Gemäß § 83 VVG hat ein Versicherer Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1 und 2 VVG, auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte.
In der Praxis ist der Aufwendungsersatz immer wieder bei den Rettungskosten von Bedeutung, wenn der Führer eines Fahrzeugs einem Wildtier ausweicht, um einen unmittelbar bevorstehenden Zusammenstoß zu vermeiden und es in diesem Zusammenhang zu einem Schaden am Fahrzeug kommt. Der Rechtsprechung zufolge, ist Aufwendungsersatz nach § 90 VVG i.V.m. § 83 Abs. 1 VVG auch dann zu leisten, wenn das schadenstiftende Ausweichmanöver nicht auf einem planmäßigen Entschluss, sondern auf einer Reflexhandlung beruht (OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2020, Az. 20 U 128/20).
Wörtlich heißt es dazu in dem Urteil: „Angesichts der Masse eines PKW und der erheblichen Risiken bei einem Abkommen von der Straße kann sich ein Ausweichmanöver bei einem drohenden Zusammenstoß zwar dann als grob fahrlässig darstellen, wenn es sich um ein Kleintier handelt (BGH, Urteil vom 18.12.1996 – IV ZR 321/95, VersR 1997, 351, juris Rn. 12). Etwas anderes gilt jedoch bei einem größeren Wildtier (vgl. z.B. OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.2011 – 5 U 356/10, VersR 2012, 55). Auch bei vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten drohen dann schwerwiegende Schäden am Fahrzeug, ganz abgesehen von den möglichen Verletzungen des Fahrers. Es kommt hinzu, dass das Verschulden bei einem Fehlverhalten in einer plötzlichen, überraschenden und erschreckenden Situation weniger schwer wiegen kann (Prölss/Martin-Klimke, VVG, 30. Aufl. 2018, A.2.2.1 AKB 2015 Rn. 72). Selbst wenn man also annähme, dass die Zeugin bei dem Ausweichversuch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ, würde das doch keinesfalls den Grad einer groben Fahrlässigkeit erreichen.“
Die falsche Reaktion eines Verkehrsteilnehmers stellt dann keinen vorwerfbaren Obliegenheitsverstoß dar, „wenn dieser in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlichem Erschrecken objektiv falsch reagiert“ (BGH, Urt. v. 23.04.202, Az. III ZR 250/17; v. 05.10.2010, Az. VI ZR 286/09).