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Schutzkleidung

Informationen
05.07.2024

Wenn es nach Motorradunfällen um Schadensersatz geht, gehören zwei Fragen immer wieder zum Standard. Die erste lautet, ob Schutzkleidung einer Abnutzung unterliegt, bei der zweiten geht es um die Frage des Mitverschuldens bei Verletzung infolge der unterbliebenen Verwendung von Schutzkleidung.

 

  • Zur Abnutzung von Schutzkleidung

 

Die Rechtsprechung zum Mitverschulden bei Verletzungen bei Unfällen ohne Schutzkleidung, ist nur für den vorgeschriebenen Helm eindeutig. Ansonsten reicht sie von unbedeutend (AG Weißwasser v. 26.06.2014, Az. 6 C 364/13) bis hin zu mitursächlich (OLG Düsseldorf, Urt.  v. 20.02.2006, Az. I-1 U 137/05).

 

  • Ist Motorradkleidung stets mit dem Neuwert zu entschädigen?

 

Wie verhält es sich aber bei dem Ersatz für unfallbedingte Schäden an der Motorradkleidung? § 249 BGB gilt auch hier und der Schadensverursacher bzw. dessen Versicherer hat den Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Bei neuer Kleidung ist die Sache eindeutig. Geschuldet wird Neuwertersatz (vgl. LG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 23.03.2001, Az. 2 O 514/00; LG Verden v. 25.10.2007, Az. 5 O 220/07, für zwei Wochen alte Kleidung)

Wie ist es aber bei älterer Ausrüstung? Laut LG Oldenburg (s.o.) unterliegt Motorradkleidung nicht den für normale Kleidung geltenden Bewertungsmaßstäben und 1998 entschied das AG Lahnstein, dass es – aufgrund der Sicherheitsfunktion – bei Motorradkleidung keinen Abzug „neu für alt“ gibt. Zusätzlich führte es aus, dass dem Geschädigten die Anschaffung gebrauchter Sachen nicht zugemutet werden kann (AG Lahnstein v. 31.03.1998, Az. 2 C 44/98). Die Amtsgerichte Bad Schwartau und Aachen sahen das ebenso, als sie einen altersbedingten Wertverlust ablehnten (AG Bad Schwartau v.17.06.1999, Az. 3 C 321/99) und entschieden, dass grundsätzlich der Neupreis zu ersetzen ist (AG Aachen, Urt. v. 25.11.2004, Az. 8 C 471/04).

Einen besonders interessanten Aspekt betonte das LG Darmstadt in seinem Urteil vom 28.08.2007 (Az. 13 O 602/05), als es ausführte „Zudem ist allgemein bekannt, dass gerade alte, getragene Lederjacken, wie die hier streitgegenständliche einen Liebhaber- und Abnehmerkreis haben, weshalb unter Berücksichtigung des § 287 ZPO die insoweit geltend gemachten Beträge keinen durchgreifenden Bedenken unterliegen“.

 

Allerdings wird ebenfalls die Ansicht vertreten, dass ein Geschädigter, wenn er statt der Reparatur die Ersatzbeschaffung verlangt, sich auch bei Sicherheitskleidung „denjenigen Vorteil anrechnen lassen (muss), den er durch den Ersatz der zum Unfallzeitpunkt zwar unbeschädigten, aber gebrauchten Kleidung durch neuwertige Sachen erzielt.“ (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2004, Az. I-1 U 119/04).

Einen vergleichbaren Ansatz vertritt das OLG München (Beschl. v. 07.05.2012, Az. 1 U 4489/11), wenn es ausführt, dass „Motorradkleidung (Helm/Stiefel) … zweifelsfrei wie jeder andere Gebrauchsgegenstand der Abnutzung bzw. einem Wertverlust (unterliegt), mögen sich diese Gegenstände auch durch eine längere Haltbarkeits- und Nutzungsdauer auszeichnen.“

Das OLG Hamm (Urt. v. 11.09.2015, Az. I-11 U 86/13) aber auch das OLG Frankfurt (Urt. v. 20.03.2014, Az. 2 U 238/13) haben einen Abzug von „neu für alt“ vorgenommen.

 

  • Begründet das Nichtanlegen von Schutzkleidung ein Mitverschulden?

 

Das Landgericht Frankfurt hatte sich am 07.06.2018 (Az. 2-01 S 118/17) mit dieser Frage zu befassen, nachdem ein Motorradfahrer zum Zeitpunkt des Unfalls keine Schutzkleidung (Lederhosen mit Protektoren) getragen und erhebliche Verletzungen erlitten hatte.

 

Die Rechtsprechung beim Sturzhelm ist eindeutig

 

Die Frage ob einen Biker ein Mitverschulden trifft, wenn er ohne Sturzhelm unterwegs ist, wird in der Rechtsprechung durchgängig bejaht (z.B. BGH v. 25.01.1983, Az. VI ZR 92/81; OLG Nürnberg v. 10.05.1988, Az. 1 U 4202/87; OLG Saarbrücken v. 12.03.2015, Az. 4 U 187/13; OLG München v. 19.05.2017, Az. 10 U 4256/16). Das verwundert nicht. Schließlich ist das Tragen eines Sturzhelms für Motorradfahrer seit 1976 Pflicht (§ 21a Abs. 2 StVO).

 

Bei Motorradschutzkleidung gehen die Ansichten auseinander

 

Wo aber gesetzliche Vorgaben fehlen, wie es bei der übrigen Schutzkleidung der Fall ist, reicht die Einstufung der Gerichte von „unbedeutend“ (AG Weißwasser v. 26.06.2014, Az. 6 C 364/13) bis hin zu „mitursächlich“ (OLG Schleswig, Urt. v. 28.11.2013, Az. 7 U 158/12). Allerdings will selbst das OLG nur dann ein Mitverschulden sehen, wenn das Nichttragen der Schutzkleidung ursächlich für den Verletzungsumfang war. Wenn die Verletzungen (Hier: Ablederungen des Unterschenkels) auch durch die Schutzkleidung nicht zu verhindern gewesen wären, lehnt es ein Mitverschulden ab.

 

Das OLG Celle hat sich in einem Urteil vom 13.03.2024, Az. 14 U 122/23 ausführlich mit dem Zusammenhang zwischen dem Nichtanlegen von Schutzkleidung und einem etwaigen Mitverschulden des verletzten Motorradfahrers auseinandergesetzt. Mitentscheidend war auch hier, dass keine gesetzliche Regelung für das Tragen von Motorradschutzkleidung existiert.

 

“Allein das Fehlen einer Regelung führt aber nicht “automatisch” zur Verneinung eines möglichen Mitverschuldens. Denn die Sorgfaltspflicht von Verkehrsteilnehmern richtet sich nicht nur nach geschriebenen Normen, sondern kann im Einzelfall weitergehen. Maßstab ist, ob der Verletzte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Der BGH hat dazu bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1979 festgestellt, dass grundsätzlich maßgeblich ist, ob und inwieweit ein allgemeines Verkehrsbewusstsein besteht, zum eigenen Schutz bestimmte Schutzkleidung zu tragen (BGH, Urt. v. 30.01.1979, – VI ZR 144/77 – hier Schutzhelmpflicht eines Moped-Fahrers oder auch BGH, Urt. v. 09.02.1965 – VI ZR 253/63 -, NJW 1965, 1075). Unabhängig davon, dass die Beklagten zu einem allgemeinen Verkehrsbewusstsein im Jahr 2021 selbst nichts vortragen, hat der BGH beispielsweise in seiner Entscheidung vom 17.06.2014 – VI ZR 281/13 – (Schutzhelm Radfahrer) auf die Erhebungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zurückgegriffen (www.bast.de; so auch bereits Senat, Urt. v. 12.02.2014 – 14 U 113/13 -, NVZ 2014 Rn. 305, 308 zum Tragen eines Fahrradhelms im Jahr 2009). Orientiert man sich auch hier an dieser Vorgehensweise, ist auf der entsprechenden Internetplattform (https://www.bast.de/DE/Publikationen/DaFa/2022-2021/2022-02.html?nn=1836400) die Information zu finden, dass im Jahr 2021 nur 45,9 % der Motorradfahrer neben dem Helm weitere Schutzkleidung trugen, wobei im Rahmen der Datenerhebung keine Differenzierung nach der Art der Schutzkleidung erfolgte. Komplette Schutzkleidung trugen hingegen lediglich 24,6 % der Fahrer. Unabhängig davon, dass die Statistik nicht erklärt, was unter “kompletter” Schutzkleidung zu verstehen ist (kritisch dahingehend OLG München, Urt. v. 19.05.2017 – 10 U 4256/16 -, BeckRS 2017, 112372 Rn. 16), vermag der Senat selbst bei Zugrundelegung des Prozentsatzes von 45,9 % nicht auf ein allgemeines Verkehrsbewusstsein für das Tragen einer Motorradhose beim Motorradfahren im Jahr 2021 schließen, das hier anspruchskürzend zu berücksichtigen wäre. Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, ob sich das Nichttragen einer Motorradhose verletzungskausal -was bei der Anstoßkonfiguration und dem daraus resultierenden Verletzungsbild auch sehr zweifelhaft scheint- ausgewirkt hat.”

 

Verschulden bedeutet Vorwerfbarkeit

 

Ungeachtet dessen kann ein Mitverschulden den Verletzten nur dann treffen, wenn sein Verhalten auch subjektiv vorwerfbar ist. Dies bedeutet, dass nur derjenige seinen Anspruch auf Schadenersatz gefährdet, der die Vorwerfbarkeit seines Handelns kennt. So hat es auch das LG Frankfurt gesehen.

 

In den Gründen des Urteils heißt es wörtlich:

„Maßstab ist, ob der Verletzte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1979 (Urt. vom 30.1.1979, Az.VI ZR 144/77) festgestellt, dass grundsätzlich maßgeblich ist, ob und inwieweit ein allgemeines Verkehrsbewusstsein besteht, zum eigenen Schutz bestimmte Schutzkleidung zu tragen.“

 

Kein Mitverschulden ohne Verkehrsbewusstsein

 

Weiterhin erläutert das LG Frankfurt das Vorliegen eines Verkehrsbewusstseins, als weitere Voraussetzung für ein Mitverschulden.

Dazu heißt es, dass dieses „nicht allein aus dem Verletzungsrisiko, dem Erkenntnisstand über die verbesserte Sicherheit durch Schutzkleidung oder die Empfehlung von Verbänden hergeleitet werden (kann). Das würde nämlich darauf hinauslaufen, ein Mitverschulden generell dann zu bejahen, wenn der Geschädigte objektiv sinnvolle und allgemein zugängliche Schutzmöglichkeiten nicht gewählt hat. So müsste das Nichttragen eines Helmes bei Radfahrern oder das Weglassen von Oberkörperprotektoren beim Skifahren immer und ausnahmslos ein Mitverschulden begründen.“

 

Für, das Gericht war daher entscheidend, ob sich in der Gruppe der Verkehrsteilnehmer, der der verunfallte Biker zuzurechnen war, ein „allgemeinen Verkehrsbewusstseins anhand von allgemein zugänglichen Erkenntnissen über die tatsächlichen Gepflogenheiten der konkreten Gruppe der Verkehrsteilnehmer positiv feststellen (lies) (OLG München, Urt. v. 19.5.2017, 10 U 4256/16; LG Heidelberg, Urt. v. 13.3.2014, 2 O 203/13).“

 

Angesichts des Umstands, dass es sich bei dem verletzten Biker um den Fahrer einer Harley-Davidson handelte, musste das Gericht herausfinden, ob ein „allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Tragen von Motorradschutzkleidung (etwa Lederhosen mit Protektoren) an Beinen beim Fahren einer Harley Davidson“ existierte.

 

Dies gelang nicht. Insbesondere konnte das Gericht nicht feststellen, dass das Tragen von Schutzkleidung bei Harley- oder Chopper-Fahrern bei mehr als 43%* zum Verkehrsbewusstsein gehört. Diesen Prozentsatz hatte die Bundesanstalt für Straßenwesen festgestellt, als sie im Jahr 2014 – über alle Marken hinweg – 2.091 Biker dazu befragte, ob sie beim Motorradfahren schützende Beinkleidung tragen würden. Die Umfrage hatte der Versicherer im Prozess vorgelegt, um den Anspruch zu Fall zu bringen. Ein Urteil des LG Aschaffenburg vom 15.06.2021 (Az. 22 O 185/19) bestätigte diese Ansicht.

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Dr. Wolf-Henning Hammer

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