Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss die erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.
Dabei ist der Pflichtenmaßstab maßgeblich, der bei dem primär Verkehrssicherungspflichtigen anzulegen ist, der den Verkehr auf der betreffenden Fläche eröffnet hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet oder eine absolute Sicherheit gewährleistet werden muss (vgl. KG Berlin, Urt. v. 06.12.2022, Az. 21 U 56/22).
Nicht erforderlich ist, dass der Verantwortliche die Gefahrenlage selbst herbeigeführt hat. der ständigen Rechtsprechung zufolge, besteht die Verkehrssicherungspflicht also auch dann, wenn die Gefahrenlage bereits besteht, aber nichts zu ihrer Beseitigung unternommen wird. Verkehrssicherungspflichtig ist, wer in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft, wobei es gleichgültig ist, ob er sie selbst herbeiführt oder eine bereits vorhandene Gefahr hinnimmt und andauern lässt (vgl. BGH, Urt. v. 25.02.2014, Az. VI ZR 299/13; OLG Bremen, Urt. v. 15. 11.2023 , Az. 1 U 15/23)
Erforderlich sind daher nur solche Sicherheitsvorkehrungen, die ein verständiger, umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sin (z.B. BGH, Urt. v. 20.09.1994, Az. VI ZR 162/93). Im Einzelfall müssen daher nur solche Schutzvorkehrungen getroffen werden, die unter Berücksichtigung des Gefahrenpotenzials mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 31.08.2021, Az. 26 U 4/21; BGH, Urt. v. 04.07.2013, Az. III ZR 250/12).
Für die Träger der Straßenbaulast bedeutet dies, dass sie die Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand anlegen, unterhalten, erweitern oder sonst verbessern müssen. Soweit sie hierzu unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit außerstande sind, haben sie auf den nicht verkehrssicheren Zustand vorbehaltlich anderweitiger Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden durch Warnzeichen hinzuweisen (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.07.2024, Az. 2 U 21/24; LG Lübeck, Urt. v. 06.09.2024, Az. 10 O 240/23).
So besteht zum Beispiel für einen unbefestigten Trennstreifen zwischen einer Fahrbahn und einem Seitenweg keine Verkehrssicherungspflicht. Das OLG Hamm begründet dies damit, dass Trennstreifen der Freihaltung eines für die Verkehrssicherheit oder die Straßengestaltung erforderlichen Zwischenraums zwischen mehreren Fahrstreifen, zwischen Fahrbahn und Seitenwegen und teilweise auch der Aufnahme einer aus gestalterischen Gründen gewünschten oder für die Verkehrssicherheit erforderlichen Bepflanzung dienen. Da sie in der Regel nicht dem Gemeingebrauch gewidmet sind, müssen sie auch nicht frei von Hindernissen wie z.B. Baumstümpfen sein, damit sie von Fahrzeugen gefahrlos zum Parken benutzt werden können (OLG Hamm, Beschl. v. 11.08.2022, Az. 11 U 184/21).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Verkehrssicherungspflicht nicht auch dann verletzt sein kann, wenn sich Baumstümpfe auf einer Freifläche befinden, die an eine asphaltierte Parkfläche angrenzt und bei der aufgrund ihrer Beschaffenheit damit zu rechnen ist, dass sie für einen Parkplatz gehalten und entsprechend genutzt wird (LG Köln, Urt. v. 03.11.2022, Az. 5 O 94/22). Denn generell muss im Rahmen des Zumutbaren aber alles getan werden, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Verkehrsflächen drohen (BGH, Urt. v. 18.12.1972, Az. III ZR 121/70).
Anders stellt sich die Pflichtenlage hingegen bei Bodenschwellen dar, die zur Verkehrsberuhigung in die Fahrbahn einer für den allgemeinen Fahrzeugverkehr freigegebenen Straße eingebaut werden. Eine solche Schwelle stellt eine Gefahrenstelle dar, die einer Abhilfe bedarf, wenn sie so beschaffen ist, dass Motorräder mit einer Bodenfreiheit von 10 cm bei langsamer Überfahrt aufsetzen können (OLG Hamm, Urt. v. 11.03.2022, Az. 11 U 163/21).
Allerdings kann ein Abhilfebedürfnis fehlen, wenn eine Gefahrenstelle rechtzeitig erkennbar und beherrschbar ist (OLG Hamm, Urt. v. 23.02.2022, Az. 11 U 157/21; abgesenkter, 21 cm hoher Bordstein, außerhalb des Bereichs eines Fußgängerüberwegs mit abgesenktem Bordstein).
Gleiches gilt für Teererhöhungen, die zur Ableitung des anfallenden Oberflächenwassers erforderlich sind. Ein solcher Zustand liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich die Teererhöhung deutlich von der übrigen Fahrbahndecke abhebt, z.B. dunkler ist als der Asphalt des Wergs oder der Fahrbahn. In einem Urteil des LG Köln vom 16.05.2023, Az. 5 O 16/23, bei dem es um den Sturz eines Radfahrers ging, heißt es dazu: “Ein aufmerksamer Radfahrer konnte also erkennen, dass sich dort ein Hindernis befindet. Auch ohne ein Hinweisschild war die etwaige Gefahrenstelle bei Tageslicht ohne weiteres wahrzunehmen.”
Eine Rutschgefahr durch – jahreszeittypisch – feuchtes Laub und nasse Nadeln auf einem Geh- und Radweg in einem ländlichen Waldgebiet ist für jeden Benutzer des Weges leicht erkennbar und bei vorsichtiger Benutzung beherrschbar. Ein Verkehrsteilnehmer muss sich auf diesen Zustand einstellen, er stellt keine Gefahrenstelle dar, die einer Abhilfe bedarf (OLG Hamm, Beschl. v. 11.04.2022, Az. 11 U 49/21). Vergleichbar sind auch die Betreiber einer Tiefgarage nicht dazu verpflichtet, die Garageneinfahrt anlasslos täglich zu reinigen oder fortlaufend und im Abstand weniger Stunden zu kontrollieren (KG, Urt. v. 24.10.2006, Az. 9 U 185/05).
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