Die Betriebsgefahr umschreibt die sogenannte Gefährdungshaftung. Diese besteht verschuldensunabhängig für die Gefahren, die beim Betrieb von einem Kraftfahrzeug ausgehen. „Sie ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird“ (BGH Urt. v. 26.02.2013, Az. VI ZR 116/12). Der Schaden muss in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Betriebsvorrichtung sowie mit einem Betriebsvorgang des Kfz stehen (BGH, Urt. v. 21.01.2014, Az. VI ZR 253/13). Der Schaden kann direkt und unmittelbar durch das Kraftfahrzeug aber auch z.B. durch herabfallende Ladung wie Splittersteine verursacht werden (z.B. OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.07.2019, Az. 4 U 102/17).
In einer Entscheidung vom 21.01.2014 (Az. VI ZR 253/13) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, der Schutzzweck des § 7 StVG greife erst dann nicht mehr ein, „wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spiele. Hieraus ergebe sich jedoch nicht, dass der ursächliche Zusammenhang von Schadensereignis und Betrieb des Kraftfahrzeuges durch den Zeitraum zwischen Beginn und Ende einer Fahrt begrenzt werde. Spezifische von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren könnten ebenso aus den für die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeuges erforderlichen Betriebseinrichtungen erwachsen, was auch nach dem Abstellen des Kraftfahrzeuges gelte.“
Eine Haftung aus Betriebsgefahr kommt auch in Betracht, wenn ein Fahrzeug in verkehrswidriger Weise hält oder parkt und eine durch pflichtwidriges Abstellen verursachte Gefahrenlage für den Verkehr noch fortwirkt (BGH, Urt. v. 25.10.1994, Az. VI ZR 107/94). Allerdings muss ein sogenannter Zurechnungszusammenhang bestehen.
Eine Haftung kann allerdings auch in Betracht kommen, wenn ein Fahrzeug aufgrund seines Aufbaus (hier: Sattelauflieger) besonders anfällig gegenüber Seitenwind ist. Der BGH hat hier eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs gesehen, die bei wertender Betrachtung ebenfalls vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung erfasst wird (Urt. v. 11.02.2020, Az. VI ZR 286/19).
Konkret bedeutet dies, dass eine Haftung nur dann eintritt, wenn das Schadensereignis dem Betrieb des Kraftfahrzeugs nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung zugerechnet werden kann. An diesem Zusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahr ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Dies gilt insbesondere für Schäden, in denen sich ein gegenüber der Betriebsgefahr eigenständiger Gefahrenkreis verwirklicht hat (BGH vom 26.3.2019, Az. VI ZR 236/18; BGH vom 2.7.1991, Az. VI ZR 6/91; LG Lübeck, Urt. v. 06.09.2024, Az. 10 O 72/24).
Die von dem Betrieb eines Schädigerfahrzeugs ausgehende Gefahr kann sich jedoch auch dann verwirklichen, wenn sich der Eigentümer eines Unfallgeschädigten Pkw in unmittelbarer Nähe befindet und das sich mit geringer Geschwindigkeit entfernende Schädigerfahrzeug nicht durch geeignete Maßnahmen daran gehindert wird, sich der Unfallstelle weiter zu nähern. In einem weiteren Fall wurde ein Fahrzeug zu Fuß verfolgt und der Geschädigte beim Klopfen gegen die Scheibe des Schädigerfahrzeugs zu Fall gebracht (OLG Hamm, Urt. v. 24.08.2018, Az. I-7 U 23/18). Entscheidend waren hier sowohl das Unfallgeschehen als solches und die nachfolgende Unfallflucht.
Einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.09.20219, AZ. VI ZR 236/18 zufolge, muss der Eintritt des Schadens nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen der Zurechnung der Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG nicht entgegen stehen.
,Allerdings gilt dies nur, wenn die beim Betrieb geschaffene Gefahrenlage solange fort- und nachgewirkt hat. Ein Sorgfaltspflichtverstoß eines mit der Schadensbeseitigung beauftragten Dritten unterbricht den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang in der Regel nicht.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Mitarbeiter einer Werkstatt ein unfallbeschädigtes Fahrzeug in der Werkstatt abgestellt. Dabei zog er zwar den Schlüssel, klemmte die Batterien aber nicht ab. In der darauffolgenden Nacht kam es gegen 0.30 Uhr zu einem Kurzschluss am zum
Kühlerlüfter-Motor führenden Leitungssatz, der durch die mechanische Einwirkung auf die
elektrischen Leiter in Folge des Unfallgeschehens ausgelöst wurde. Dis führte zu einem großflächigen Brand in der Werkstattgarage mit einem Übergreifen des Feuers auf das benachbarte Wohnhaus. Der BGH ordnete die Schadensursache dem Betrieb des Fahrzeug zu und verurteilte den Kfz-Haftpflichtversicherer zur Leistung.
Im Einzelfall ist entscheidend, dass keine Situation vorliegt, bei der die Gefahr nicht über das hinausgeht, was im täglichen Zusammenleben ohnehin unter Billigung der Rechtsordnung an Gefahren hingenommen werden muss und der Schaden als Verwirklichung des sog. allgemeinen Lebensrisikos zu bewerten ist oder aber sich letztlich bei wertender Betrachtung eine Selbstgefährdung des Geschädigten verwirklicht.
So hat z.B. das OLG Stuttgart (Beschl. v. 07.08.2012, Az. 13 U 78/12) einen Anspruch für den Ersatz von Gesundheitsschäden verneint, nachdem eine Geschädigte sich in den Räumen einer in der Nähe der Unfallstelle befindlichen Apotheke befand, “ruckartig umgedreht hatte, nachdem sie von einer weiteren Kundin der Apotheke erfahren habe, dass jemand gegen ihr geparktes Fahrzeug gefahren sei und anschließend, ohne anzuhalten, weitergefahren sei.” Das Gericht konnte hier keinen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall und den Gesundheitsschäden erkennen.
Im Fall einer in Brand geratenen Halle hat das LG Oldenburg (Oldenburg) mit Urteil vom 12. August 2020, Az. 13 O 245/20 im Sinne des Versicherungsnehmers konstatiert, dass nach dem „Sinn und Zweck der Kfz-Haftpflichtversicherung … in Fällen, in denen beim Schweißen zur Reparatur eines Kfz eine Halle in Brand gerät, unter Zugrundelegung eines weiten Gebrauchsbegriffs der Kfz-Haftpflichtversicherung nach wie vor von einem Fahrzeuggebrauch auszugehen (ist), sodass der selbst schweißende Versicherte Versicherungsschutz genießt.“
Aktualisiert am 15.10.2024