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Fußgänger aufgepasst! Der Verlust des Schadenersatzanspruchs droht!

OLG Hamm, Beschluss vom 19.08.2024, Az. 7 U 58/23

Keine Haftung aus Betriebsgefahr!

Weihnachtsmärkte, Wintermärkte und andere Festivitäten haben gemeinsam, dass sie nicht nur auf abgegrenzten Arealen stattfinden. Insbesondere wenn sie direkt an Straßen angrenzen, ist es - insbesondere in den Abendstunden - fast schon normal, dass Fußgänger unachtsam die Straße überqueren. Meistens geht das glimpflich aus. Kommt es jedoch zu einem Unfall mit einem Auto, stellt sich auch immer wieder die Frage nach der Haftung des Fahrzeugführers und einem etwaigen Mitverschulden des Fußgängers.
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17.12.2024
ca. 3 Minuten
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Fußgänger können ihren Schadenersatzanspruch verlieren!

Wer glaubt, dass die Betriebsgefahr eines Autos automatisch zur Haftung des Autofahrers führt und Fußgänger daher automatisch „freie Bahn“ haben, der irrt.

Für Kinder und Erwachsene gelten unterschiedliche Maßstäbe!

Denn erstens lässt sich die Frage nach einem möglichen Mitverschulden nicht nach “Schema F” beantworten und zweitens kann es einen entscheidenden Unterschied machen, ob es sich bei der verletzten Person um einen Erwachsenen oder ein Kind handelt.

Überquert beispielsweise ein zehn Jahre und zwei Monate altes Kind eine Straße in vollem Lauf, zwischen im Rückstau stehenden Autos und wird es dabei von einem Pkw im Gegenverkehr erfasst, spielt die Frage, ob es an der nach § 828 Abs. 3 BGB erforderlichen Einsicht fehlte, eine entscheidende Rolle (OLG Hamm, Urt. v. 25.06.2024, Az. 7 U 142/23).

Ganz anders kann es dagegen bei Erwachsenen sein, sofern es sich nicht um eine Person handelt, die aufgrund äußerer Anzeichen erkennbar alkoholisiert und damit durchaus als hilfsbedürftig im Sinne des § 3 Abs. 2a StVO anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1999, Az. VI ZR 20/99).

Alkohol kann zum Verlust des Schadenersatzanspruchs führen!

Diese Erfahrung musste auch ein Fußgänger machen, der entgegen § 25 Abs. 3 StVO eine Fahrbahn überqueren wollte, ohne auf leicht und uneingeschränkt erkennbare herannahende Fahrzeuge zu achten, und dabei von einem Pkw erfasst und schwer verletzt wurde.

Anders als in der erstgenannten Entscheidung, die einen Minderjährigen betraf, kam das OLG Hamm hier über § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB zu einem vollständigen Entfall des Schadenersatzanspruchs des Fußgängers aus § 7 StVG!

Hilfsbedürftigkeit muss erkennbar sein!

Ausschlaggebend war, dass das Gericht die Geschwindigkeit des Pkw zum Unfallzeitpunkt (45 km/h) unter Berücksichtigung der Straßen-, Witterungs- und Sichtverhältnisse als angemessen erschien und nicht nachgewiesen werden konnte, dass die alkoholbedingte Hilfsbedürftigkeit des Fußgängers erkennbar gewesen wäre.

Zudem sei der Fußgänger nur schwer zu erkennen gewesen, wie es z.B. bei einem plötzlichen Auftauchen zwischen an eine Straße angrenzenden Verkaufsbuden typisch ist. Aber auch die “Art der Fortbewegung” spielte eine entscheidende Rolle. Denn auch alkoholisierte Personen können durchaus einen flüssigen Gang haben, sodass es an einem erkennbaren Grund für die nach § 3 Abs. 2a StVO gebotene äußerste Sorgfalt des Fahrzeugführers fehlen kann. Daran ändert auch ein erkennbarer Schatten nichts, wenn dieser weder eine Person noch einen ungewöhnlichen Gang hätte erkennen lassen.

Denn auch ein für Autofahrer wahrnehmbarer Schatten führt nicht zwingend zu einem schuldhaften Verstoß gegen § 3 Abs. 2a StVO. Abhängig davon, ob derjenige, der den Schatten wahrnimmt, auch eine hilfsbedürftige Person erkannt hat oder hätte erkennen müssen, kann dies so weit gehen, dass selbst eine unterlassene Vollbremsung nicht zu einem schuldhaften Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO führt.

So greift die Vorschrift beispielsweise dann nicht, wenn der schwankende Gang eines Fußgängers, der zu einer kritischen Verkehrssituation und damit zu einer Reaktionsaufforderung führen kann, erst wahrgenommen wird, nachdem der Fußgänger die Fahrbahn bereits betreten hat und es für eine unfallvermeidende Vollbremsung ohnehin zu spät gewesen wäre.

In dem zu entscheidenden Sachverhalt ging das Gericht daher von einem weit überwiegenden Verschulden des Fußgängers aus. Dieses sah es als derart gravierend an, dass der aus § 7 Abs. 1 StVG abzuleitende eigene Haftungsanteil der Beklagten vollständig zurücktrat, zumal ein gefahrerhöhender Fahrfehler der Beklagten nicht festgestellt werden konnte. (vgl. BGH Urt. v. 07.02.2006, Az. VI ZR 20/05; v. 04.11.2008, Az. VI ZR 171/07; v. 28.04.2015, Az. VI ZR 206/14).

Anders verhielt es sich beim Fußgänger. Indem er die Fahrbahn einer hinreichend übersichtlichen Straße mit nicht unerheblichem Verkehrsaufkommen rücksichtslos überquerte bzw. überqueren wollte, hatte er einen objektiv schwerwiegenden Verkehrsverstoß begangen, der zum Verlust seiner Ansprüche führte.

Fazit

Wer eine Straße überqueren will, sollte nicht einfach loslaufen, sondern die Situation vorher prüfen!  Die ausreichende Beobachtung des Straßenverkehrs vor dem Überqueren der Fahrbahn gehört zu den elementarsten Verhaltenspflichten eines Fußgängers (vgl. OLG Hamm Urt. v. 16.11.2007, Az. 9 U 92/07).

Sollte es dennoch zu einem Unfall gekommen sein, wissen wir, wie Geschädigte zu ihrem Recht kommen. Kontaktieren sie uns!

Voigt regelt!

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