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Radfahrer stürzt im Begegnungsverkehr auf schmaler Straße – wie ist die Haftungslage?

Zu OLG Brandenburg, Urteil vom 19.12.2024, Az. 12 U 118/24

In dem zu entscheidenden Fall begegneten sich zwei Radfahrer und ein Kleinbus auf einer schmalen Straße. Als die vorausfahrende Radfahrerin bremste, wich der nachfolgende Radfahrer nach links aus. Dabei kollidierte er mit dem linken hinteren Radkasten des Kleinbusses und stürzte. Im anschließenden Rechtsstreit verlangte er Schadensersatz und Schmerzensgeld.
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07.04.2025
ca. 3 Minuten
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Radfahrerauf Triathlonfahrrad

Eine entscheidende Frage in dem Verfahren war, ob der klagende Radfahrer nachweisen konnte, dass sein Sturz zufälliges Ereignis war, sondern durch das herannahende Fahrzeug im Begegnungsverkehr mitverursacht wurde.

Welche Grundsätze gelten beim Begegnungsverkehr?

Begegnen sich Fahrzeuge auf einer schmalen Straße, die erkennbar nicht so breit ist, dass sie ohne besondere Maßnahmen gefahrlos aneinander vorbeifahren können, so sind beide Fahrzeugführer zu besonderer gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet (§§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 Satz 2 und 5 StVO).

Auch hier gilt der Grundsatz, dass die Haftung von den Umständen des Einzelfalls abhängt, insbesondere davon, inwieweit der Schaden überwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 17 Abs. 1 und 2 StVG; vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 14.01.2025, Az. 6 U 73/24).

Bei der Begegnung eines mehrspurigen Kraftfahrzeugs mit einem Radfahrer geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Kraftfahrer einem Radfahrer nur leichter auf den Seitenstreifen ausweichen kann (z.B. OLG Schleswig, Urt. v. 15.04.2010, Az. 7 U 17/09).

Hinzu kommt, dass Kraftfahrer gegenüber Radfahrern, bei denen u.a. mit schwankender Fahrweise zu rechnen ist, zur Einhaltung eines seitlichen Mindestabstandes verpflichtet sind.

Aber auch hier spielen die Umstände des Einzelfalls und die Einhaltung des Rechtsfahrgebots (§ 2 Abs. 2 StVO) eine entscheidende Rolle (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 23.01.1997, Az. 6 U 163/96), denn der Seitenabstand nach § 5 Abs. 4 StVO ist ausdrücklich für das Überholen gedacht, zu dem der Begegnungsverkehr gerade nicht gehört.

Weitere Aspekte sind, ob für das ausweichende Fahrzeug z.B. aufgrund seines Gewichts beim Befahren eines unbefestigten Seitenstreifens eine erhöhte Gefahr des Abrutschens in einen neben der Fahrbahn befindlichen Graben oder des Umkippens besteht und ob die Fahrzeugführer ihre Geschwindigkeit den Umständen entsprechend angemessen angepasst haben, d.h. im Zweifel bis zum Stillstand herabgesetzt haben, um sich darüber zu verständigen, wer von ihnen das stehende Fahrzeug des anderen langsam passiert (OLG Hamm, Urt. v. 07.06.2016, Az. 9 U 59/14; Siehe auc: Beiderseitige Fahrbahnverengung! Wer hat Vorfahrt?).

Auch Radfahrer müssen ausweichen!

Ein Ausweichen kann unter dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Rücksichtnahme im Übrigen nicht nur vom Führer eines Kraftfahrzeugs, sondern auch vom Radfahrer verlangt und erwartet werden. Dem insoweit erhöhten Risiko, dem ein Radfahrer aufgrund seiner schmaleren Bereifung ausgesetzt sein kann, muss er durch seine Fahrweise Rechnung tragen. Da die Gerichte in dem zu entscheidenden Sachverhalt nicht feststellen konnten, ob ein Verstoß gegen die (seitlichen) Abstandsregeln vorlag, musste dieser Aspekt allerdings außer Betracht bleiben.

Die Regeln zum Mindestabstand gelten auch für Radfahrer!

Dennoch waren die Abstandsregeln letztlich entscheidend für den Ausgang des Verfahrens. Denn das Gebot, einen ausreichenden Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einzuhalten (§ 4 Abs. 1 StVO), gilt nicht nur für Kraftfahrer, sondern auch für Radfahrer.

In diesem Zusammenhang hatte der verunfallte Radfahrer angegeben, dass er aufgrund der Lenkerkonstruktion seines Fahrrades (Triathlon-Lenker) nicht schnell genug bremsen konnte und deshalb zwischen seine Frau und den Kleinbus geraten war.

Nahaufnahme eines Triathlon-Lenkers
Triathlon-Lenker

Hätte er einen größeren, der Bauart des Fahrrades angepassten Abstand zu seiner vorausfahrenden Ehefrau eingehalten, wäre er wahrscheinlich entsprechend bremsen können und es wäre nicht zu dem Unfall gekommen.

Im Ergebnis und nach Abwägung der Verursachungsbeiträge kam das Gericht daher zu der Überzeugung, dass das Eigenverschulden des Radfahrers als so hoch einzustufen sei, dass selbst die Betriebsgefahr des Kleinbusses dahinter zurücktrete und er allein für den entstandenen Schaden hafte.

Fazit

Das Urteil zeigt eindrucksvoll, dass die Rücksichtnahmepflicht zwischen Kraftfahrern und Radfahrern keine Einbahnstraße ist. Vielmehr müssen sich auch Radfahrer an die bestehenden Verkehrsregeln und Vorschriften halten. Verstoßen sie dagegen und kommt es zu einem Unfall, kann dies im Einzelfall sogar dazu führen, dass die Betriebsgefahr des beteiligten Kraftfahrzeugs hinter das Verschulden des Radfahrers zurücktritt und dieser auf seinem Schaden sitzen bleibt. Entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalls, und die können kompliziert sein.

Sollten Sie – egal ob als Radfahrer oder als Fahrer eines Kraftfahrzeugs – in einen Unfall verwickelt worden sein, kontaktieren Sie uns.

Voigt regelt!

Bildnachweis: Pixabay

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