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Restwert

Informationen
09.03.2023

Beim Restwert handelt es sich um den Wert eines Fahrzeugs eine Sekunde nach dem Unfall, also im beschädigten Zustand. Der Restwert ist durch einen Sachverständigen konkret anhand von mindestens drei Kaufangeboten auf dem regionalen Markt zu ermitteln. Es muss einem privaten Geschädigten möglich sein, „das Fahrzeug einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb des Ersatzwagens in Zahlung zu geben“ (BGH, Urt. v. 25.06.2019, Az. VI ZR 358/18).

 

Entscheidend ist, dass der Sachverständige drei Angebote regionaler Firmen eingeholt hat (AG Kaufbeuren, Urt. v. 23.03.2020 – Az. 4 C 42/20; LG Gießen, Urt. v. 14.08.2020, Az. 3 O 479/19). Dabei ist es unschädlich, wenn die Höhe der Angebote durchgängig 0,00 Euro beträgt, sofern der Wert nachvollziehbar begründet ist und der Geschädigte nicht ohne weiteres und ohne besondere Anstrengung einen höheren Restwerterlös hätte erzielen können (BGH, Urt. v. 01.06.2010, Az. VI ZR 316/09).

Hat der beauftragte Sachverständige indes unmissverständlich und nachvollziehbar ausführt, dass das Fahrzeug weder zum Wiederaufbau noch zu einem wirtschaftlichen Ausschlachten mehr geeignet ist und drei Restwertangebote aufführt, die sämtlich auf 0,00 € lauten, darf der Geschädigte sich auf diese Einschätzung der Person, die er „gerade aufgrund ihrer besonderen Sachkunde mit der Ermittlung auch eines etwaigen Restwertes betraut hatte“ verlassen (AG Leutkirch, Urt. v. 26.01.2022, Az. 2 C 263/21).

 

In diesem Fall darf der Geschädigte im Vertrauen auf die Richtigkeit des im Gutachten ausgewiesenen Restwertes das Fahrzeug zu dem dort genannten Preis verkaufen (z.B. LG München I, Urt. v. 08.08.2014 – Az. 17 S 6325/14).Ebenso darf ein Geschädigter diesen Betrag, wenn das Gutachten eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, im Vertrauen auf den darin genannten Restwert und die sich daraus ergebende Schadensersatzleistung des Unfallgegners sein Fahrzeug reparieren lassen und weiternutzen (BGH, Urt. v. 13.10.2009, Az. VI ZR 318/08).

 

Dabei ist es ausreichend, wenn der Restwert für den Geschädigten – ex ante – nachvollziehbar ist (AG Bad Hersfeld, Urt. v. 05.12.2019, Az. 10 C 606/19(20). Die Ermittlung des Restwerts kann dabei auch auf dem – für den Unfallort maßgeblichen – regionalen Markt erfolgen. Geschädigte sind nicht verpflichtet, das beschädigte Fahrzeug zunächst an ihren Wohnort zu transportieren, um es dort zu veräußern (OLG Hamm, Urt. v. 11.12.2020, Az. 11 U 5/20),

 

Dies gilt auch in der Kaskoversicherung. Selbst wenn die AKB regeln sollten, dass der Restwert des beschädigten oder zerstörten Fahrzeugs der Veräußerungswert im beschädigten Zustand sein soll. Insbesondere kann ein durchschnittlicher Kaskoversicherungsnehmer nicht gezwungen werden, sein Fahrzeug in ein geografisch weit entferntes Land zu veräußern, das ihm gar nicht zugänglich ist. Wählt der Geschädigte die fiktive Abrechnung, ist bei der Bestimmung des Restwertes des Fahrzeugs lediglich der regionale Markt für den Aufkauf solcher Fahrzeuge am Sitz des Versicherungsnehmers in den Blick zu nehmen (BGH, Urt. v. 14.04.2021, Az. IV ZR 105/20).

 

Dem LG Stuttgart zufolge, muss sich ein Geschädigter nicht das Restwertangebot eines aus Litauen stammenden Anbieters anrechnen lassen, dessen Seriosität er nicht überprüfen kann (LG Stuttgart, Urt. v. 14.08.2019, Az. 4 S 76/19). Dubiose, illusorische Restwertangebote muss ein Geschädigter ohnehin nicht annehmen (vgl. AG Ludwigsburg, Urt. v. 19.07.2017, Az. 6 C 567/17). Zudem ist es keinem Geschädigten zumutbar, sich bei Streitigkeiten mit dem Aufkäufer auf Auseinandersetzungen in einer fremden Sprache in einer fremden Rechtsordnung einzulassen (AG Villingen-Schwenningen, Urt. v. 02.12.2021, Az. 11 C 231/21). Allerdings kann das Restwertangebot eines Versicherers und nicht der vom Sachverständigen ermittelte Wert maßgeblich sein, wenn der Geschädigte sein totalbeschädigtes Fahrzeug über einen Zeitraum von sechs Monaten zwar behält aber weder instand setzt noch nutzt. Dem AG Neustadt an der Aisch zufolge, soll in einem solchen Fall vom Fehlen sowohl des Integritäts-als auch des Mobilitätsinteresse auszugehen sein (Urt. v. 28.01.2021, Az. 1 C 336/20).  Umgekehrt hat der Restwert bei der Schadensberechnung jedenfalls dann unberücksichtigt zu bleiben, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeuges nicht übersteigen (BGH, Urt. v. 29.04.2003, Az. VI ZR 393/02).

 

Dem OLG Frankfurt zufolge (Urt. v. 19.01.2010, Az. 22 U 49/08), ist ein Geschädigter zur Annahme eines Restwertangebots ohnehin nur verpflichtet, „wenn auf diesem klar und deutlich die kostenfreie Abholung gegen Barzahlung vermerkt ist und er ohnehin bereit ist, das Fahrzeug sofort zu verkaufen. Benötigt der Geschädigte noch Zeit, über eine anderweitige Verwertung zu entscheiden, muss er auf ein zeitlich befristetes Angebot nicht eingehen.“ 

 

Ein Geschädigter muss sich weder um bessere Angebote bemühen, noch dem Schädiger oder dessen Versicherer vor dem Verkauf die Gelegenheit geben, selbst nach einem besseren Angebot zu suchen und dies dem Geschädigten zu präsentieren (z.B. AG Osnabrück, Urt. v. 07.07.2015, Az. 31 C 369/15 (6)). Auch dieses Gericht vertritt die Auffassung, der Geschädigte könne nach einem Verkehrsunfall das unfallbeschädigte Fahrzeug zu dem von einem Sachverständigen nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs ermittelten Restwert veräußern; insbesondere treffe ihn keine Pflicht, zuvor dem gegnerischen Versicherer Gelegenheit zur Überprüfung des Restwerts zu geben.

 

Etwaige Hinweise in Formschreiben des Versicherers, denen zufolge der Geschädigte mit der Veräußerung des Fahrzeugs warten solle, da der Versicherer möglicherweise ein besseres Angebot vorlegen könne, sind unbeachtlich (z.B. BGH, Urt. v. 27.09.2016, Az. VI ZR 673/15; AG Oldenburg, Urt. v. 07.04.2022, Az. 1 C 1265/21; Urt. v. 07.04.2022, Az. 1 C 1265/21 (XX); LG Bonn, Urt. v. 10.01.2017, Az. 8 S 164/16). Eine derartige Wartepflicht würde sowohl der Eigentümerbefugnis des § 903 BGB als auch dem schadensrechtlichen Dispositionsgrundsatz widersprechen, wonach der Geschädigte Herr des Restitutionsverfahrens und sowohl in der und sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist (OLG Koblenz, Verfügung v. 01.02.2022, Az. 12 U 2148/21). Es reicht nicht aus, wenn ein Versicherer lediglich einen Restwert behauptet; er muss ihn auch beweisen (LG Berlin, Urt. v. 03.02.2021 , Az.23 O 310/18).

 

Hat der Geschädigte das Fahrzeug allerdings noch nicht verkauft, wenn ihn ein höheres Restwertangebot erreicht, kann dieses für ihn beachtlich sein, wenn dieses Angebot den Vorgaben des BGH entspricht. Ein Geschädigter verstößt daher nicht gegen seine Schadenminderungspflicht, wenn bei der Ermittlung des Restwerts der regionale Markt vollständig einbezogen und ausgewertet worden ist (OLG Hamm, Urt. v. 23. 09.2020, Az. I-11 U 23/20; v. 28.09.2018, Az. I-9 U 137/16). Grundsätzlich ist ein Geschädigter lediglich dazu gehalten sein Fahrzeug so zu verkaufen, „wie er es auch für sich selbst verkauft hätte“ (AG Donaueschingen, Urt. v. 12.06.2019, Az. 1 C 37/18). Ein etwaiges Wissen des Autohauses um auswärtige höhere Gebote ist irrelevant, da das Autohaus nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist (LG Schweinfurt, Urt. v. 28.10.2021, Az. 12 O 522/21).

 

Sofern sich ein Geschädigter aber „jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von Gebrauchtwagen befasst, [ist] die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote ohne weiteres zuzumuten“ (BGH, Urt. v. 25.06.2019, Az. VI ZR 358/18)

Für Leasinggesellschaften wurde dies bejaht (LG Deggendorf, Urt. v. 31.08.2020, Az. 23 o 168/19) für eine das Fahrzeug finanzierende Bank verneint (AG Münster, Urt. v. 29.06.2020, Az. 61 C 225/19).

 

Siehe auch: Restwertwertbörse

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Dr. Wolf-Henning Hammer

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