Die spezifische Tiergefahr besteht in dem gefährlichen Ausbruch der tierischen Natur, d.h. in der von keinem vernünftigen Wollen geleiteten Entfaltung der tierischen Kraft, in der selbständigen Entwicklung einer nach Wirkung und Richtung nicht berechenbaren tierischen Energie (BGH, Urt. v. 11.06.2024, Az. VI ZR 381/23).
Der Bundesgerichtshof sowie die Instanzgerichte bejahen die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 833 S. 1 BGB, wenn der Schaden durch ein der tierischen Natur entsprechendes selbsttätiges, auf der Unvernunft des Tieres beruhendes Verhalten herbeigeführt worden ist (z.B. BGH, Urt. v. 25.03.2014, Az. VI ZR 372/13, m.w.N.). Umgekehrt ist die Tiergefahr nicht verwirklicht, es bei dem Geschehen an einer “Beteiligung der Energie des Tieres” fehlt (BGH, Urt. v. 31.05.2016, Az. VI ZR 465/15).
Dies ist z.B. dann der Fall, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (BGH, Urt. v. 20.12.2005, Az. VI ZR 225/04)
Nein; der gängigen Rechtsprechung zufolge muss das das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache des Schadens sein, eine adäquate Mitverursachung ist ausreichend (BGH, Urt. v. 06.07.1999, Az. VI ZR 170/98; für viele OLG Brandenburg, Urt. v. 17.01.2008, Az. 12 U 94/07).
Der Schaden muss nicht unmittelbar herbeigeführt worden sein. Es genügt ein mittelbarer Zusammenhang (OLG Braunschweig, Urt. v. 30.04.2015, Az. 8 U 66/13; LG Bonn, Urt. v. 28.09.2012, Az. 15 O 117/12; OLG Schleswig, Urt. v. 15.11.1988, Az. 1 U 162/84). Ein solcher mittelbarer ursächlicher Zusammenhang liegt z. B. vor, wenn ein Mensch durch das Verhalten eines Tieres in Angst und Schrecken versetzt wird, infolge dessen stürzt und sich verletzt (OLG Schleswig, a. a. O.; OLG Nürnberg Urt. v. 08.02.1991, Az. 6 U 2394/90; OLG Köln, Urt. v. 05.11.1998, Az. 1 U 51/98).
Der Zurechnungszusammenhang ist erst unterbrochen, wenn die Reaktion des Betroffenen als nicht mehr durch das Gebaren des Tieres verursacht angesehen werden kann, weil sie völlig ungewöhnlich und damit durch das haftungsbegründende Ereignis nicht mehr herausgefordert ist (z.B. OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.01.2022, Az. 4 U 51/21; OLG München, Urt. v. 13.01.2021, Az. 10 U 4894/20).