Bei einem Kettenauffahrunfall kollidieren mehrere Fahrzeuge in Reihe miteinander. Oftmals kommt es dann zum Streit darüber, ob ein Fahrzeug durch den letzten Auffahrenden auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgeschoben wurde. Dem OLG Celle zufolge (Urt. v. 16.12.2020, Az. 14 U 87/20), kann auch im Falle eines Kettenauffahrunfalls nach den Umständen des Einzelfalls ein Anscheinsbeweis gegen den ersten Auffahrenden sprechen.
Dem Gericht zufolge, „kann der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis zwar dann erschüttert werden, wenn der Vorausfahrende unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhalteweges „ruckartig“ – etwa infolge einer Kollision – zum Stehen gekommen und der Nachfolgende deshalb aufgefahren ist (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.1986, Az. VI ZR 138/85).“
Daran fehlt es, wenn das vorausfahrende Fahrzeug durch eine Vollbremsung oder Notbremsung zum Stillstand kommt. Kraftfahrer müssen plötzliches scharfes Bremsen des Vorausfahrenden grundsätzlich einkalkulieren und bei der Einhaltung des Sicherheitsabstands berücksichtigen. Verstöße gegen § 4 Abs. 1 StVO sind daher bei der Abwägung der jeweiligen Verursachungsanteile gegenüber jedem Mitverursacher zu berücksichtigen. (vgl. BGH, Urt. v. 16.01.2007 – VI ZR 248/05). Den Auffahrenden trifft daher regelmäßig – auch bei unverhofft starkem Bremsen des Vorausfahrenden ohne zwingenden Grund – eine überwiegende Haftung.