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Zur weit entfernt und zu teuer!

AG Berlin-Mitte Az. 104 C 127/23 v. 13.02.2024; Az. 117 C 162/23 v. 01.02.2024

Bei Rechnungskürzungen und Beanstandungen sind Versicherer schnell bei der Sache. Das Problem ist nur, die Prüfungen erfolgen in der Regel nicht individuell, sondern maschinell und computergestützt, nach vorgegebenen Schemata. Da computergestützte Vorgänge aber nur so gut sein können, wie das vorhandene Datenmaterial, sind Prüfberichte eben oftmals falsch.
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02.04.2024
ca. 6 Minuten
Unzumutbare Entfernung einer Verweiswerkstatt!

Bei Rechnungskürzungen und Beanstandungen sind Versicherer schnell bei der Sache. Das Problem ist nur, die Prüfungen erfolgen in der Regel nicht individuell, sondern maschinell und computergestützt, nach vorgegebenen Schemata. Da computergestützte Vorgänge aber nur so gut sein können, wie das vorhandene Datenmaterial, sind Prüfberichte eben oftmals falsch. Dies betrifft Verrechnungssätze ebenso, wie für die Entfernung zu Verweiswerkstätten. Selbst Verweise auf nicht (mehr) existente Werkstätten sind möglich (AG Coburg, Urt. v. 16.02.2022, Az. 12 C 1956/21).

Die Urteile des AG Berlin-Mitte Az. 104 C 127/23 v. 13.02.2024; Az. 117 C 162/23 v. 01.02.2024 sind daher keine Überraschung.  

Welche Grundsätze gelten bei der Regulierung?

Grundsätzlich haben Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen. Ob das Fahrzeug tatsächlich vollständig, minderwertig oder überhaupt nicht repariert wird, d.h. der Geschädigte fiktiv abrechnet, spielt keine Rolle.

Allerdings verpflichtet das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 II 1 BGB Geschädigte dazu, – im Rahmen ihrer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten –  die Wirtschaftlichkeit der Schadensbehebung zu beachten. Bei der fiktiven Abrechnung genügt hier in der Regel ein Sachverständigengutachten. Als Folge der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) kann ein Geschädigter indes gehalten sein, die Abrechnung auf die Kosten einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen günstigeren und gleichwertigen Reparaturmöglichkeit zu beschränken (s.a. Fiktive Abrechnung).

Wann ist eine Werkstatt mühelos erreichbar?

Höchstrichterliche Kriterien zu der Frage, in welchen Fällen eine „freie Fachwerkstatt“ mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist, damit eine Verweisung im Sinne der Rechtsprechung des BGH zumutbar ist (z.B. OLG München, Urt. v. 21.09.2022, Az. 10 U5397/21e), fehlen.

Der – auch vom OLG München zugrunde gelegten – Faustformel nach, soll die mühelose Erreichbarkeit gegeben sein, „wenn die Referenzwerkstatt auf öffentlich zugänglichen Straßen nicht mehr als 20 km vom Wohnort des Geschädigten entfernt ist. Dabei kommt es nicht auf die Luftlinie an; auch ist irrelevant, ob sich die benannte Werkstatt im Gemeindegebiet des Wohnorts des Geschädigten.“ Unverrückbar fest steht die 20 km-Grenze aber nicht.

Ist die 20 km Grenze bindend?

Das Amtsgericht Berlin hat die betroffenen Versicherer gleich zwei Mal in ihre Schranken gewiesen. In der Sache 117 C 162/23 ging es neben den Verrechnungssätzen auch um die Entfernung der im Prüfbericht genannten Referenzwerkstätten. Von diesen war eine mit 15 km deutlich geringer als 20 km, eine andere deutlich weiter vom Wohnort des Geschädigten entfernt. Die nächstgelegene markengebundene Fachwerkstatt war mit nur 9 km deutlich näher.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 23.02.2010, Az. VI ZR 91/09 stellte das AG Tiergarten klar, der BGH habe die Entfernung von 20 km nur deshalb unbeanstandet gelassen, da nicht aufgezeigt worden sei, „dass sich eine markengebundene Fachwerkstatt in einer deutlich geringeren Entfernung zu seinem Wohnort befindet.“ In dem zu entscheidenden Sachverhalt war genau das aber geschehen. Die Inanspruchnahme der 15 km entfernten Referenzwerkstatt erachtete das Gericht daher als unzumutbar für den Geschädigten.

In der Sache 104 C 127/23 lag die Verweiswerkstatt mit 23,2 km per se außerhalb der maximal zumutbaren Entfernung.

Hinzu kam, dass sich das Fahrzeug des Geschädigten unfallbedingt weder einem verkehrssicheren Zustand befunden noch der Versicherer einen Hol- und Bringservice angeboten hatte. Bezugnehmend auf das Urteil des BGH vom 28.04.2015, Az. VI ZR 267/14 wies das Gericht darauf hin, aufgrund des vorgelegten Gutachtens sei „sowohl von dem Bestehen entsprechender Reparaturmöglichkeiten in der Berliner Umgebung“ auszugehen und auf eine weitere, markengebundene  Fachwerkstatt in der näheren Umgebung innerhalb der Stadt hinzuweisen.

Fazit

Beide Urteile belegen, dass Prüfberichte und Verweisungen des schädigerseitigen Versicherers nicht anstandslos hinzunehmen, sondern zu hinterfragen und ggf. anzufechten sind. Gründe dafür gibt es genug.

Sollten sie nach einem Schaden mit einem Prüfbericht und Kürzungsbegehren des entschädigungspflichtigen Versicherers konfrontiert werden, kontaktieren Sie uns!

Voigt regelt!

Was gilt bei Spezialkonditionen?

Angesichts des zitierten BGH-Urteils könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass den Preisen der Verweiswerkstatt nicht „ihre (markt-)üblichen, das heißt allen Kunden zugänglichen Preise, sondern solche zugrunde, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde“ gelegen haben (VGL BGH, Urt. 22. 06.2010, Az. VI ZR 337/09)

Bei Rechnungskürzungen und Beanstandungen sind Versicherer schnell bei der Sache. Das Problem ist nur, die Prüfungen erfolgen in der Regel nicht individuell, sondern maschinell und computergestützt, nach vorgegebenen Schemata. Da computergestützte Vorgänge aber nur so gut sein können, wie das vorhandene Datenmaterial, sind Prüfberichte eben oftmals falsch. Dies betrifft Verrechnungssätze ebenso, wie für die Entfernung zu Verweiswerkstätten. Selbst Verweise auf nicht (mehr) existente Werkstätten sind möglich (AG Coburg, Urt. v. 16.02.2022, Az. 12 C 1956/21).

Die Urteile des AG Berlin-Mitte Az. 104 C 127/23 v.13.02.2024; Az. 117 C 162/23 v. 01.02.2024 sind daher keine Überraschung.  

Was gilt grundsätzlich?

Grundsätzlich haben Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen. Ob das Fahrzeug tatsächlich vollständig, minderwertig oder überhaupt nicht repariert wird, d.h. der Geschädigte fiktiv abrechnet, spielt keine Rolle.

Allerdings verpflichtet das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 II 1 BGB Geschädigte dazu, – im Rahmen ihrer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten –  die Wirtschaftlichkeit der Schadensbehebung zu beachten. Bei der fiktiven Abrechnung genügt hier in der Regel ein Sachverständigengutachten. Als Folge der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) kann ein Geschädigter indes gehalten sein, die Abrechnung auf die Kosten einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen günstigeren und gleichwertigen Reparaturmöglichkeit zu beschränken (s.a. Fiktive Abrechnung).

Wann ist eine Werkstatt mühelos erreichbar?

Höchstrichterliche Kriterien zu der Frage, in welchen Fällen eine „freie Fachwerkstatt“ mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist, damit eine Verweisung im Sinne der Rechtsprechung des BGH zumutbar ist (z.B. OLG München, Urt. v. 21.09.2022, Az. 10 U5397/21e), fehlen.

Der – auch vom OLG München zugrunde gelegten – Faustformel nach, soll die mühelose Erreichbarkeit gegeben sein, „wenn die Referenzwerkstatt auf öffentlich zugänglichen Straßen nicht mehr als 20 km vom Wohnort des Geschädigten entfernt ist. Dabei kommt es nicht auf die Luftlinie an; auch ist irrelevant, ob sich die benannte Werkstatt im Gemeindegebiet des Wohnorts des Geschädigten.“ Unverrückbar fest steht die 20 km-Grenze aber nicht.

Die 20 km Grenze ist nicht bindend!

Das Amtsgericht Berlin hat die betroffenen Versicherer gleich zwei Mal in ihre Schranken gewiesen. In der Sache 117 C 162/23 ging es neben den Verrechnungssätzen auch um die Entfernung der im Prüfbericht genannten Referenzwerkstätten. Von diesen war eine mit 15 km deutlich geringer als 20 km, eine andere deutlich weiter vom Wohnort des Geschädigten entfernt. Die nächstgelegene markengebundene Fachwerkstatt war mit nur 9 km deutlich näher.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 23.02.2010, Az. VI ZR 91/09 stellte das AG Tiergarten klar, der BGH habe die Entfernung von 20 km nur deshalb unbeanstandet gelassen, da nicht aufgezeigt worden sei, „dass sich eine markengebundene Fachwerkstatt in einer deutlich geringeren Entfernung zu seinem Wohnort befindet.“ In dem zu entscheidenden Sachverhalt war genau das aber geschehen. Die Inanspruchnahme der 15 km entfernten Referenzwerkstatt erachtete das Gericht daher als unzumutbar für den Geschädigten.

In der Sache 104 C 127/23 lag die Verweiswerkstatt mit 23,2 km per se außerhalb der maximal zumutbaren Entfernung.

Hinzu kam, dass sich das Fahrzeug des Geschädigten unfallbedingt weder einem verkehrssicheren Zustand befunden noch der Versicherer einen Hol- und Bringservice angeboten hatte. Bezugnehmend auf das Urteil des BGH vom 28.04.2015, Az. VI ZR 267/14 wies das Gericht darauf hin, aufgrund des vorgelegten Gutachtens sei „sowohl von dem Bestehen entsprechender Reparaturmöglichkeiten in der Berliner Umgebung“ auszugehen und auf eine weitere, markengebundene  Fachwerkstatt in der näheren Umgebung innerhalb der Stadt hinzuweisen.

Fazit

Beide Urteile belegen, dass Prüfberichte und Verweisungen des schädigerseitigen Versicherers nicht anstandslos hinzunehmen, sondern zu hinterfragen und ggf. anzufechten sind. Gründe dafür gibt es genug.

Sollten sie nach einem Schaden mit einem Prüfbericht und Kürzungsbegehren des entschädigungspflichtigen Versicherers konfrontiert werden, kontaktieren Sie uns!

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