Als Toleranzwert wird der Sicherheitsabschlag bei Geschwindigkeitsmessungen bezeichnet.
Er wird von der gemessenen Geschwindigkeit abgezogen, um mögliche Ungenauigkeiten bei der Messung auszugleichen. Der Abzug soll verhindern, dass Fahrzeugführer aufgrund von Besonderheiten, Messungenauigkeiten und sonstigen Fehlerquellen belangt werden. (OLG Naumburg, Beschluss vom 6. August 1997 – 1 Ss (B) 179/97)
Kommt es wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Verurteilung, müssen das angewandte Verfahren, das Messergebnis und der vorgenommene Toleranzabzug in den Urteilsgründen angegeben (BGH, Beschluss vom 19. August 1993, Az. 4 StR 627/92). Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert bilden die Grundlage einer ausreichenden und nachvollziehbaren Beweiswürdigung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 21. März 2024, Az. 1 ORbs 55/24).
Bei standardisierten Messverfahren muss das Urteil mindestens Angaben zum gewählten Messverfahren, zur gewährten Toleranz und zum nach Toleranzabzug ermittelten vorwerfbaren Messergebnis enthalten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2025, Az. 202 ObOWi 372/25).
Liegen jedoch konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vor, muss sich der Richter von der Zuverlässigkeit der Messung überzeugen (BGH, Beschl. v. 19.08.1993, Az. 4 StR 627/92). Dies kann beispielsweise durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfolgen (ausführlich hierzu: OLG Hamm, Beschluss vom 15. Mai 2025 – III-5 ORbs 88/25, unter Bezugnahme auf BGH, Beschl. v. 19.08.1993, Az. 4 StR 627/92).
Die Höhe des Abzugs orientiert sich an der gemessenen Geschwindigkeit.
Diese Werte sind jedoch nur Anhaltspunkte. Entscheidend ist der Einzelfall.
Bei Geschwindigkeitskontrollen per Videonachfahrsystem gelten höhere Abzüge, da diese Methode als fehleranfälliger gilt.
Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Police-Pilot-System in der Betriebsart „MAN” (Messung durch Nachfahren bei variabler Wegstrecke durch eine getrennte Messung von Zeit und Wegstrecke) sind bei Geschwindigkeitswerten über 100 km/h im Regelfall 5 % Toleranzabzug erforderlich und ausreichend.
Für Messungen mit dem System PoliscanSpeed hielt das OLG Zweibrücken einen Toleranzabzug von 5 % für ausreichend, da es sich bei dem System „generell um ein standardisiertes Messverfahren handelt“ [OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.02.2018, Az. 1 OWi 2 Ss Bs 106/17; s.a. KG Berlin, Beschl. v. 26.05.2008, Az. 3 Ws (B) 123/08), m. w. N.]
In einem Beschluss des OLG Celle vom 25.10.2004 (Az. 222 Ss81/04 (Owi)] heißt es ausführlich: “Zwar ist in der Rechtsprechung (siehe nur BGHSt 39, 291 ff. [BGH 19.08.1993 – 4 StR 627/92]) die Geschwindigkeitsmessung durch Hinterherfahren in gleich bleibendem Abstand grundsätzlich als Messmethode anerkannt und ist es grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe, den von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängenden Sicherheits- oder Toleranzabzug zu bestimmen (siehe etwa Beschluss des hiesigen 1. Bußgeldsenats vom 16. März 2004, 211 Ss 34/04 – Owi -; OLG Köln MDR 1998, 650 f. [OLG Köln 10.02.1998 – Ss 25/98 B]; OLG Naumburg VRS 94, 298 f.). Die hiesigen Bußgeldsenate haben jedoch wiederholt ausgesprochen, dass bei guten Sichtverhältnissen, geringem Abstand zwischen vorausfahrendem Pkw und Messfahrzeug (etwa halber bis ganzer angezeigter Tachowert), ungefähr gleich bleibendem Abstand, ausreichend langer Nachfahrstrecke (mindestens fünffacher Abstand) und Ablesung des Tachometers in kurzen Abständen ein Sicherheitsabschlag von 20 % ausreichend und erforderlich ist, um alle denkbaren Fehlerquellen und Ungenauigkeiten einer solchen Messung auszugleichen (Beschluss des 1. Senats vom 16. März 2004, a. a. O.; Beschlüsse des erkennenden Senats vom 9. Juli 2003, 222 Ss 164/03 – Owi -, und vom 29. Juli 2003, 222 Ss 168/03 – Owi -; ebenso etwa BayObLG VRS 92, 26 f.; OLG Naumburg a. a. O.).”
Das AG Zeitz hat in einer Entscheidung vom 25.11.2015 ebenfalls einen Toleranzabzug in Höhe von 20 % für angemessen gehalten. In dem zu entscheidenden Sachverhalt hatte der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h überschritten hatte.
Begründet wurde dies damit, dass es sich beim Nachfahren mit einem ungeeichten Tacho um ein nicht standardisiertes Messverfahren handelt (KG Berlin, Beschluss vom 27. Oktober 2014 – 3 Ws (B) 467/14, 3 Ws (B) 467/14 – 162 Ss 131/14).
In einem Beschluss vom 3. Dezember 2021 (Az. 1 RBs 254/21) hatte das OLG Köln entschieden, dass „bei der Geschwindigkeitsermittlung durch Nachfahren in einem Fahrzeug mit nicht justiertem Tachometer […] regelmäßig ein erster Toleranzabzug von der abgelesenen Geschwindigkeit von 10 % zuzüglich 4 km/h für mögliche Eigenfehler des Tachometers sowie ein weiterer Toleranzabzug zwischen 6 % und 12 % der abgelesenen Geschwindigkeit erforderlich [ist], um weiteren Fehlerquellen wie Ablesefehlern sowie solchen Fehlern, die aus Abstandsveränderungen und/oder der Beschaffenheit des Fahrzeugs resultieren, zu begegnen.
Siehe auch: PTB-A 12.01, PTB-Anforderungen, Messgeräte im öffentlichen Verkehr.