OLG Schleswig, Urteil vom 07.01.2025, Az. 7 U 45/24
Als ein Pkw mit einem landwirtschaftlichen Gespann kollidierte, kippte dieses um und erlitt einen Totalschaden. Die Schuldfrage war schnell und eindeutig zu Lasten des Pkw-Fahrers geklärt und der Geschädigte hatte einen Sachverständigen mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.
Der Versicherer des Unfallgegners wollte dieses jedoch nicht bezahlen. Denn da das Gutachten keine Restwertangebote enthielt, sollte es angeblich unbrauchbar sein. Der Sachverständige hatte auf die Einholung von Restwertangeboten verzichtet, da er davon ausgegangen war, aufgrund des Schadensbildes sei kein Restwert mehr zu erzielen.
Der Geschädigte musste die Sachverständigenkosten vorstrecken und den Versicherer auf Zahlung verklagen. Das war nicht nur konsequent, sondern auch von Erfolg gekrönt.
Vielleicht hatte der Versicherer ja übersehen, dass Geschädigte außer bei Bagatellschäden grundsätzlich einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen dürfen (BGH, Urt. v.12.03.2024, Az. VI ZR 280/22) und dass sie die damit verbundenen Kosten erstatten müssen, da die Kosten eines Schadensgutachtens – ebenso wie die der Reparatur eines unfallbeschädigten Fahrzeugs – zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und nach § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören.
Die Kosten müssen zwar nicht erstattet werden, wenn das Gutachten unbrauchbar ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn weder Umfang des Schadens noch der Beseitigungsaufwand objektiv dokumentiert werden. Hier gelten aber eher strenge Anforderungen. Ein Totalschadengutachten ohne Restwertangebote ist daher zwar mangelhaft. Ist es aber ansonsten in Ordnung, kann von einer Unbrauchbarkeit keine Rede sein (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 21.12.2016, Az. 11 U 54/15).
Ein weiterer Aspekt ist, dass die Grundsätze des Werkstattrisikos auch für die Erstellung von Gutachten gelten. Für die Erstattungspflicht gegenüber dem Geschädigten kommt es daher nicht darauf an, ob ein Gutachten inhaltlich richtig oder für die Anspruchsverfolgung brauchbar ist. Denn was für die Reparatur eines Fahrzeugs gilt, bei der sich ein Geschädigter Fehler der Werkstatt nicht zurechnen lassen muss, gilt auch für die Erstellung von Sachverständigengutachten.
Schließlich ist der Sachverständiger – ebenso wenig wie eine Werkstatt Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist (OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.05.2024, 3 U 13/23). Und wenn den Geschädigten kein zurechenbares Verschulden an dem Mangel trifft, kann er ihm auch nicht vorgeworfen werden.
Dass der Sachverständige den Restwert im vorliegenden Fall – unstreitig fehlerhaft – nicht ermittelt und der Geschädigte dies nicht gerügt hatte, stand der der Erstattungspflicht daher nicht entgegen. Außerdem hätte der Versicherer sich etwaige Mängelansprüche des Geschädigten zu Regresszwecken abtreten lassen können.
Der entscheidende Punkt war aber, dass der Geschädigte von sich aus drei Restwertangebote auf dem maßgeblichen allgemeinen regionalen Markt eingeholt hatte. Der Mangel der fehlenden Restwertangebote war damit ohne nennenswerten Mehraufwand für den Versicherer behoben und hierauf kam es an! Da es für den Versicherer unerheblich sein konnte, ob der Geschädigte oder der Sachverständige den Mangel beseitigt hatte, verurteilte das Gericht ihn dazu, die Kosten des Gutachtens zu erstatten.
Versicherer kürzen gerne, Sachverständige können Fehler machen und Gerichte sorgen dafür, dass Geschädigte zu ihrem Recht kommen. Da die Gerichte aber nicht von sich aus tätig werden, muss der Geschädigte, will er nicht billig abgespeist werden, seine Ansprüche substantiiert und anwaltlich vertreten geltend machen.
Wenn Sie einen Unfallschaden erlitten haben, wenden Sie sich an uns. Versuche des gegnerischen Versicherers, den Ihnen zustehenden Schadenersatz zu kürzen, wehren wir bereits im Ansatz ab.
Auch hier gilt: Voigt regelt!
Titelbild: Polizeiinspektion Lüneburg, Pressestelle