Wenn bei einem Unfall Fahrzeugteile mit Abnutzungserscheinungen oder Vorschäden beschädigt oder bei Diebstählen ältere Fahrzeugteile entwendet werden, verweigern Versicherer oftmals die vollständige Erstattung der Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten. Begründet wird dies regelmäßig mit der Erforderlichkeit des Abzugs „Neu für Alt“.
Worauf basiert der Gedanke des Abzugs?
Der Vorgehensweise liegt der Gedanke zugrunde, dass „bei der Bemessung des Schadensersatzes für die Beschädigung oder Zerstörung einer durch den Gebrauch und die Zeitdauer im Wert gesunkenen oder gar schon vorher schadhaften Sache grundsätzlich ein Abzug zwecks Berücksichtigung des Unterschiedes von alt und neu zu machen ist“ (BGH, Urt. v. 24.03.1959, Az. VI ZR 90/58).
Allerdings setzt die Vornahme eines Abzugs “neu für alt” u.a. voraus, “dass bei dem Geschädigten eine messbare Vermögensvermehrung eintritt, die sich für ihn wirtschaftlich günstig auswirkt, wobei die Darlegungs- und Beweislast den Schädiger den Schädiger trifft” (OLG Hamm, Urt. v. 28.06.2022, Az. 7 U 45/21; v. 08.02.2018, Az. 21 U 95/15, m.w.N.).
Der Abzug ist nur gerechtfertigt, wenn dem Geschädigten Aufwendungen erspart werden, die er später doch hätte machen müssen. Begründet wird dies damit, dass sich der Schadenersatzanspruch des Geschädigten nur auf durch den Unfall verursachte, nicht aber auf Vorschäden bezieht.
Entscheidend für den Abzug „Neu für Alt“ ist auch, ob und wie sich das individuelle Nutzungspotenzial für den Geschädigten erhöht, d.h. ob die neue oder reparierte Sache gerade für den Geschädigten einen höheren Wert hat, da ihm der Vorteil aufgedrängt wird (OLG Köln, Beschl. v. 01.08.2014, Az. 11 U 23/14).
Die Wertverbesserung ist ein entscheidendes Argument
Dem OLG Frankfurt zufolge, scheidet ein Abzug aus, wenn Teile ersetzt werden müssen, die im Allgemeinen die Lebensdauer des Fahrzeugs erreichen, weil dann eine Wertverbesserung nicht eintritt oder sich zumindest nicht auswirkt (OLG Frankfurt, Urt. vom 22.05.2015, Az. 1 U 166/13). Laut BGH kommt ein Abzug generell nicht in Frage, wenn die Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden nicht zu einer Wertsteigerung am Fahrzeug führen (vgl. BGH, Urt. v. 23.05.2017, Az. VI ZR 9/17).
Abgelehnt haben die Gerichte den Abzug bei:
Zugesprochen haben die Gerichte einen Abzug bei:
Urteile zum Ersatz von Schutzkleidung
Abzüge sind auch bei medizinischen Hilfsmitteln möglich. Dem OLG Celle zufolge, ist z.B. bei einer Brille eine, über fünf Jahre verteilte, lineare Abschreibung angemessen, da es sich „nicht um einen Gegenstand handelt, der auch gebraucht ge- und verkauft wird und bei dem – wie z.B. bei Pkw – die Abschläge auf den ursprünglichen Neupreis je nach Alter prozentual erheblich differieren kann“ (OLG Celle, Urt. v. 05.08.2020, Az. 14 U 37/20).
Abzüge in der Kaskoversicherung
In der Kaskoversicherung ist der Abzug in den Versicherungsbedingungen (AKB) geregelt.
Viele Kaskoversicherungsbedingungen enthalten Staffelungen für die Ersatzleistung bei abhanden gekommenen Navigationsgeräten. Das AG Düsseldorf hatte bei einer Altersstaffelungen (Abzug von 1% pro Monat, beginnend ab dem 18ten Monat nach Erstzulassung des Kfz) eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers und damit einen, die Unwirksamkeit nach sich ziehenden, Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB gesehen.
Das LG Düsseldorf sah kein schadensersatzrechtliches Problem, sondern eine Frage des versicherungsvertragsrechtlichen Primäranspruchs. Angesichts der vertraglich vereinbarten Regelung, konnte es keine Benachteiligung erkennen und betrachtete die Klausel als wirksam (LG Düsseldorf, Urt. v. 12.01.2017, Az. 9 S 26/16).
Ebenfalls eine Frage der vertraglichen Vereinbarungen ist es, wenn ein Versicherungsvertrag einen „Top-Schutz“ umfasst, auf dessen Grundlage der Versicherer auf einen Abzug verzichtet (OLG Dresden, Urt. v. 16.02.2021, Az. 4 U 1909/20).