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Restwertregress gescheitert! Gutachter siegt vor Gericht!

Amtsgericht Neukölln, Urteil vom 17.04.2025, Az. 14 C 385/24

In letzter Zeit haben die Regressforderungen von Versicherern gegenüber Sachverständigen und Werkstätten erheblich zugenommen. Wie bei Regressversuchen gegenüber Geschädigten gilt jedoch auch hier: Erfolg hat der Versicherer nur dann, wenn er eine Pflichtverletzung nachweisen kann. Daran hapert es aber oft.
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26.06.2025
ca. 3 Minuten
Richterhammer vor Büchern im Gerichtssaal

Der BGH gibt die Linie für die Restwertermittlung vor

Für Regresse wegen angeblich falsch ermittelter Restwerte sind die Grundsätze des BGH-Urteils vom 01.06.2010 (Az. VI ZR 316/09) bis heute entscheidend. Danach genügt ein privater Geschädigter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn er sich in den durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen bewegt und sein beschädigtes Kraftfahrzeug zu dem Preis veräußert, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat, sodass eine korrekte Wertermittlung erkennbar ist. Angebote aus Internetbörsen oder von weit entfernten Aufkäufern müssen weder der Sachverständige noch der Geschädigte im Regelfall berücksichtigen. Ein Geschädigter muss auch nicht abwarten, bis der Versicherer seinerseits ein Angebot vorlegt.

Versicherer ignorieren die Rechtsprechung!

Allerdings ignorieren Versicherer diese Rechtsprechung geflissentlich, wenn sie den regionalen Markt außer Acht lassen und ausländische Gebote sowie den Export unfallbeschädigter Fahrzeuge ins Ausland bevorzugen.

Im vorliegenden Sachverhalt stammte das höhere Gebot zwar nicht aus dem Ausland, sondern von einem in Deutschland, jedoch weit entfernt ansässigen, überregionalen Aufkäufer.

Da der Sachverständige seinem Gutachten die Werte des regionalen Marktes zugrunde gelegt hatte, veräußerte der Geschädigte sein Fahrzeug – konform mit den Grundsätzen des BGH-Urteils – zu dem vom Sachverständigen ermittelten Wert des regionalen Marktes.

Hatte der Gutachter seine Schutzpflicht verletzt?

Der Versicherer warf dem Sachverständigen vor, er habe es unterlassen, den ermittelten Restwert auf Plausibilität zu überprüfen. Damit habe er seine Schutzpflichten aus dem Werkvertrag verletzt. Dabei verwies der Versicherer auf ein Urteil des BGH vom 14.11.2020 (Az. X ZR 203/98). Demzufolge ist der Schutzbereich eines Schadensgutachtens nicht auf den Auftraggeber beschränkt, sondern bezieht auch diejenigen mit ein, deren Vermögen durch die Disposition des Geschädigten betroffen ist.

Der Versicherer war daher der Meinung, der Sachverständige sei verpflichtet, ihm die Differenz zwischen dem von der Geschädigten gewählten Verkaufspreis und dem Angebot des überregionalen Bieters zu ersetzen.

Das Gericht bescheinigte dem Gutachter ein korrektes Vorgehen!

Eine Pflichtverletzung konnte das Gericht dagegen nicht erkennen.

Wie sonst auch hatte der Gutachter neben dem Gebot sowohl den Namen des Bieters als auch dessen Telefonnummer angegeben. Dieses Prozedere war dem Versicherer bekannt.

Um eine Pflichtverletzung nachweisen zu können, hätte der Versicherer beispielsweise Anhaltspunkte für eine fehlende Seriosität der vom Sachverständigen kontaktierten Aufkäufer nennen müssen. Dies ist jedoch unterblieben. Allein aus einer Differenz zwischen den von den Sachverständigen eingeholten Geboten und denen des Versicherers lässt sich keine Pflichtverletzung ableiten.

Wann sind Aufkäufer seriös?

Ungeachtet dessen sei darauf hingewiesen, dass der BGH in einem Urteil vom 27.09.2016 (Az. VI ZR 673/15) deutlich darauf hingewiesen hat, dass bei den Vermarktungsmöglichkeiten über das Internet „häufig nicht ausschließbar unseriöse Händler und Aufkäufer“ vertreten sind. Ob dies einer der Gründe dafür war, weshalb das AG Zossen mit seinem Urteil vom 29.04.2019 (Az. 5 C 175/18) ausländische Restwertgebote für bedeutungslos erklärte, ist nicht bekannt. Bekannt ist jedoch, dass es bei Konflikten „dem Geschädigten nicht zumutbar ist, sich im Rahmen der Restitution in eine fremde Rechtsordnung zu begeben oder sich der Gefahr auszusetzen, in dieser fremden Rechtsordnung in Anspruch genommen zu werden“ (vgl. AG Bergisch Gladbach, Urteil vom 29.03.2023, Az. 61 C 183/22). In eine ähnliche Richtung argumentierte das Amtsgericht Köln, als es ein Restwertangebot aus Bulgarien als unzumutbar für den Geschädigten einstufte (Az. 269 C 20/22 vom 15.07.2022). Die Unseriosität ist daher so eine Sache.

Zu spät vorgelegte Restwertgebote sind irrelevant!

In dem entschiedenen Sachverhalt kam jedoch ein weiterer Aspekt hinzu: Das vom Versicherer eingeholte Gebot ging erst ein, nachdem das Gutachten bereits erstellt und eingereicht worden war. Laut einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.01.2024 (Az. 302 S 63/16) darf ein Geschädigter den Restwert auch schon vor Übermittlung des Schadensgutachtens an die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung realisieren. Er ist nicht verpflichtet, den Verkauf des Fahrzeugs zurückzustellen und abzuwarten, ob die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung ein höheres Kaufangebot übermittelt (Keine Wartepflicht vor Verkauf des Restwerte). Da der Sachverständige den Restwert korrekt ermittelt hatte und das Gutachten auch sonst nicht zu beanstanden war, hatte der Versicherer keine Chance.

Fazit

Grundvoraussetzung eines erfolgreichen Regresses ist, dass demjenigen, der in Regress genommen werden soll, eine Pflichtverletzung nachgewiesen werden kann. Dies erfordert jedoch weit mehr als nur die Behauptung nicht erforderlicher Schritte in Prüfberichten oder die Unterlassung von Maßnahmen, die der Rechtsprechung zufolge nicht geschuldet sind.

Sollte ein Versicherer bei Ihnen einen Regressversuch starten, kontaktieren Sie uns!

Voigt regelt!

Bildnachweis: TUREK90 / Pixabay

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