hello world!
hello world!

Aufklärungspflicht auch ohne Nachfrage?

Landgericht Lübeck, Urteil vom 08.05.2025, Az. 3 O 150/21

Wer ein in der eigenen Werkstatt repariertes Fahrzeug verkauft, ohne den Käufer in der Verkaufsverhandlung über vorherige Schäden aufzuklären, kann eine arglistige Täuschung begehen!
Autoren
Informationen
16.05.2025
ca. 3 Minuten
Kategorien
Sportwagen und Aufklärungspflicht

Der hier zugrundeliegende Fall begann damit, dass der spätere Kläger im Dezember 2018 einen gebrauchten Sportwagen kaufte. Der Ärger begann, als die Abgaskontrollleuchte wiederholt aufleuchtete und sich herausstellte, dass das Fahrzeug bereits umfassende Reparaturen hinter sich hatte. Fallentscheidend war, dass der Verkäufer den Käufer nicht über diese Reparaturen aufgeklärt hatte, obwohl er davon wusste.

In dem Prozess ging es daher um die Frage, ob der Verkäufer seine Aufklärungspflicht verletzt und den Käufer getäuscht hatte.

Der Betrieb des Verkäufers hatte das Fahrzeug mehrfach repariert.

Da der vorherige Halter es mehrfach dort hatte reparieren lassen, waren dem Betrieb das Fahrzeug und seine Vorgeschichte gut bekannt. Dabei waren der Turbolader, der Katalysator, die Kupplung, der Rumpfmotor und die Kühlmittelpumpe ersetzt worden. Von marginalen Reparaturen konnte daher keine Rede sein.

Als die Abgaskontrollleuchte des Fahrzeugs im September 2019 erstmals aufleuchtete, brachte der Käufer es in eine Vertragswerkstatt des Herstellers. Die Werkstatt las den Fehlerspeicher aus, behielt das Fahrzeug zur Durchsicht und sorgte dafür, dass die Lampe nicht wieder aufleuchtete. Die Freude währte allerdings nicht lange. Denn als der Käufer zu Hause ankam, leuchtete die Kontrollleuchte erneut.

Nach Rücksprache mit dem Verkäufer und auf dessen Empfehlung ließ der Käufer das Fahrzeug näher untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass das Fahrzeug bei 7.000 km neue Kolben, bei ca. 35.000 km einen neuen Turbolader und bei ca. 65.000 km einen Austauschmotor erhalten hatte.

Der Käufer fühlte sich getäuscht!

Der Käufer fühlte sich getäuscht und forderte die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Da keine Einigung mit dem Verkäufer zustande kam, klagte der Käufer auf Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises sowie Anwaltskosten und Zinsen.

Er begründete dies insbesondere damit, dass der Verkäufer durch das Verschweigen der Vorschäden eine arglistige Täuschung begangen habe.

Umfassende Reparaturen müssen mitgeteilt werden!

Das Gericht gab dem Käufer Recht. Durch das Verschweigen der ihm bekannten, außergewöhnlichen Reparaturhistorie, hatte er den Käufer arglistig getäuscht (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ob der Käufer gezielt danach gefragt hatte, spielte dabei keine Rolle. Denn angesichts des außergewöhnlichen Reparaturumfangs durfte ein verständiger Käufer in dieser Konstellation eine Aufklärung erwarten. Jedenfalls bestand für den Verkäufer eine sogenannte ungefragte Offenbarungspflicht.

Der Einbau von Neuteilen ist rechtlich unbeachtlich!

Dass der Einbau von Neuteilen keinen Sachmangel darstellt, sondern den Wert des Fahrzeugs möglicherweise sogar erhöht hat, war für die rechtliche Bewertung unerheblich. Entscheidend war, dass § 123 BGB die Entscheidungsfreiheit des Käufers schützt und nicht allein die Mangelfreiheit (vgl. OLG München, Urt. v. 13.8.2003, Az.3 U 2888/03; s.a. OLG Celle, Urt. v. 19.12.2012, Az. 7 U 103/102).

Maßgeblich war, ob der Käufer das Fahrzeug in Kenntnis der Reparaturhistorie gekauft hätte. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ohne entsprechende Anhaltspunkte keine Pflicht besteht, ein Gebrauchtfahrzeug auf Unfallschäden zu untersuchen und dazu die Reparaturhistorie bei der zentralen Datenbank des Herstellers abzufragen (BGH, Urteil vom 19.06.2013, Az. VIII ZR 183/12). Hier verhielt es sich jedoch anders, weil die Reparaturen beim Verkäufer selbst erfolgt waren und ihm bekannt sein mussten.

Wer trotz Kenntnis nicht aufklärt, handelt arglistig!

Das Gericht war der Überzeugung, dass der Verkäufer durch seine Mitarbeiter arglistig gehandelt hatte.

Arglistig handelt ein Verkäufer, wenn er einen möglichen Mangel kennt und dennoch verschweigt. Die Kenntnis der Mitarbeiter ist dem Verkäufer nach § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen. Es handelt sich nicht um Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. Auch der zeitliche Abstand der Reparaturen von drei bis vier Jahren ist unerheblich, da es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und die damit verbundene Entscheidungsfreiheit ankommt.

Da der Verkäufer die Reparaturhistorie kannte, hat er es zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Vertrag in Unkenntnis dieser Umstände geschlossen wurde.

Nach der mündlichen Verhandlung und der persönlichen Anhörung des Klägers war das Gericht davon überzeugt, dass der Käufer das Fahrzeug bei Kenntnis der Reparaturhistorie nicht bzw. nicht zu diesem Preis erworben hätte.

Der Verkäufer musste das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis – abzüglich gezogener Nutzungen – zurückzahlen.

Fazit

Liegen Tatsachen vor, die – wie hier die außergewöhnliche Reparaturhistorie – für einen Kaufinteressenten entscheidungserheblich sein können, besteht für den Verkäufer im Zweifel eine Offenbarungspflicht.

Wer als Verkäufer in einer derartigen Konstellation schweigt, darf sich nicht wundern, wenn ihm eine vorsätzliche Täuschung vorgeworfen wird und der Käufer den Vertrag wirksam anfechten kann.

Sollten Sie Fragen zur Offenbarungspflicht haben oder sollte Ihnen eine Verletzung der Offenbarungspflicht vorgeworfen werden, kontaktieren Sie uns!

Voigt regelt!

FAQ

Bildnachweis: MarleneBitzer / Pixabay

Beitrag teilen bei
Zurück zur Übersicht
calendar-fullhistorymagnifiercrossWordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner