Als standardisiertes Messverfahren wird ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren bezeichnet, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.
Dem BGH zufolge (Beschl. v. 30.10.1997, Az. 4 StR 24/97) ist „der Tatrichter nur dann gehalten ist, die Zuverlässigkeit von Messungen, die mit einem anerkannten und weitgehend standardisierten Messverfahren gewonnen worden sind, zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen (vgl. BGHSt 39, 297, 300 [BGH 19.08.1993 – 4 StR 627/92]/301). Ob solche Anhaltspunkte im Einzelfall gegeben sind, kann hierbei unter anderem auch von den technischen Besonderheiten des angewandten Messverfahrens abhängen.“
Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat mit Beschluss vom 18.02.2022 (Az. VfGBbg 54/21) festgestellt, dass das Fachgericht entsprechend seiner Amtsaufklärungspflicht die Korrektheit des Messergebnisses dann individuell – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – zu überprüfen und seine Überzeugung im Urteil darzulegen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.11.2020 ‑ 2 BvR 1616/18; wohl auch BGH, Beschl. v. 30.10.1997, Az. 4 StR 24/97 ).
Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Die Grundsätze des standardisierten Messverfahrens entheben den Tatrichter jedoch nicht davon, Einlassungen zur Kenntnis zu nehmen oder, soweit diese nicht von vornherein als pauschale Behauptungen unzureichend sind, in Erwägung zu ziehen.“ So geht denn auch das OLG Koblenz in seinem Beschluss vom 01.02.2022, Az. 2 OWi 32 SsBs 99/21 davon aus, dass es im Hinblick auf Geschwindigkeitsmessungen keinen Erfahrungssatz gebe, „dass die eingesetzten Messgeräte unter allen Umständen zuverlässige Ergebnisse lieferten. Die technische Komplexität der bei Geschwindigkeitsmessungen zum Einsatz kommenden Messmethoden und die bei standardisierten Messverfahren verringerten Anforderungen an die Beweiserhebung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte ließen ein Bedürfnis des Betroffenen am Zugang zu weiteren die Messungen betreffenden Informationen vielmehr nachvollziehbar erscheinen.“
Entsprechend sind – selbst wenn eine Messung in einem voll automatisierten Verfahren stattfindet – eben auch menschliche Handhabungs- oder Zuordnungsfehler möglich, die eine besondere Überprüfung erforderlich machen. Regelmäßig werden technische Messsysteme, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Eichung zugelassen ist, von den Gerichten als standardisierte Messverfahren insbesondere bei Geschwindigkeitsmessungen anerkannt (Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 04.01.2021, Az. 8 B 1781/20).
Dies gilt insbesondere dann, wenn zwingende Vorgaben der Bedienungsanleitung nicht beachtet werden, „deren Verletzung ein zum Nachteil des Betroffenen fehlerhaftes Messergebnis besorgen lässt und deren Missachtung daher dazu führt, dass nicht mehr von einer mittels eines standardisierten Verfahrens gewonnenen Messung auszugehen ist“ (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.01.2022, Az. 1 OWi 2 SsBs 58/21).
All dies führt dazu, dass selbst die Grundsätze des standardisierten Messverfahrens den Tatrichter jedoch nicht davon, entheben Einlassungen zur Kenntnis zu nehmen oder, soweit diese nicht von vornherein als pauschale Behauptungen „ins Blaue hinein“ unzureichend und zu vernachlässigen sind, in Erwägung zu ziehen (VerfGBbg, Beschl. v. 18.02.2022, Az. VfGBbg 54/21 ).
Auch wenn das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung auf einem standardisierten Messverfahren beruht, können eben dennoch Umstände dagegen sprechen, dass die von der Polizei eingesetzten Geräte geeicht sind und die Bedienungsanleitung beachtet wurde (vgl. KG, Beschl. v. 25.07.2024, Az. 3 ORbs 126/24, 122 SsBs 22/24).