Ein Fahrverbot resultiert aus einer Verkehrsordnungswidrigkeit. Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt diese bei einem Fahrverbot grundsätzlich bestehen. Während der Dauer des Fahrverbots darf man davon in Deutschland jedoch keinen Gebrauch machen. Nach Ablauf des Fahrverbots wird der Führerschein automatisch und ohne weitere Prüfungen wieder ausgehändigt.
Ein Fahrverbot kann grundsätzlich bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 StVG, d.h. wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verhängt werden.
Laut dem OLG Frankfurt/Main indiziert die Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 11.3.7 BKatV grundsätzlich einen Pflichtverstoß im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG (Beschl. v. 26.04.2022, Az. 3 Ss-OWi 415/22). Das führt dann regelmäßig zur Verhängung eines Fahrverbots.
Ungeachtet dessen, kann ein Fahrverbot auch wegen mehrerer leichterer Ordnungswidrigkeiten verhängt werden. So hat z.B. das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass dies zum Beispiel auch bei einem folgenlos gebliebenen vorsätzlichen Verstoß gegen das Verbot der Nutzung elektronischer Geräte (§ 23 Abs. 1a StVO) möglich ist.
Das Gericht hat entschieden: Die Nutzung eines elektronischen Geräts beeinträchtigt die Fahrleistung erheblich und ist damit anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsverstößen gleichgestellt. Doch damit nicht genug! Auch bei Vorliegen entsprechender Vorahndungen kann daher die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines (unbenannten) beharrlichen Pflichtverstoßes in Betracht kommen (KG Berlin, Beschl. v. 04.02.2021, Az.: 3 Ws (B) 6/21 – 122 Ss 2/21, Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 15.09.2020, Az.: 202 ObOWi 1044/20).
Ein Fahrverbot reicht – jedenfalls wenn es uneingeschränkt angeordnet wird – über die Folgen, die einer Entziehung der Fahrerlaubnis innewohnen, hinaus. Das Fahrverbot untersagt neben dem Führen erlaubnispflichtiger Fahrzeuge auch das Führen erlaubnisfreier Gefährte. In seinen Auswirkungen steht es der Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann gleich, wenn es auf das Führen der Fahrzeuge beschränkt wird, deren Inbetriebnahme die entzogene Fahrerlaubnis erlaubt. (OLG Schleswig, Beschluss v. 18.07.2003, Az. 1 SsOWi 92/03 (63/03)
In Bezug auf die Anordnung eines Regelfahrverbots bei Geschwindigkeitsverstößen mit einem privaten Pkw ist festzuhalten, dass Ausnahmen für die Fahrzeuge möglich, die eine bestimmte Führerscheinklasse erfordern. Diesbezüglich sei hier der Fall eines Müllwagenfahrers angeführt, für den die Klasse C des Führerscheins erforderlich ist (z.B. AG Dortmund, Urt. v. 07.03.2024, Az. 729 OWi 148/23).
Das gesetzliche Mindestmaß des Fahrverbots beträgt einen Monat (§ 25 Abs. 1 StVG). Das Höchstmaß beträgt sechs Monate (§ 44 Abs.1 S. 1 StGB). Das Mindestmaß darf nicht unterschritten werden und eine Bemessung nach Wochen oder Tagen kommt nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens in Betracht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2010, Az.: IV-3 RBs 210/10).
Eine Aufteilung in Etappen ist nicht möglich. Dies gilt auch für das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbots aus Opportunitätserwägungen. Da von den Regelungen der BKAtV darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgesehen werden darf, muss das Absehen vom Fahrverbot auf einer eingehenden und nachvollziehbaren, auf Tatsachen gestützten Begründung beruhen (KG Berlin, Beschl. v. 15.12.2020, Az. 3 Ws (B) 289 – 290/20 m.w.N.).
Bei der gemeinsamen Aburteilung von zwei fahrverbotsbewehrten Verstößen ist es indes möglich, nur ein einziges Fahrverbot zu verhängen (siehe hierzu: BGH, Beschl. v. 16.12.2015, Az. 4 StR 227/15).
Will ein Gericht von der Verhängung eines Regelfahrverbots absehen, ist hierfür eine „auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der es im Einzelnen darlegt, welche besonderen Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht es gerechtfertigt erscheinen lassen, vom Regelfahrverbot abzusehen“ (OLG Hamm, Beschl. v. 03.0.2022, Az. 5 RBs 48/22; v. 17.12.2021, Az. 4 RBs 278/21).
Dem AG Dortmund zufolge soll (BayObLG, Beschl. v. 10.05.2021, Az. 201 ObOWi 445/21) “von einem Regelfahrverbot, jedenfalls unter Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV und damit einhergehender Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden können, wenn zwischen der Anlasstat und der Verurteilung ein anderes zweimonatiges Fahrverbot vollstreckt wurde” (AG Dortmund, Urt. v. 06.03.2025, Az. 729 OWi-256 Js 159/25 -16/25).
Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn der Sachverhalt Ausnahmecharakter besitzt und die Verhängung des regelhaften Fahrverbots, selbst bei einer groben bzw. beharrlichen Pflichtverletzung, eine außergewöhnliche, unangemessene oder besondere Härte darstellen würde (OLG Hamm, Beschl. v. 06.10.2020, Az. 4 RBs 321/20). Dabei gilt, dass unzumutbare Härten nur aus rechtlicher Sicht relevant sein können, nicht aber in Hinblick auf das persönliche Befinden des Betroffenen. Gewöhnliche Belastungen, die ein Verzicht auf den Pkw für die Dauer des Fahrverbots mit sich bringt, sind hinzunehmen.
Die Konsequenz der Anordnung eines Fahrverbots ist selbstverschuldet (AG Landstuhl, Urt. v. 02.02.2024, Az. 3 OWi 4211 Js 9376/23 unter Hinweis auf OLG Celle Beschl. v. 26.01.2015, Az. 321 SsBs 176, 177/14).
Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Verhängung des Fahrverbots nicht nur lediglich die Berufsausübung erschwert, sondern insbesondere zu einer massiven Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen führt (z.B. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 26.04.2022, Az. 3 Ss-OWi 415/22; BayObLG München, Beschl.v. 31.07.2019, Az. 202 ObOWi 1244/19). Von einem Fahrverbot darf daher nur abgesehen werden, wenn unter Anlegung strenger Maßstäbe das Fahrverbot eine Härte ganz außergewöhnlicher Art darstellt. Dass der Betroffene im Straßenverkehr noch nicht auffällig geworden ist, genügt hierfür nicht.
Sollte der Verlust des Arbeitsplatzes drohen, muss dies substantiiert vorgetragen werden. Eine Bestätigung des Arbeitgebers ist dabei sachdienlich. Damit das Gericht diese jedoch nicht als bloße Gefälligkeitserklärung des Arbeitgebers wertet, sondern vielmehr hinreichend vom sicheren Eintritt des Arbeitsplatzverlustes zu überzeugt ist, reichen lediglich floskelhafte Aussagen und Formulierungen nicht aus. Schließlich ist damit zu rechnen, dass die Angaben des Betroffenen oder des Arbeitgebers vor Gericht eingehend auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022, Az. 5 RBs 48/22). Die geplante Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch einen ALG-I-Empfänger ist nur dann zur Abwendung eines Fahrverbots geeignet, wenn sie schlüssig – z.B. durch Vorlage entsprechender Unterlagen – nachgewiesen und eine drohende berufliche Härte glaubhaft gemacht werden kann ( AG Dortmund, Urt. v. 04.09.2020, Az. 729 OWi-264 Js 1158/20-104/20).
Nur wenn das Fahrverbot zu einer ganz außergewöhnlichen Härte führen würde, beispielsweise zum Verlust des Arbeitsplatzes oder dem der Existenz eines Selbstständigen, kann von der Verhängung des Fahrverbotes unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden (st. Rspr. des OLG Frankfurt/Main, vgl. z. B. Beschl. v. 26.04.2023, Az. 3 ORbs 69/23).
In einem Beschluss vom 20.01.2025, Az. 2 ORbs 4/25 hat das OLG Frankfurt ausführlich Stellung dazu bezogen, wann eine besondere Härte vorliegen kann, die das Absehen von der Verhängung des Fahrverbots rechtfertigt:
Wörtlich heißt es in dem Beschluss: “Insbesondere vermag der Umstand, dass der Betroffene aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nur dann zu rechtfertigen, wenn die Maßnahme in Bezug auf den Grad des Verstoßes zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art führen würde. Eine derartige Härte kann gegeben sein, wenn die Maßnahme zum belastbar nachgewiesenen Verlust des Arbeitsplatzes oder zur Existenzgefährdung führen würde und diese Folgen nicht durch zumutbare eigene Kompensationshandlungen vermieden werden können. Dazu gehören neben der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel, auch unbezahlter Urlaub, die Einstellung eines Fahrers, oder die Kreditaufnahme zur Finanzierung derartiger Kompensationen. Sonstige berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art sind grundsätzlich als Folge der Tat hinzunehmen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.02.2023 – 1 Ss-OWi 12/23).” Siehe hierzu auch: AG Dortmund, Urt. v. 27.03.2025, Az. 729 OWi-268 Js 298/25-30/25.
Von der Verhängung eines Fahrverbots kann zudem abgesehen werden, wenn es seinen Sinn verloren hat. Dies kann insbesondere dann gegeben sein, „wenn die ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist“ (z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 23.01.2024, Az. 5 ORbs 2987/23) OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2021, Az. (1 B) 53 1 Ss-Owi 334/20 (279/20). Denn „nach mittlerweile gefestigter obergerichtlichen Rechtsprechung [ist] der Sinn des Fahrverbots dann in Frage zu stellen…, wenn die zu ahnende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt“ (s.a. KG Berlin, Beschl. v. 15.12.2021, Az. 3 Ws (B) 204/21; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2021, Az. 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21; Beschl. v. 24.04.2020, Az. (1 B) 53 Ss-OWi 174/20 (104/20); OLG Saarbrücken, Beschl. v. 31.03.2014, Az. Ss (B) 18/2014 (15/14 OWi); OLG Hamm, Beschl. v. 24.03.2011, Az. III-3 RBs 70/10); OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschl. v. 03.08.2011, Az. 2 SsBs 172/11).
Allerdings soll selbst ein ein Zeitablauf von zwei Jahren zwischen Tatbegehung und tatrichterlichem Urteil nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot führen. Wie das OLG Brandenburg in einem Beschluss vom 15.07.2024 ausgeführt hat, beinhaltet der Ablauf eines entsprechenden Zeitraums lediglich einen Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung dazu, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck noch erfüllen kann, geboten ist. Bei einem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es nach Auffassung des Senats besonderer Umstände, um die Notwendigkeit eines Fahrverbots zu begründen (Az. 1 ORbs 134/24; s.a. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.01.2025, Az. 2 ORbs 320 SsBs 725/24).
Dabei ist wichtig, dass ein Fahrverbot hinsichtlich der zu beurteilenden Verkehrsverstöße seiner Funktion nach individuell spezialpräventiv als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme wirken soll (vgl. AG Frankfurt. Urt. v. 17.11.2023, Az. 971 OWi 916 Js 59363/23).
So hat beispielsweise das OLG Schleswig mit Beschluss vom 22.07.2021, Az. I OLG 135/21 entschieden, dass ein Fahrverbot als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme nicht mehr geboten ist, wenn zwischen der Anordnung und dem Urteil ca. 4,5 Jahre vergangen sind. S.a. AG Aschersleben, Urt. v. 20.02.2023, Az.62 OWi 29/22.
Laut dem Kammergericht Berlin, steht wenn gegen den Betroffenen erst nach der zu ahndenden Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot verhängt wird, dies dem sog. Erstverbüßerprivileg entgegen (§ 25 Abs. 2a Alt. 2 StVG). Liegen demzufolge zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung weniger als zwei Jahre, besteht für das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich kein Anlass, die tatrichterliche Bewertung, das durch die BKatV indizierte Fahrverbot sei noch erforderlich, zu beanstanden. Wenn der der Tatrichter vom Fahrverbot wegen langer Verfahrensdauer absieht, so bedarf dies gegebenenfalls einer Bewertung, ob der Betroffene oder sein Verteidiger diesen Zeitablauf zu „vertreten“ haben. Ergaben sich Verzögerungen etwa aus abredewidrigem Verteidigerverhalten, so bedürfte das Absehen vom Fahrverbot einer eingehenden Begründung (Beschl. v. 07.02.2025, Az. 3 ORbs 11/25, 3 ORbs 11/25 – 122 SsBs 2/25).
Ein Absehen vom Fahrverbot ist auch möglich, wenn besondere Ausnahmeumstände gegeben sind, so dass erkennbar nicht der von § 4 BKatV erfasste Normalfall vorliegt.
So war es im Fall einer Baustellenlichtzeichenanlage, die rechts von der nicht abgedeckten außer Betrieb gesetzten Lichtzeichenanlage stand. Da diese von ihrem Erscheinungsbild, ihrer Größe und der weißen Umrandung der Wechsellichtzeichen, das Blickfeld dominierte, konnte die kleinere, etwas rechtsstehende Baustellenampel leicht übersehen werden (AG Mettmann, Urt. v. 06.02.2020, Az. 32 OWi – 923 Js 1085/19). Das BayObLG München, hat mit Beschluss vom 13.12.2021, Az. 201 ObOWi 1543/21 festgestellt, dass „insbesondere im Falle einer einspurigen Verkehrsführung an einer Baustellenampel … die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet sein (kann)”.
Entscheidend ist jedoch, dass der Verstoß in seinem Gewicht den vom Regelfall erfassten üblichen Begehungsweisen entspricht, d.h. das Verhalten des Betroffenen in der Gesamtschau die Annahme des Regelbeispiels rechtfertigt (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.03.2018, Az. 1 OWi 2 Ss Bs 107/18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.07.1999, Az. 2a Ss (OWi) 197/99). Bei einem Absehen vom Fahrverbot wegen eines „Frühstarts“ oder „Mitzieheffekts“ setzt voraus, dass der Betroffene zu früh angefahren bzw. anderen Fahrzeugführern gefolgt ist (KG Berlin, Beschl. v. 25.07.2019, Az. 3 Ws (B) 228/19)
Schließlich kann von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden, wenn die betroffene Person derart hinreichend beeindruckt ist, dass sie penibel darauf achten wird, sich im Verkehr nicht mehr auffällig zu verhalten (AG Landstuhl: Urt. v. 23.11.2021, Az. 2 OWi 4211 Js 10706/21).
Fahrverbote können nicht nur aufgrund von Verkehrsdelikten verhängt werden!
Im Bereich der allgemeinen Kriminalität kann ein Fahrverbot verhängt werden, wenn es „zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann“ (§ 44 Abs.1 S. 2 StGB).
Übrigens: Die Warnungs- und Besinnungsfunktion des § 44 StGB ist auch noch knapp zwei Jahre nach der Tatbegehung erforderlich, wenn der Täter sein Fahrzeug in besonders schwerwiegender Weise im Straßenverkehr missbraucht hat (OLG Hamm, Beschl. v. 10.03.2022, Az. 4 RVs 2/22).
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