volle Zahlung ab. Er meinte, die Kosten seien zu hoch und der Geschädigte hätte Vorschäden verschwiegen.
Das Fahrzeug des Klägers erlitt durch einen Verkehrsunfall, bei dem die Haftung des Unfallgegners außer Streit stand, einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs betrug laut Gutachten 3.600 €, der Restwert 2.010 €. Die Reparaturkosten wurden mit 4.337,54 € brutto angegeben. Der Kläger verlangte 5.485,90 €.
Der Versicherer hielt demgegenüber einen Wiederbeschaffungswert von lediglich 2.800 € für angemessen und die tatsächlichen Reparaturkosten von 4.596,76 € für zu hoch, da sie die 130%-Grenze überschreiten würden. Zudem unterstellte er dem Kläger, Vorschäden verschwiegen zu haben.
Das Landgericht verurteilte den Versicherer zur Zahlung von 4.288,36 € zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten. Es stellte fest, dass die unfallbedingten Reparaturkosten bei 3.399,13 € lagen und somit unterhalb der 130%-Grenze des Wiederbeschaffungswertes von 3.600 € (126,75 %) blieben.
Das OLG wies die Berufung des Versicherers zurück.
Das OLG erinnerte an die Maßgaben des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach der Geschädigte den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Er kann zwischen Reparatur und Ersatzbeschaffung wählen (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2021, Az. VI ZR 513/19). Grundsätzlich ist der wirtschaftlichere Weg zu wählen (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2025, Az. VI ZR 300/24).
Ausnahmsweise kann der Geschädigte aber auch Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes ersetzt verlangen, wenn ein besonderes Integritätsinteresse vorliegt und die Reparatur sach- und fachgerecht entsprechend den Angaben im Gutachten erfolgt ist (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.2009 – VI ZR 110/08; Urt. v. 10.07.2007 – VI ZR 258/06; Urt. v. 16.11.2021 – VI ZR 100/20).
Ausschlaggebend war vielmehr, dass der Geschädigte sein Fahrzeug sach- und fachgerecht, entsprechend den Vorgaben des Gutachtens instandgesetzt hatte und dabei kostenmäßig unterhalb der 130 %Grenze geblieben war.
Das OLG stellte klar, dass bei der Prüfung der 130%-Grenze nur unfallbedingte Reparaturkosten berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 16.01.2024 – VI ZR 266/22; Urt. v. 29.10.1974 – VI ZR 42/73). Unfallunabhängige Reparaturen seien außer Betracht zu lassen – sowohl bei der Höhe des Erstattungsanspruchs als auch beim Kostenvergleich.
“Die Kosten für die Beseitigung unfallunabhängiger Schäden […] bleiben bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes grundsätzlich außer Betracht.”
Zudem sei der Einwand des Versicherers, dass der Kläger Vorschäden verschwiegen habe, nicht bewiesen worden. Fehler im Gutachten führen nur dann zum Verlust des Erstattungsanspruchs, wenn der Geschädigte sie zu vertreten hat – was hier nicht der Fall war (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2024, Az. VI ZR 280/22; Urt. v. 16.01.2024 Az. VI ZR 266/22).
Bezüglich der Gutachterkosten stellte das OLG klar, diese seien erstattungsfähig, sofern sie erforderlich und zweckmäßig sind. Eine Kürzung sei jedoch insoweit vorzunehmen, als sie sich auf unfallunabhängige Schäden bezögen. Auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten seien im Rahmen der üblichen Gebührensätze erstattungsfähig.
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