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Müssen Unfallgeschädigte künftig auf Mietwagen verzichten?

OLG Celle, Urteil vom 13. September 2023, Az. 14 U 19/23

Die Frage ob wie lange und unter welchen Umständen Unfallgeschädigte Anspruch auf den Ersatz der Kosten eines Mietwagens haben, ist für die Gerichte ein Dauerthema.
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21.09.2023
ca. 3 Minuten
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Spannend wird es immer dann, wenn sich die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs verzögert und länger gedauert hat, als dies ursprünglich kalkuliert war. Passiert dies, können Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet sein, ein Interimsfahrzeug zu beschaffen und auf das Mietfahrzeug zu verzichten.

Eine Frage der Mathematik

Der Grundsatz des § 249 Abs. 1 BGB, wonach „Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen (hat), der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“, ist unverrückbar. Die unterschiedlichen Vorstellungen von Schädiger und Geschädigtem, wenn um die Berechnung und Festlegung des Umfangs der Entschädigung geht, sorgen indes immer wieder für Streit und Diskussionen.

Welche Grundsätze gelten?

Ein Urteil des BGH (Az. VI ZR 35/80 v. 02.03.1982) hat hier allerdings feste Leitplanken, auch für den Ersatz infolge des schadenbedingten Fahrzeugausfalls definiert. Schädiger haben daher alle Kosten zu erstatten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzuges seines Fahrzeuges für erforderlich halten durfte.

Im Klartext bedeutet dies, Geschädigte haben „diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach allgemeiner Auffassung nach Treu und Glauben von einem ordentlichen Menschen getroffen werden müssen, um den Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern, wobei für einen schuldhaften Verstoß gegen diese Pflicht bzw. diese Obliegenheit der Schädiger beweispflichtig ist“ (vgl. OLG Koblenz, Az. 12 U 1409/22 v. 06.03.2023).

Das Werkstattrisiko gilt!

Als direkte Folge dürfen Geschädigte den Aussagen des Schadensgutachtens und den Aussagen des Reparaturbetriebs vertrauen. Gegen Überraschungen und Verzögerungen bei der Instandsetzung sind sie damit weitgehend abgesichert. Versicherer behaupten zwar immer wieder – und gerne auch ins Blaue hinein – der Geschädigte hätte seine Schadenminderungspflicht verletzt. Dies müssen sie aber eben auch beweisen, was immer wieder misslingt (s.o.).

Wenn ein Versicherer also behauptet, der Geschädigte hätte auf einen Mietwagen verzichten und eine Notreparatur durchführen oder sich gar ein Interimsfahrzeug beschaffen müssen, kann sich der Geschädigte regelmäßig – am besten anwaltlich vertreten – entspannt zurücklehnen und auf das Werkstattrisiko verweisen.

Sachverständigengutachten sind gut, aber die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten entscheiden!

Regelmäßig bedeutet aber nicht immer. Denn am Ende sind es die Umstände des Einzelfalls, die den Ausschlag geben.

So können verschiedene Gutachter z.B. – abhängig von den individuell zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, wie z.B. dem Zugriff auf das Bestellsystem des Autoherstellers – auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und die Entscheidung beeinflussen. Ausschlaggebend ist aber einzig, ob der Geschädigte aus seiner Sicht hätte erkennen können oder gar müssen, dass die vorübergehende Nutzung des beschädigten Fahrzeugs nach einer Notreparatur zumutbar und die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs daher nicht erforderlich ist (z.B. OLG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 08.09.1989, Az. 6 U 106/89).

Zudem kann er verpflichtet sein, auf eine schnelle Reparatur zu drängen oder sogar ein Interimsfahrzeug anzuschaffen. Je nach Art und Verwendung des beschädigten Fahrzeugs, existiert aber auch hier keine pauschale Lösung (vgl. LG Tübingen, Urt. v. 12.03.2021, Az. 3 O 28/19 (Pferdetransporter)). Zudem kann, selbst wenn der Geschädigte sich in Hinblick auf die letztlich angefallenen Mietwagenkosten ein Interimsfahrzeug hätte beschaffen müssen, diese Pflicht entfallen, wenn er sich bereits vor dem Unfall ein anderes Fahrzeug bestellt hatte, von dessen Lieferung er „alsbald“ ausgehen durfte (OLG Koblenz, Urt. v. 06.03.2023, Az. 12 U 1409/22).

In dem hier zugrundeliegenden Urteil hatte der Geschädigte zwar keinen Neuwagen bestellt. Aber – laut Auskunft der Werkstatt – war in „allernächster Zeit“ mit der Lieferung der benötigten Ersatzteile zu rechnen. Die eingetretenen Verzögerungen gehen, als Folge der subjektbezogenen Schadensbetrachtung, nicht zu seinen Lasten.

Fazit

Dem Urteil des OLG Celle zufolge, können – einzelfallabhängig – sowohl die Kosten für einen Mietwagen als auch die für eine Notreparatur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt sein. Ist dies der Fall, kann ein Geschädigter verpflichtet sein, sich für den Zeitraum der Reparatur ein Interimsfahrzeug zu beschaffen.

Eine derartige Pflicht besteht allerdings nur dann, wenn die fehlende Wirtschaftlichkeit für den geschädigten auch erkennbar ist. Versicherer behaupte dies gerne, auch ins Blaue hinein. Geschädigte sollten sich aber keinesfalls auf fruchtlose Diskussionen mit dem Versicherer einlassen und auf ihnen zustehende Ansprüche verzichten.

„Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist hat, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“. Nicht mehr und nicht weniger!

Sprechen Sie mit uns! Voigt regelt!

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