Für Handy, Tablett, Navigationsgeräte usw. gibt es zahlreiche Anwendungen, die installiert werden können, um den Nutzer vor Verkehrsüberwachungsanlagen zu warnen.
Diese sogenannten „Blitzer-Apps“ gleichen dabei den Standort des Nutzers mit den bekannten Standorten von Verkehrsüberwachungsanlagen ab – meist mittels GPS-Signal. Wenn sich der Nutzer dem Standort eines Blitzers nährt, wird er mit einem akustischen und/oder optischen Signal auf eine vorhandene Verkehrsüberwachungsanlage hingewiesen, damit er seine Fahrgeschwindigkeit rechtzeitig anpassen kann, um nicht geblitzt zu werden.
Bei stationären Messanlagen werden die Apps als relativ zuverlässig eingestuft. Bei mobilen Messanlagen dagegen hängt die Zuverlässigkeit von den Rückmeldungen der Nutzer ab, sobald sie eine solche Messanlage wahrnehmen.
Mit der StVO-Novelle, die am 28.04.2020 in Kraft trat, wurde die aktive Nutzung solcher Apps durch den Fahrer ausdrücklich verboten. Bei einer Zuwiderhandlung drohten 75 Euro Bußgeld sowie ein Punkt im Fahreignungsregister.
Die Nutzung der App des Beifahrers ist ebenfalls verboten!
Daran, dass der Fahrzeugführer selbst keine App nutze durfte, war von Anfang an unbestritten. Der Einsatz einer App durch eine mitfahrende Person befand sich indes in einer Grauzone.
Ein Urteil des AG Heidelberg (Az. 15a OWi 570 Js 13458/22 v. 07.10.2022) sowie ein Beschluss des OLG Karlsruhe (Az. 2 ORbs 35 Ss 9/23 v. 07.02.2023) haben diese jetzt beseitigt.
In dem zu beurteilenden Sachverhalt lag das Mobiltelefon der Beifahrerin – mit geöffneter Blitzer-App – in der Mittelkonsole des Fahrzeugs. Angesichts der Fahrweise ging nicht nur der kontrollierende Polizeibeamte, sondern später auch das Gericht davon aus, dass die App dabei eine Rolle gespielt hatte.
Die Einlassung des Betroffenen, er habe nichts von der eingeschalteten App gewusst, sondern er sei davon ausgegangen, das Telefon habe sich nur zum Zwecke des Aufladens in der Mittelkonsole befunden, änderten daran nichts. Ob dies anders gewesen wäre, wenn der Fahrer das Mobiltelefon nicht zur Seite geschoben und seine Beifahrerin die versucht hätte den Bildschirm zu verdecken, bleibt offen.
Zunächst stellte das AG Heidelberg fest, dass es sich bei dem Mobiltelefon um ein betriebsbereites technisches Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen im Sinne des § 23 Abs. 1c S. 1 StVO (vgl. dazu ausführlich OLG Rostock, Beschluss vom 22.02.2017 – 21 Ss OWi 38/17 m.w.N.), gehandelt hat.
Dass das Handy der Beifahrerin gehörte, machte den Fall kompliziert!
Die Herausforderung für das Gericht bestand darin zu klären, ob der Fahrer das Mobiltelefon seiner Begleiterin im Sinne der Norm „mitgeführt“ hatte.
Zunächst arbeitete das Gericht – unter Rückgriff auf § 30a BtMG – kreativ heraus, dass ein “mit-sich-Führen” eines Gegenstandes immer dann vorliege, “wenn der Täter ihn bei der Tat bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann, er sich also in seiner Griffweite befindet”. Weiterhin nahm es Rückgriff auf § 244StGB und das Tatbestandsmerkmal “bei-sich-Führen”. Entscheidend war dabei nicht der Zugriff an sich, sondern die jederzeitige Möglichkeit dazu. Bei dem Mobiltelefon sah das Gericht dies als gegeben an.
Das alleine schien dem Gericht jedoch nicht zu reichen. Jedenfalls ordnete es das Mobiltelefon in einem nächsten Schritte als Ladung ein, die ein Fahrzeugführer während der gesamten Fahrt dabei hat und für deren Sicherheit er – unabhängig davon, wem sie gehört – verantwortlich ist und hinsichtlich derer zumindest eine Möglichkeit zur Nutzung besteht. Ob eine tatsächliche, d.h. haptische Zugriffsmöglichkeit besteht, war für das Gericht irrelevant.
Der Fahrzeugführer konnte das Gerät – durch die Wahrnehmung der Warnungen – nutzen!
Zur Reichweite des § 23 Abs. 1 c StVO hat das AG Heidelberg ausgeführt wie folgt:
„Die Vorschrift verfolgt den Zweck, zu verhindern, dass Fahrer sich über Geschwindigkeitsbeschränkungen bewusst hinwegsetzen, weil sie vor Geschwindigkeitsmessungen gewarnt werden und damit entsprechend an den jeweiligen Stellen die Geschwindigkeit auf das zulässige Maß reduzieren können. So soll verhindert werden, dass die generalpräventive Wirkung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen unterlaufen wird. Dabei kann es aber keinen Unterschied machen, ob das in der Mittelkonsole befindliche Handy, auf dem die App geöffnet ist, von dem Fahrer oder von dem Beifahrer in Kenntnis des Fahrers dorthin gelegt wurde.
Würde diese Konstellation von der Vorschrift nicht umfasst, gäbe es eine Regelungslücke und weitreichende Möglichkeiten zur Umgehung. Zudem gäbe es dann Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung, weil von den kontrollierenden Personen oft nur schwer festgestellt werden könnte, wem das Mobiltelefon gehört und in der Regel bei mehreren Fahrzeuginsassen nicht festgestellt werden könnte, wer die App geöffnet und das Mobiltelefon dort platziert hat. Nach Sinn und Zweck kann es also nur darauf ankommen, dass das Smartphone so in dem Fahrzeug platziert ist, dass die Signale der App akustische, visuell oder auf sonstige Weise wahrnehmbar sind. Auch in der vorliegenden Konstellation ist deshalb ein Mitführen gegeben.“
Das OLG Karlsruhe hat dies bestätigt.
In dem gerichtlichen Leitsatz des Beschlusses vom 07.02.2023 (Az. 2 ORbs 35 Ss 9/23) heißt es:
„Ein durch § 23 Abs. 1 c Satz 3 StVO verbotenes Verwenden der zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten Funktion eines technischen Geräts, das auch zu anderen Nutzungszwecken verwendet werden kann, liegt auch dann vor, wenn ein anderer Fahrzeuginsasse mit Billigung des Fahrzeugführers auf seinem Mobiltelefon eine App geöffnet hat. mit der vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gewarnt wird.“
Übrigens:
Der Rechtsprechung zufolge, kann nur durch die Vernichtung des Radarwarngeräts eine bestimmungsgemäße Verwendung und damit eine erneute Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unterbunden werden (z.B. VGH München, Beschl. v. 17.04.2019, Az. 10 ZB 19.478; VG Aachen Urt. v. 02.06.2003, Az. 6 K 1283/99; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.10.2002, Az. 1 S 1925/01; VG Karlsruhe, Urt. v. 11.07.2001, Az. 3 K 187/01).