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Neuwagen

Informationen
31.08.2022

Von einem Neuwagen oder Neufahrzeug ist auszugehen, wenn sich das Fahrzeug in einem fabrikneuen Zustand befindet.

 

Die Angabe „fabrikneu“ gilt regelmäßig als zugesicherte Eigenschaft (BGH, Urt. v. 22.03.2000, Az. VIII ZR 325/98). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Verwendung der Begriffe „neu“ oder „Neuwagen“ – unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls – nicht als Zusicherung der Eigenschaft „fabrikneu“ zu werten (BGH, Urt. v. 26.03.1997, Az. VIII ZR 115/96; BGH, Urt. v. 27.09.1967, Az. VIII ZR 72/65). Tageszulassungen gelten als besondere Form des Neuwagengeschäfts. Wie der BGH mit Urteil vom 12.01.2005, Az. VIII ZR 109/04 festgestellt hat, sei mittlerweile allgemein bekannt, was eine Tages- oder Kurzzulassung bedeute; entscheidend sei allein, dass das Fahrzeug nicht gefahren, also vom Händler in keiner Weise, insbesondere nicht als Vorführwagen, genutzt worden und deshalb technisch ohnehin ein Neuwagen sei“ (s.a. OLG Köln, Beschl. v. 23.11.2009, Az. 19 U 115/09).

 

Ein unbenutztes Kraftfahrzeug kann regelmäßig dann noch als „fabrikneu“ betrachtet werden, wenn und solange das Modell unverändert weitergebaut wird, keine standzeitbedingten Mängel vorliegen und der Zeitraum zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate beträgt (z.B. OLG Hamm, Urt. v. 16.08.2016, Az. I-28 U 140/15; BGH, Urt. v. 29.06.2016, Az. VIII ZR 191/15; LG Köln, Urt. v. 20.01.2011, Az. 8 O 338/10; BGH, Urt. v. 15.10.2003, Az. VIII ZR 227/02; BGH, Urt. v. 06.02.1980, Az. VIII ZR 275/78). Dies soll auch für Re-Importfahrzeuge gelten (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.10.2005, Az. I-1 U 84/05). Allerdings handelt es sich bei der Zwölfmonatsfrist nicht um eine „taggenau einzuhaltende, starre Ausschlussfrist“ (OLG  Frankfurt/M, Urt. v. 03.08.2021, Az. 5 U 84/20).

 

Ein PKW, der fast 23 Monate vor dem Kauf, hergestellt kann nicht mehr als Neuwagen eingestuft werden. Schließlich unterliegt er während dieses Zeitraums zwangsläufig nicht nur einem gewissen Alterungsprozess, sondern erleidet nach der Verkehrsanschauung zudem eine Werteinbuße. Dies gilt selbst dann, wenn er während dieser Zeit nicht benutzt wird (OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschl. v. 08. 01.2007, Az. 15 U 71/06; s.a. BGH, Urt. v. 15.10.2003, Az. VIII ZR 227/02).

 

Das OLG Köln hat in einem Urteil vom 16.07.2002, Az. 3 U 8/02 ausgeführt: „Für die Beurteilung einer Zusicherung als „Neufahrzeug“ ist folgende Rechtsprechung zu beachten. „Fabrikneu“ ist nicht mehr anzunehmen, wenn das Modell im Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr unverändert hergestellt wird. Lagerzeiten stehen nicht entgegen, wenn das Fahrzeug keine standbedingten Mängel aufweist und das Modell noch unverändert produziert wird.“ Wenn ein Kunde  Wert auf den Erhalt des zum Auslieferungszeitpunkt aktuellen Modells legt, kann er sich durch Nachfrage nach einem Modellwechsel entsprechend absichern. Wie das OLG Köln weiter ausführt, „ist nämlich allgemein bekannt und bedarf auch keines Hinweises der Händler, dass Pkw-Modelle in regelmäßigen Abständen einer Modellpflege unterzogen werden.“

 

Überführungskilometer können dazu führen, dass ein PKW zum Zeitpunkt der Übergabe nicht mehr als „fabrikneu“ gilt. Aber auch hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. War die Überführung des Fahrzeugs auf eigener Achse vereinbart, ist die darauf zurückzuführende Laufleistung für die Eigenschaft als Neuwagen unerheblich (OLG Dresden, Urt. v. 04.10.2006, Az. 8 U 1462/06; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.12.2006, Az. I-1 U 55/06). Während das OLG Stuttgart die Grenze einer unschädlichen Laufleistung bei einer Überführung bei 1000 km angesetzt hat (Urt. v. 28.06.2000, Az.  4 U 53/00), hat das OLG Hamm in einem älteren Sachverhalt, bei dem das Fahrzeug von einem nicht autorisierten Firmenhändler erworben worden war, selbst eine Laufleistung von 1700 km als für die Neuwageneigenschaft unschädlich angesehen (Urt. v.  18.12.1992, Az. 19 U 57/92).

 

Bei unverschlossen präsentierten Ausstellungsfahrzeugen kann die Neuwageneigenschaft jedoch entfallen, da sie „von einer unbestimmten Anzahl von Personen innen und außen angefasst, Türen und Kofferraum … vielfach geöffnet (werden), es wird probegesessen, Sitze werden verstellt etc.  Ein Ausstellungsfahrzeug in einer Niederlassung eines Automobilherstellers unterliegt somit einer wiederholten körperlichen Nutzung und ist daher nach Überzeugung des Gerichts nicht mehr ungenutzt“ (Amtsgericht München, Urt. v. 17.12.2021, Az. 271 C 8389/21).

 

Fabrikneu muss nicht mangelfrei bedeuten

 

Um fabrikneu zu sein, muss sich das Fahrzeug bei Übergabe an den Käufer in dem unbenutzten und unbeschädigten Zustand befinden, wie es vom Hersteller ausgeliefert worden ist (BGH, Urt. v. 06.02.2013, Az. VIII ZR 374/11). Unerhebliche, bereits im Werk behobene Schäden beeinträchtigen die Eigenschaft als Neuwagen nicht, sofern sie nicht mit einer Wertminderung verbunden sind (LG Bonn, Urt. v. 26.09.2006, Az. 3 O 372/05).

 

Das Landgericht Wuppertal hat in einem Urteil vom 27.05.2020, Az. 17 O 337/19 festgestellt, „dass ein aus neuen Materialien hergestelltes und abgesehen von der Überführung ungenutztes Fahrzeug fabrikneu (ist), wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist, zwischen Herstellung und Kaufabschluss nicht mehr als zwölf Monate liegen und wenn nach seiner Herstellung keine erheblichen Beschädigung eingetreten sind, auch wenn sie vor Auslieferung an den Käufer nachgebessert wurden (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.2013, Az. VIII ZR 374/11).

 

Geringfügige Reparaturmaßnahmen stehen der Fabrikneuheit nicht entgegen

 

Dabei ist insbesondere eine geringfügige Nachlackierung wegen eines Transportschadens eine typische Reparaturmaßnahme, welche der Fabrikneuheit des Fahrzeugs in der Regel nicht entgegensteht. Dies gilt unabhängig von der Geringfügigkeit des Lackschadens jedoch nur insoweit, als dass die Nachlackierung fachgerecht und in Werksqualität erfolgt, denn die Fabrikneuheit verlangt, dass sich das Fahrzeug bei Übergabe an den Käufer in dem unbenutzten und unbeschädigten Zustand befindet, wie es vom Hersteller ausgeliefert worden ist (vgl. BGH a.a.O., OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2011, Az. 28 U 109/11).

 

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Dr. Wolf-Henning Hammer

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