Das AG Stuttgart hatte nach Einspruch gegen einen wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort erlassenen Strafbefehl über die angemessenen Rechtsfolgen der Tat zu entscheiden.
Die Angeklagte hatte mit dem von ihr am Tattag geführten Fahrzeug in Stuttgart beim Rechtsabbiegen ein am rechten Fahrbahnrand geparktes Fahrzeug gestriffen und sich anschließend sofort von der Unfallstelle entfernt ohne an der Unfallstelle zu warten und Feststellungen zu ihrer Person und dem von ihr geführten Fahrzeug zu ermöglichen. Durch das Unfallereignis entstand am geparkten Fahrzeug, dessen hinterer Kotflügel zu Schaden kam, ein Sachschaden in Höhe von 1.469,04 Euro.
Die Angeklagte hatte den Unfall bemerkt und die Polizei nach Ankunft an ihrem Betriebssitz verständigt. Wegen der tatbestandlich verwirklichten Verkehrsunfallflucht
wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl erlassen gegen den die Angeklagte rechtzeitig Einspruch einlegte, wobei sie sich nicht gegen den erhobenen Tatvorwurf an sich zur Wehr setzte, sondern ihren Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch des erlassenen Strafbefehls beschränkte.
Wegen des erhobenen Einspruchs hatte das AG Stuttgart (AG) über die angemessenen Folgen der Tat zu entscheiden, insbesondere hatte es darüber zu entscheiden, ob neben einer Geldstrafe gleichzeitig auch als weitere Nebenfolge der verwirklichten Tat ein Führerscheinentzug anzuordnen ist. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist im Falle des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Regelfall eine Fahrerlaubnisentziehung anzuordnen, wenn der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremdem Sachen bedeutender Schaden entstanden ist. Das AG hatte daher im Rahmen der Urteilsfindung darüber zu entscheiden, ob der von der Angeklagten verursachte Sachschaden in Höhe von 1.469,04 Euro, als bedeutender Sachschaden i.S.d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu bewerten ist.
Das AG hat die Angeklagte unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen bei einer Tagessatzhöhe von 10,- Euro verurteilt. Zusätzlich hat es gegen die Angeklagte ein einmonatiges Fahrverbot verhängt, jedoch von einer vollständigen Entziehung des Führerscheins abgesehen.
Wegen der vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung sah es das AG als notwendig und angemessen an gegen die Angeklagte neben der Geldstrafe als weitere Nebenfolge der Tat ein einmonatiges Fahrverbot zu verhängen, um nachhaltig auf diese einzuwirken und ihr die Folgen ihres Verhaltens noch einmal als Warnung
vor Augen zu führen. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB für eine Fahrerlaubnisentziehung mit gleichzeitiger Verhängung einer Sperrfrist für die Neuerteilung des Führerscheins durch die zuständige Führerscheinstelle sah es nicht als erfüllt an. Das Gericht erwägt zunächst, dass vorliegend ein bedeutender Sachschaden
i.S.d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegen könnte, da der durch die Angeklagte verursachte Unfallschaden laut Kostenvoranschlag 1.469,04 Euro netto beträgt und die bisher seit 2002 in der Rechtsprechung vertretene Wertgrenze für die Annahme eines bedeutenden Schadens 1.300,- Euro betrrägt.
Im Verlauf seiner Entscheidung stellt es aber klar, dass die bisherige Wertgrenze aufgrund der zwischenzeitlich bekanntermaßen erfolgten Preisentwicklung dringend nach oben korrigiert werden muss. Im weiteren Verlauf seiner Entscheidung nimmt es als Vergleichsmaßstab Bezug auf den jährlich vom statistischen Bundesamt berechneten und veröffentlichten Verbraucherpreisindex und errechnet anhand der statistischen Zahlen aus der 2002 festgesetzten Wertgrenze von 1.300,- Euro für den relevanten Vergleichszeitraum einen hochgerechneten aktuellen Betrag in Höhe von 1.596,- Euro, den es letztlich im Wege der Aufrundung auf 1.600,- € als neu zu beachtende Wertgrenze festsetzt. Vor dem Hintergrund, dass in dem zu entscheidenden Fall lediglich ein Schaden von 1.469,04 € durch die Angeklagte verursacht worden war verneinte das AG im Ergebnis folgerichtig den Eintritt eines bedeutenden Sachschadens und daher auch die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis.
Aktuell steht der Tatbestand des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort in der Diskussion. Wir hatten bereits darüber berichtet, dass der Arbeitskreis III des diesjährigen Verkehrsgerichtstags dringenden Reformbedarf sieht und dem Gesetzgeber Änderungen empfohlen hat. Die konkreten Empfehlungen können unserem Beitrag vom 26.01.2018 entnommen werden. Für allgemeine Ausführungen zum Tatbestand der Verkehrsunfallflucht
verweisen wir auf unseren Beitrag vom 16.02.2018. Wie das vorstehende Urteil zeigt sehen auch Gerichte mittlerweile Handlungsbedarf. Wer aktuell dem Tatvorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ausgesetzt ist, sollte sich nicht zuletzt wegen einer drohenden Entziehung der Fahrerlaubnis umfassend anwaltlich beraten lassen. Wie das dargestellte Urteil des AG zeigt ist die in der Vergangenheit in der Rechtsprechung herangezogene Wertgrenze für die Annahme eines bedeutenden Sachschadens
völlig veraltet und bedarf einer Anpassung. Dieser Umstand bietet nicht zu unterschätzendes Verteidigungspotential.
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