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Benzinklausel

Informationen
26.06.2024

Nach der Benzinklausel sind Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht werden, von der für das Fahrzeug bestehenden Haftpflichtversicherung zu ersetzen. Die Inanspruchnahme der Privathaftpflichtversicherung, z.B. um den Schadenfreiheitsrabatt nicht zu belasten, ist in diesen Fällen ausgeschlossen. Für die Frage des Deckungsschutzes ist allein entscheidend, ob sich der Art nach ein Risiko der Privat- oder der Kfz-Haftpflichtversicherung verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 16.10.1991, Az. IV ZR 257/90; v. 21.02.1990, Az. IV ZR 271/88; v. 16.02.1977, Az. IV ZR 42/76).

  

Ein Heizlüfter hat den Weg gewiesen!

 

Der BGH hat in seinem „Heizlüfterurteil“ (Az. IV ZR 120/05 v. 13.12.2006) konstatiert, dass die Privathaftpflichtversicherung dann nicht eintrittsverpflichtet ist, wenn die Schäden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht sind worden sind, d.h. „sich eine Gefahr verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist.“ „Schäden, die der Versicherungsnehmer an fremden Sachen dadurch verursacht, dass er diese benutzt, um sich selbst oder sein Material oder Werkzeug an den Arbeitsplatz zu schaffen“, sind nicht vom Versicherungsschutz ausgenommen (BGH, Urt. v. 27.11.1969, Az. IV ZR 637/68).

 

Das Risiko muss aus dem versicherbaren Fahrzeuggebrauch erwachsen!

 

Grundvoraussetzung ist allerdings, dass das schadenstiftende Ereignis auch auf einem versicherbaren Fahrzeuggebrauch beruht. Ein nicht versicherbarer Fahrzeuggebrauch des Halters oder Besitzers des Fahrzeugs unterfällt nicht dem Risikoausschluss sog. kleiner Kraftfahrzeug- oder Benzinklauseln in einer Privathaftpflichtversicherung (BGH, Urt. v. 14.12.1988, Az. IVa ZR 161/87). Für derartige Schäden muss entweder die Privathaftpflichtversicherung oder – wenn eine solche fehlt – der Schädiger selber gerade stehen.

 

Ist der Gebrauch aber versicherbar, entscheidet ob sich eine der Gefahren verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen sind, oder ob sich ein anderes Schadensrisiko verwirklicht hat, das mit dem Fahrzeuggebrauch nur in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stand. Dies gilt selbst dann, wenn das Fahrzeug auch nur geringfügig bewegt wird (AG Saarlouis, Urt. v. 24.07.2017, Az. 28 C 250/17 (70)).

 

Die Konstellationen sind vielseitig!

 

Schäden die ein Dritter dadurch erleidet, dass beim Anlegen eines Spanngurts zur Sicherung der Ladung eines Mofa-Anhängers der Spanngurt abrutscht, sind „durch“ den Gebrauch des Kraftfahrzeugs im Sinne der Allgemeinen Kraftfahrtversicherungsbedingungen entstanden (OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 07.05.2009, Az. 1 U 264/08).

 

Der Versuch den Motor eines Fahrzeugs bei eingefüllten 20 Litern Kraftstoff und einer nicht einwandfrei arbeitenden Benzinpumpe (die von der elektrischen Versorgung der Fahrzeugbatterie abgeklemmt und an eine externe Energiequelle angeschlossen ist) zu starten, stellt ebenfalls eine typische Gefahr dar, die einem mit Benzin betriebenen Fahrzeug anhafte. Auch Vorgänge, die konkret erst der Vorbereitung des Ingangsetzens funktionswesentlicher Teile eines Kraftfahrzeugs dienen, Gebrauch des Fahrzeugs sein. Auf eine tatsächliche Fortbewegung des Fahrzeugs komme es dabei nicht an (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.06.2008, Az. I-4 U 191/07).

 

Empfehlung des Ombudsmanns vom 16. Januar 2023, Aktenzeichen: 8690/2022

Einer Entscheidung des Versicherungsombudsmanns zufolge, kann sich ein Privathaftpflichtversicherer sich nicht auf den Risikoausschluss nach der sogenannten Benzinklausel (Schaden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs) berufen, wenn der Versicherungsnehmer bei Schweißarbeiten an seinem Fahrzeug einen Brand an einem fremden Gebäude verursacht hat. Dem Ombudsmann zufolge, gehört der Gebrauch eines Schweißgeräts gehört bei natürlicher Betrachtungsweise (grundsätzlich) zum Gefahrenbereich des täglichen Lebens.

Zudem besteht in einem derartigen Fall Versicherungsschutz aus der KfzHaftpflichtversicherung, denn der auch dort maßgebliche Begriff des Fahrzeuggebrauchs ist in diesem Zusammenhang weiter auszulegen als bei der Benzinklausel zur Privathaftpflichtversicherung.

 

Insofern war es auch nicht verwunderlich, als das LG Oldenburg (Urt. v. 12.08.2020, Az. 13 O 245/20) dagegen die Eintrittspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers für einen Schaden bejahte, der seinen Ausgang in Schweißarbeiten an einem Kraftfahrzeug genommen hatte.

 

Folglich sind „grundsätzlich auch Schäden durch Tätigkeiten an oder mit dem Kfz, insbesondere Reparatur und Wartungsarbeiten, vom Versicherungsschutz umfasst, da sich dabei die besonderen Gefahren des Fahrzeugs auswirken. Nach allgemeiner Meinung, gehört auch das Schweißen zum Fahrzeuggebrauch, da es der Wiederinstandsetzung des Fahrzeugs dient (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1988, Az. IV A ZR 73/87; OLG Hamm, Urt. v. 02.10.2015, Az. 20 U 139/14; v. 12.11.1992, Az. 6 U 120/92; LG Oldenburg: Urt. v. 12.08.2020, Az. 13 O 245/20).“ Zu Schäden Bei einem Reifenwechsel: LG Karlsruhe Urt. v. 23.05.2014, Az. 9 S 460/13. S.a. BGH, Urt. v. 21.02.1990, Az. IV ZR 271/88).

 

Zudem greift die Benzinklausel, wenn es z.B. infolge einer Falschbetankung zu einem Motorschaden an einem dem Schädiger zur Verfügung gestellten Fahrzeug kommt (LG Dortmund, Urt. v. 07.07.2016, Az. 2 S 51/15; s.a. LG Köln, Urt. v. 19.04.2007, Az. 24 O 349/06).

 

Das OLG Hamm hat die Anwendung der Benzinklausel verneint, als einem Autofahrer beim Aussteigen eine Bauschaumflasche aus der Hand fiel und explodierte (LG Hagen, Urt. v. 31.01.2017, Az. 9 O 293/15; OLG Hagen, Beschl. v. 09.08.2017, Az. 20 U 30/17). Die Gerichte sahen hier nicht die Verwirklichung einer Gefahr des Fahrzeugs, sondern die der Bauschaumflasche als gegeben an. Das Schadensereignis stand lediglich in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeugs.

 

Den Einsatz eines Wagenhebers bei einem Reifenwechsel ordnete das AG Wipperfürth (Urt. v. 23.09.2022, Az. 9 C 145/22) nicht dem Fahrzeuggebrauch, sondern den, vom Deckungsgebereich der privaten Haftpflichtversicherung erfassten, Gefahren des täglichen Lebens zu.

 

 

 

 

Das bloße Drehen des Zündschlüssels ist noch kein Gebrauch!

 

Dreht hingegen ein auf dem Beifahrersitz eines abgestellten PKW sitzendes 14jähriges Mädchen den im Zündschloss steckenden Schlüssel um, um über die zu aktivierende Batterie das Autoradio zu betreiben, aber versehentlich den Schlüssel so weit umdreht, dass der Motor des PKW gestartet wird, sodass dieser sich von selbst in Bewegung setzt und ein anderes geparktes Fahrzeug beschädigt, ist dies nicht als Gebrauch des Kraftfahrzeugs im Sinne der Ausschlussklausel zu werten (OLG Celle, Urt. v. 03.03.200, Az. 8 W 9/05).

 

Türöffner-Fälle unterfallen der Kfz-Haftpflicht!

 

Sogar der EuGH hatte sich mit der Frage der „Benutzung eines Fahrzeugs“ im Zusammenhang mit einem Türöffner-Fall (s.a. “Dooring”) zu befassen (Urteil vom 15.11.2018, Az. C-648/17). So hatte er die Benutzung in einem Sachverhalt bejaht, bei dem der Mitfahrer eines geparkten Fahrzeugs die Tür geöffnet und dabei ein anderes Fahrzeug beschädigt hatte.

 

Der Praxis der Kfz-Haftpflichtversicherer, die in solchen Fällen gerne auf eine etwaige Privathaftpflichtversicherung des Mitfahrers verwiesen, erteilte er eine Absage.

 

Zur Begründung heißt es vom EuGH, „dass dieser Begriff jede Benutzung eines Fahrzeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht (…). Das Öffnen der Tür eines Fahrzeugs [stellt] eine Verwendung dieses Fahrzeugs [dar], die dessen Funktion als Transportmittel entspricht, da das Öffnen u. a. das Ein- und Aussteigen von Personen oder das Beladen mit und Entladen von Gütern ermöglicht, (…). An dieser Schlussfolgerung ändert nichts, dass die im Ausgangsverfahren betroffenen Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt standen und sich auf einem Parkplatz befanden. (…). Das Öffnen der Türen erfolgt im Allgemeinen nur, wenn die Fahrzeuge stehen.“ Auch dem LG Saarbrücken zufolge, haftet der Kfz-Haftpflichtversicherer grundsätzlich auch für einen Unfallschaden, den ein Insasse des versicherten Fahrzeugs durch das Öffnen der Beifahrertür verursacht (Urt. v. 20.11.2015, Az. 13 S 117/15).

 

Die Einstandsplicht für Schäden beim Beladen es Fahrzeugs ist umstritten!

 

Ob Schäden, die im Zusammenhang mit Beladevorgängen an anderen Fahrzeugen entstehen, in den Anwendungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung fallen, ist umstritten.

 

Pro: LG Köln, Urt. v. 30.11.1994, Az. 23 S 13/94

Contra: OLG Hamm, Urt. Beschl. v. 14.06.2019, Az. 7 U 89/18; AG München, Urt. v. 05.02.2014, Az. 343 C 28512/12

 

Das LG Wuppertal rechnete einen Schaden dem Gebrauch des Fahrzeugs zu, den dessen Fahrerin – beim Entladen einer Leiter – an einem Reklameschild verursacht hatte (Urt. v. 14.11.2019, Az. 9 S 125/19). Demgegenüber hatte das OLG Saarbrücken den Anspruch auf Ersatz für Schäden verneint, die entstanden waren, als ein Arbeitnehmer einen Fahrradträger an dem ihm überlassenen Dienstwagen montierte, um die Heimreise vorzubereiten. Das Gericht sah hierin keine Vorbereitungshandlung die es ermöglichen sollte, das Fahrzeug anschließend in Bewegung setzen zu können. Die Folge war, dass ein Anspruch aus der Privathaftpflichtversicherung bestand (OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.07.2020, Az. 5 U 2/20).

 

Dagegen hat das OLG Hamm eine Ausschlussklausel in der Betriebshaftpflichtversicherung eines Unternehmens für Schäden infolge des Gebrauch eines Kraftfahrzeugs für wirksam erachtet, als es um den Ersatz von Schäden ging, die beim Entladen von Splitt aus einem Silo-LKW entstanden waren. Zu dem Schaden war es infolge von Staubentwicklung wegen einer versehentlich am Ende der Schlauchleitung nicht angeschlossenen Wasserzufuhr gekommen, “als Splitt mittels der Motorkraft des Fahrzeugs und der auf dem Fahrzeug vorhandenen Vorrichtungen durch eine Schlauchleitung auf das obere Hochdeck eines Parkhauses gepumpt wurde, auf dem die Klägerin auftragsgemäß ein Steinpflaster verlegen sollte.” (Beschl. v. 19.06.2023, Az. 20 U 76/23). 

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Ansprechpartner

Dr. Wolf-Henning Hammer

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