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Abschleppkosten

Informationen
20.11.2024

Die Abschleppkosten eines nicht mehr fahrbereiten oder nicht mehr verkehrssicheren Fahrzeugs nach einem Unfall sind Teil des ersatzfähigen Schadens (z.B. BGH, Urt. v. 12.01.1982, Az. VI ZR 265/80; LG Stuttgart, Urt. v. 30.11.2017, Az. 5 S 293/16). Sie sind dem nach § 249 Abs. 2 S 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand zuzurechnen, der „vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlichen denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint“ (OLG Bamberg, Urt. v. 26.08.2020, Az. 5 U118/20), keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass den Geschädigten ein Verschulden bei der Auswahl des Abschleppunternehmens oder der Plausibiltätskontrolle der Rechnung treffen könnte (LG Gießen, Urt. v. 14.08.2020, Az. 3 O 479/19).

 In welchem Umfang sind Abschleppkosten zu erstatten?

Nach § 249 Abs. 2 BGB kann ein Geschädigter den Geldbetrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeuges erforderlich ist. “Für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes können auch dann die „tatsächlichen“ Abschlepp(neben)kosten herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Bergung sonst üblich ist – unangemessen sind” (AG Tettnang, Urt. v. 17.01.2022, Az. 8 C 379/22; AG München, Urt. v. 13.10.2021, Az. 344 C 6507/21; AG Osterode, Urt. v. 20.07.2021, Az. 2 C 5/21).

Für das AG Leonberg, Urt. v. 15.02.2023, Az. 8 C 459/22) hat der Abschleppunternehmer – bei Fehlen einer Preisvereinbarung – Anspruch auf die gemäß § 632 Abs. 2 BGB übliche Vergütung. Die ortsübliche Vergütung ist dabei vom Gericht zu schätzen (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 07.12.2017, Az. 5 S 293/13 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 28.02.2017, Az. VI ZR 76/16)

Vergleichbar den für das Werkstattrisiko entwickelten Grundsätzen, sind die „Abschleppkosten grundsätzlich in vollem Umfang zu erstatten, es sei denn, dass eine Überhöhung für den Laien erkennbar war oder ihn ein Auswahlverschulden trifft“ (z.B. AG Oberkirch, Urt. v. 23.02.2021, Az. 1 C 100/20; AG Nürnberg, Urt. v. 09.11.2017, Az. 37 C 3441/17; AG Neu-Ulm, Urt. v. 12.08.2014, Az. 7 C 676/14 ) oder er erkennen kann, dass „die geforderten Abschleppkosten geradezu willkürlich festgesetzt sind, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen“ (AG Tettnang, Urt. v. 09.10.2020, Az. 8 C 335/20). Irrelevant ist, ob der Geschädigte selbst oder die Polizei das Abschleppunternehmen beauftragt hat. Erfolgt die Auswahl und Beauftragung des Abschleppunternehmens durch die Polizei, wird diese lediglich als Erklärungsbote des Geschädigten tätig. Der Geschädigte darf in einem solchen Fall aber davon ausgehen, dass die Polizei kein Unternehmen auswählt, dass eine andere als die ortsübliche Vergütung verlangt (z.B. AG Sonthofen, Urt. v. 06.08.2024, Az. 3 C 96/24; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 03.01.2023, Az. 12 C 1508/22).

Von einem Geschädigten, der  unfallbedingt stationär in ein Klinikum eingeliefert wird, kann weder erwartet noch verlangt werden, dass er Einfluss auf die Höhe der Abschleppkosten nimmt oder nehmen kann (AG Tettnang, Urt. v. 17.11.2022, Az. 8 C 379/22).

Müssen Geschädigte Marktforschung betreiben?

Zur Marktforschung am Unfallort ist ein Geschädigter ebenso wenig verpflichtet (AG Schwandorf, Urt. v. 02.06.2016, Az. 1 C 7/16), wie zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der Abschleppkosten. Für das Hakenrisiko gelten hier die gleichen Grundsätze wie für das Werkstattrisiko und das „In-die-Hände-geben-von-Fachleuten.“ Dies gilt erst recht, wenn “der Abschleppbetrieb ausweislich der Rechnung bzw. dem Prüfbericht durch den „GDV“ bzw. „GDV-Baden-Württemberg“, also ein Unternehmen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft, vermittelt wurde, bei dem unterstellt werden kann, dass es Abschleppdienste im Interesse der Versicherungen zu jedenfalls marktüblichen Preisen vermittelt” (LG Karlsruhe, Urt. v. 30.05.2022, Az. 10 O 243/19).

Diesem Ansatz war auch das AG Oberkirch gefolgt  als es feststellte, „dass bei der Prüfung, ob der Geschädigte sich in diesem Rahmen gehalten hat, Rücksicht auf seine spezielle Situation, also insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist“  (Urt. v. 23.02.2021, Az. 1 C 100/20). Weiter heißt es in dem Urteil, dessen Grundsätze durchweg auf dünn besiedelte Gebiete übertragen werden können: „Vorliegend trifft den Kläger hinsichtlich der Wahl des Abschleppdienstes kein Auswahlverschulden, da es in der konkreten Situation nicht zumutbar ist, von der touristisch attraktiven aber ansonsten im Wesentlichen ohne jegliche Infrastruktur geprägten Schwarzwaldhochstraße unmittelbar nach dem Unfall am Neujahrsnachmittag mehrere Abschleppunternehmen durchzutelefonieren und einen Preisvergleich anzustellen. Hier konnte und durfte sich der Kläger auf die in solchen Beauftragungen erfahrene Polizei verlassen.“ 

Abschleppkosten sind daher – im Umfang der generellen Haftung – vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer zu ersetzen. Die Höhe betreffend, gelten für das Hakenrisiko die gleichen Grundsätze wie für das Werkstattrisiko (AG München, Urt. v. 13.10.2021, Az. 344 C 6507/21). Dem Gericht zufolge, darf  „gerade im Fall der Reparatur – und Bergung – von Kraftfahrzeugen … nicht außer acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind.“

Der Abschlepp-LKW muss nicht “maßgeschneidert sein!

Wird ein Abschleppunternehmen beauftragt, kann nicht erwartet werden, dass der Auftrag mit einem “maßgeschneiderten” Fahrzeug ausgeführt wird. So kann z.B. nach Auffassung des AG Schwandorf von einem Abschleppunternehmen nicht erwartet werden, dass es mehrere Abschleppfahrzeuge jeder Größe und Bauart vorhält, um für die in der Regel eilbedürftigen Abschleppvorgänge stets ein geeignetes Abschleppfahrzeug zur Verfügung zu haben (Urt. v. 29.08.2024, Az. 2 C 88/24).

Welchen Wert haben Prüfberichte?

Zur Wertigkeit von Prüfberichten hat das LG Gießen (Urt. v. 01. 08.2020, Az. 3 O 479/19) statuiert, dass diese auch in Hinblick auf die Erstattung der Kosten aus einer Abschlepprechnung irrelevant sind, wenn die aufgeführten Gesichtspunkte für Abzüge von den Rechnungspositionen einem Laien unbekannt sind.

Und wenn das Abschleppunternehmen für den Vorgang tatsächlich 1,5 Stunden benötigt, der Prüfdienstleister aber lediglich eine Stunde vorgegeben hat, kann dies nicht zum Nachteil des Geschädigten gehen, der keinerlei Einfluss auf die Dauer des Einsatzes hat (AG Braunschweig, Urt. v. 13.10.2023, Az. 113 C 2393/22).

Wohin darf abgeschleppt werden?

Für die überwiegende Zahl der Abschleppvorgänge wird das Abschleppen vom Schadenort zur nächstgelegenen Fach-/Vertragswerkstatt bzw. der für die Reparatur geeigneten Werkstatt ausreichen. Bei speziellen Fahrzeugen, bei denen das besondere Vertrauen in die Heimatwerkstatt eine gewichtige Rolle spielt, können aber auch längere Transporte gerechtfertigt sein (z.B. AG Sonthofen, Urt. v. 06.08.2024, Az. 3 C 96/24; AG Köln, v. 27.02.2019, Az. 269 C 96/18). Im Einzelfall kann sogar ein „zweites“ Abschleppen zum Wohnort des Geschädigten (OLG München, Urt. v. 08.07.2020, Az. 10 U 3947/19) oder vom Hof des Abschleppunternehmers zu der reparierenden Werkstatt nicht nur erforderlich, sondern auch zu ersetzen sein (AG Braunschweig, Urt. v. 31.08.2023, Az. 114 C 365/23).

Dies ändert indes nichts daran, dass wenn sich der Unfall in vertretbarer Nähe zum Wohnort des Geschädigten ereignet hat, das verunfallte Fahrzeug statt in die nächstgelegene in die vertraute Werkstatt am Wohnort des Geschädigten geschleppt werden darf. AG Deggendorf, Urt. v. 27.06.2018, Az. 3 C 259/17; AG Mühlheim an der Ruhr, Urt. v. 06.02.2015, Az. 23 C 1690/14; AG München, Urt. v. 06.10.2014, Az. 322 C 27990/13. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.

Abschleppkosten von Privatparklätzen

Beim Abschleppen von Privatparkplätzen –  z.B. vor Supermärkten oder Einkaufszentren – ist die Zahlungspflicht des Falschparkers auf die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten begrenzt, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen.

Der BGH sieht die Ersatzpflicht des Falschparkers als durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt.  So sind “nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen“  (z.B. BGH, Urt. v. 04.07.2014, Az. V ZR 229/13; zugehörige Pressemitteilung).

Bildnachweis: Dr. Wolf-Henning Hammer

Aktualisiert am 25.09.2024

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