Die Einfahrt vom Beschleunigungsstreifen oder der Einfädelungsspur auf eine Autobahn oder ähnliche Straße (§ 7a StVO) ist nicht nur eine Standardaufgabe während der Führerscheinausbildung, sondern auch von großer alltäglicher Bedeutung. Dennoch kommt es selbst bei gestandenen Fahrzeugführern immer wieder zu Unsicherheiten und Unfällen.
Welche Regeln gelten für das Einfädeln vom Beschleunigungsstreifen?
Zunächst ist beim Einfahren auf eine Autobahn oder Kraftfahrtstraße die Vorfahrt des Verkehrs auf der durchgehenden Fahrbahn zu beachten (§ 18 Abs. 3 StVO). An der Einfahrt steht daher in der Regel auch das Schild „Vorfahrt gewähren“ (Vz. 205).
Wie schnell darf auf dem Beschleunigungsstreifen gefahren werden?
Der Beschleunigungsstreifen dient dazu, den Einfahrenden zu ermöglichen, ihre Geschwindigkeit bereits während des Einfahrens auf die Autobahn oder Kraftfahrtstraße so zu erhöhen, dass ein gefahrloses Auffahren auf die Richtungsfahrbahn und ein Einordnen in den dortigen Verkehr möglich ist.
Darf auf dem Beschleunigungsstreifen rechts „überholt“ werden?
Wer auf dem Beschleunigungsstreifen fährt, darf Fahrzeuge auf der Richtungsfahrbahn auch rechts überholen, um sich dann in angemessenem Abstand davor einzufädeln. Da der Beschleunigungsstreifen nicht zur Autobahn zählt, darf auf diesem selbst dann schneller an den Fahrzeugen der Richtungsfahrbahn vorbeigefahren werden, wenn auf der Autobahn selbst ein Überholverbot besteht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.07.1980, Az. 2 Ss (OWi) 470/80 – 246/80 III). Wenn sich ein Beschleunigungsstreifen als normale Fahrbahn fortsetzt, gilt das rechts Vorbeifahren erst dann als verbotenes Rechtsüberholen i.S.v. § 5 StVO, wenn die Fahrbahnmarkierung unterbrochen ist.
Ein Abbremsen, um sich dann in die nächste Lücke einzuordnen, wie beim Reißverschlussverfahren üblich, ist nicht erforderlich. Anderes gilt, wenn sich während der Fahrt auf dem Beschleunigungsstreifen keine Möglichkeit zum Einordnen bietet.
Wer also auf die Autobahn auffährt und z.B. ein langsames LKW-Gespann neben sich hat, darf dieses rechts überholen. Da § 1 StVO die gegenseitige Rücksichtnahme gebietet, sollten die Fahrzeuge auf der Richtungsfahrbahn das Einfädeln ermöglichen; eine Pflicht dazu besteht jedoch nicht.
Was gilt im Stau?
Zunächst gilt auch hier, dass der Verkehr auf der Fahrspur gegenüber dem Verkehr auf der Einfädelspur bevorrechtigt ist und sich daran auch nichts ändert, wenn die Fahrzeuge auf der Fahrspur verkehrsbedingt zum Stehen kommen (OLG Celle, Urt. v. 23.06.2021, Az. 14 U 186/20)
Staut sich der Verkehr auf der Richtungsfahrbahn, gilt – auch für die Beschleunigungsspur – das Reißverschlussverfahren gemäß § 7 Abs. 4 StVO. Wer auf die Autobahn auffahren möchte, darf an den Fahrzeugen auf der Richtungsfahrbahn vorbeifahren, um sich am Ende der Spur in den Verkehr einzuordnen. In diesem Fall sind die Fahrzeugführer auf der Richtungsfahrbahn ausnahmsweise verpflichtet, den Fahrzeugen auf der Beschleunigungsspur das Einordnen im Reißverschlussverfahren zu ermöglichen.
Wie ist die Rechtslage bei Unfällen?
Wer von der Beschleunigungsspur auf die Richtungsfahrbahn wechseln möchte ist grundsätzlich wartepflichtig. Insbesondere darf er – unabhängig davon, ob Stau oder Stop-and-go-Verkehr herrscht – nur so einfahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet oder behindert und muss sich mit größter Sorgfalt eingliedern (LG Essen, OLG Hamm, Beschl. v. 19.05.2020, Az. I-9 U 23/20; Beschl. v. 08.04.2013, Az. 1 5 S 48/13). Kommt es in einer solchen Situation zu einem Unfall und steht fest, dass sich der Unfall im Rahmen des Einfädelns von der Beschleunigungsspur auf die Fahrbahn ereignet hat, spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Einfädelnden (vgl. OLG Köln, Urt. v. 24.10.2005, Az. 16 U 24/05). Dieser muss dann ggf. im Prozess entkräftet werden.
Für den Fall, dass der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn steht, hat das OLG Hamm mit Beschluss vom 03.05.2018 (Az. III-4 RBs 117/18) festgestellt, dass es in einer solchen Situation keine „Vorfahrt“ gibt, die Vorrang haben könnte. Wörtlich heißt es dazu: „Bei stehendem Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn würde es auch keinen Sinn machen, den Auffahrenden dazu zwingen zu wollen, eine bestehende – hinreichend große – Lücke zwischen zwei stehenden Fahrzeugen nicht zu nutzen.“
Die Rechtsprechung sieht bei einem örtlichen Zusammenhang von zehn bis zwölf Metern – ab dem Ort des Anfahrens – immer noch einen unmittelbaren Zusammenhang zum Einfädel- oder Einfahrvorgang (OLG Dresden, Beschl. v. 05.02.2020, Az. 4 U 2191/19).
Siehe auch: Worauf ist beim Einfädeln zu achten?