Wer eine Gefahrenlage schafft, ist dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden zu vermeiden.
Die Anforderungen für die Im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfüllt, wer den Sicherheitsgrad gewährleistet, den die herrschende Verkehrsauffassung in dem entsprechenden Bereich für erforderlich hält. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die betreffende Person diejenigen Sicherheitsvorkehrungen trifft, „die ein verständiger, umsichtiger und gewissenhafter angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zuzumuten sind“ (BGH, Urt. v. 02.10.2012, Az. VI ZR 311/11, m.w.N.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.02.2021, Az. 4 U 8/20).
Die Anwendung äußerster Sorgfalt kann insbesondere in bestimmten Verkehrssituationen erforderlich sein. So muss – wer zum Überholen ausscheren und den Fahrstreifen wechseln will – sich gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1, § 7 Abs. 5 Satz 1 StVO so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Sowohl das Ausscheren als auch der Fahrstreifenwechsel sind daher mit äußerster Sorgfalt vorzubereiten (Blick in den Spiegel, Blinker setzen, Schulterblick) und durchzuführen (vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 21.12.2020, Az. 1 U 108/19). Das OLG Saarbrücken hat die Anforderungen, die an einen überholenden Kraftfahrer zu stellen sind, in einem Urteil vom v. 23.12.2003 (Az. 3 U 212/03 -19) formuliert, wie folgt:
„a) Auch ein Kraftfahrer, der nach links ausschert, um zu überprüfen, ob die Gegenfahrbahn frei ist und er einen Überholvorgang einleiten kann, muss äußerste Sorgfalt anwenden, um die jedwede Gefährdung des Gegenverkehrs auszuschließen.
b) Der Ausscherende muss dabei den Fahrvorgang so gestalten, dass er sein Fahrzeug jederzeit sicher beherrscht. Ist die Bremsanlage des Fahrzeugtyps typbedingt nicht für ein plötzliches Abbremsen und Wiedereinscheren in die eigene Fahrspur geeignet, so hat er den Ausschervorgang so zu gestalten, dass es gar nicht erst zu einem solchen Fahrmanöver mit der Folge des Überbremsens der Räder kommen kann.
c) Der Fahrer muss sich mit den entsprechenden Fahreigenschaften seines Fahrzeuges vertraut machen und notfalls von riskanten Überholmanövern absehen.“
Besondere Sorgfaltsanforderungen gelten auch beim Wenden (AG Solingen, Urt. v. 19.02.2021, Az. 11 C 354/19).