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Müssen Geschädigte sechs Monate warten?

Zu Landgericht Rottweil, Urteil vom 07.02.2024, Az.  1 S 46/23

Das Landgericht Rottweil bestätigt: „Nein“!
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16.02.2024
ca. 3 Minuten
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Spätestens seit dem Urteil des BGH vom 29.04.2003, Az. VI ZR 393/02 steht fest: Ist ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden, kann der Geschädigte zum Ausgleich des Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts verlangen. Voraussetzung ist lediglich, dass er das Fahrzeug – gegebenenfalls unrepariert – mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter nutzt. Dies ist den Versicherern bekannt und wird in der Regel auch beachtet.

Bekannt ist auch, dass wenn die Sechs-Monats-Frist nicht eingehaltalten wird und auch kein Ausnahmefall vorliegt, die Möglichkeit eines Regresses besteht, da der Geschädigte in diesem Fall lediglich einen Anspruch auf den Wiederbeschaffungsaufwand hat.

Versicherer behaupten gerne eine Sechs-Monats-Frist

Obgleich eigentlich alles klar ist behaupten Versicherer immer wieder, Geschädigte könnten ihre Ansprüche nicht unmittelbar, sondern erst nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist geltend machen.

Das Landgericht Rottweil hat klargestellt, dass die Sechs-Monats-Frist weder eine Fälligkeits- noch eine Anspruchsvoraussetzung ist, sondern lediglich als Indiz für das Integritätsinteresse des Geschädigten dient.

Geschädigte müssen nicht abwarten!

Eine Einordnung der Frist als Anspruchsvoraussetzung wäre auch schon in Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen, die in § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. §§ 249, 271 BGB klar definiert sind, unzulässig.

Auch rechtssystematisch wäre dies nicht haltbar! Denn eine Sechs-Monats-Frist als Fälligkeitsvoraussetzung wäre schon mit dem Grundgedanken des Schadenersatzrechts unvereinbar, wonach „Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, […] den Zustand herzustellen [hat], der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.“  

Hätte der Gesetzgeber den Ablauf von sechs Monaten als Fälligkeitsvoraussetzung gewollt, hätte er dies im Schadenersatzrecht benannt. Dies ist aber weder in § 823 oder § 249 BGB noch an anderer Stelle erfolgt. Schon deshalb muss also davon ausgegangen werden, dass der Anspruch unmittelbar mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses entsteht.

Ein Abwarten würde den Schaden ggf. noch vergrößern!

Ein weiterer Aspekt ist, dass eine Einordnung als Fälligkeitsvoraussetzung eine Vielzahl von Unfallgeschädigten entweder dazu zwingen würde, ihr beschädigtes Fahrzeug – sofern es nach dem Unfall noch verkehrstüchtig sein sollte – sechs Monate in unrepariertem Zustand zu fahren oder aber die Reparatur vorzufinanzieren. Letzteres kann aber schon von daher nicht gewollt sein, als es Geschädigte zum Verstoß gegen die Pflicht zur Geringhaltung des Schadens zwingen würde. Abgesehen davon wäre es der Verkehrssicherheit wohl kaum zuträglich, wenn eine Vielzahl un- oder bestenfalls teilreparierter Unfallfahrzeuge auf den Straßen unterwegs wäre. Auch außerhalb des Schadenrechts gibt es daher gute Gründe, die gegen die Sechs-Monats-Frist als Fälligkeitsvoraussetzung sprechen.

Versicherer können zu viel geleistete Zahlungen zurück fordern!

Schließlich ist zu bedenken, dass die Zahlung des gesamten Betrages im Regelfall ja auf einer vom Geschädigten veranlasste Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs beruht.  Dem BGH zufolge (Beschl. v. 18.11.2008, Az. VI ZB 22/08) ist hierdurch der Wille zur Weiternutzung zunächst ausreichend belegt.

Wörtlich heißt es in dem zitierten Beschluss: „Ob der Versicherer in dieser Situation den gesamten Schadensersatzbetrag bezahlt oder ob er sich verklagen lässt, muss er aufgrund einer Bewertung der Umstände des jeweiligen Regulierungsfalls beurteilen. Eine solche Beurteilung der Umstände des Einzelfalls mag im Massengeschäft der Regulierungspraxis lästig sein, ist aber nicht zu vermeiden, wenn der einzelne Regulierungsfall konkrete Zweifelsfragen aufwirft. Zahlt der Versicherer, kann er die Zahlung des über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden Betrages unter einem Rückforderungsvorbehalt leisten.“

Kein Zweifel besteht deshalb daran, dass der Versicherer leisten muss.

Fazit

Bei der Zahlung von Schadenersatz versuchen Versicherer gerne nicht nur deren Umfang zu vermindern, sondern sie verzögern auch gerne. Geschädigte sollten sich das nicht gefallen lassen. Schließlich sind sowohl der Schaden als auch der Ersatzanspruch unmittelbar durch und zeitgleich mit dem schädigenden Ereignis entstanden. Zudem heißt es in § 271 Abs. 1 BGB: „Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.“

Sollten Sie also Probleme mit der Durchsetzung Ihres berechtigten Ersatzanspruchs haben, insbesondere der Versicherer meinen, der Anspruch sei noch nicht fällig, sprechen Sie mit uns!

Voigt regelt!

Bildnachweis: Darkmoon_Art / Pixabay

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