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Ungarische Mautgebühren verstoßen (nicht) gegen den Ordre pu­blic!

Seit etwa 2018 werden Ansprüche von ungarischen Mautbetreibern wegen nicht gezahlter Maut wegen fehlender Vignetten  systematisch vor deutschen Gerichten gegenüber dem Halter und nicht dem Fahrer des betroffenen Fahrzeugs geltend gemacht. Die Frage lautete: War das rechtens?
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21.05.2021
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Seit etwa 2018 werden Ansprüche von ungarischen Mautbetreibern wegen nicht gezahlter Maut wegen fehlender Vignetten  systematisch vor deutschen Gerichten gegenüber dem Halter und nicht dem Fahrer des betroffenen Fahrzeugs geltend gemacht.

Mautbetreiber favorisieren den fingierten Vertragsschluss

Hintergrund ist die Verordnung des ungarischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr Nr. 36/2007 (III.26.) GKM über die Maut für Autobahnen, Autostraßen und Hauptstraßen. Nach ungarischem Recht haftet für die festgelegten Gebühren der eingetragene Halter des Fahrzeugs, was sich aus § 15 II des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes ergibt.
Gegen eine solche Klage werden regelmäßig eine Vielzahl von Einwendungen erhoben.
Teilweise wird vertreten, dass in solchen Streitigkeiten der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Dies dürfte allerdings nicht zutreffend sein, da in der Mautverordnung die zivilrechtliche Ausgestaltung klar festgelegt ist (vgl. EuGH vom 09.03.2017, Pula Paring Rs C-551-17).
Auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte dürfte aufgrund von Art.4 I i.V.m. Artikel 63 I Brüssel Ia-VO Nr. 1215/2012 gegeben sein.

Von daher könnte durchaus ein Verstoß gegen die Ordre-Public-Klausel des Art. 6 EGBGB vorliegen. Sofern dem Halter ein Vertragsabschluss auf Nutzung der Autobahn unterstellt wird – ohne das er das Fahrzeug tatsächlich gefahren hat – läge eine fingierte vertragliche Halterhaftung vor, die dem deutschen Zivilrecht unbekannt ist.

Ein Grundsatz des deutschen Straf- und Bußgeldverfahrens ist das Schuldprinzip. Danach kann nur derjenige verantwortlich gemacht werden, der die vorgeworfene Tat auch begangen hat. Im deutschen Recht muss daher immer der Fahrzeugführer ermittelt werden. Eine Halterhaftung gibt es im deutschen Recht lediglich für Verstöße gegen Park- und Halteverbote. Eine gerichtliche Geltendmachung bzw. Vollstreckung ist daher besonders kritisch unter die Lupe zu nehmen, wenn es um Forderungen aus europäischen Mitgliedsstaaten geht, die eine umfassende Halterhaftung kennen, wie z.B. Ungarn. Das deutsche Schuldprinzips steht einer Verurteilung aber entgegen, so dass keine Entscheidungen vollstreckt werden dürfen, wenn keine Tatverantwortlichkeit vorliegt.

In der Rechtsprechung ist die Frage der Ordre-Public-Klausel streitig. Das LG Nürnberg-Fürth hat in einer Entscheidung vom 30.07.2019 Az. 16 S 9176/18 die Auffassung vertreten, dass dieser Vorbehalt nicht greift und eine Berufung darauf unzulässig ist. Diese Entscheidung wird im Rahmen von Klagen von den Mautbetreibern auch regelmäßig zitiert.

Kein Vertrag ohne Vignette

Allerdings ist mittlerweile zweitinstanzlich ein Urteil des LG München I vom 04.02.2021, Az. 31 S 10317/20 ergangen. Das LG München I ist der Auffassung, dass durch die Benutzung der ungarischen Autobahnen ohne die erforderliche Vignette ein Vertrag zwischen dem Gebührengläubiger und dem Halter grundsätzlich nicht begründet wird. Dabei würde es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter handeln. Ein Vertrag zu Lasten Dritter, durch den der Dritte ohne seine Mitwirkung unmittelbar vertraglich verpflichtet wird, sei mit der Privatautonomie und auch mit den Regelungen im BGB nicht vereinbar. Aufgrund der beiden divergierenden Entscheidungen hat das LG München I die Revision zugelassen.

Der BGH hat entschieden!

Der Bundesgerichtshof hat sein Urteil am 28.09.2022 (Az. XII ZR 7/22) verkündet.

Wörtlich heißt es in dem Urteil:

a) Die nicht vorab entrichtete ungarische Straßenmaut kann gegen einen inländischen Halter des Fahrzeugs vor den deutschen Zivilgerichten geltend gemacht werden.

b) Die Bestimmungen des ungarischen Rechts verstoßen weder hinsichtlich der in § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes angeordneten alleinige Schuldnerschaft des Fahrzeughalters noch hinsichtlich der in § 7/A Abs. 10 und Anlage 1 der Mautverordnung bestimmten Grundersatzmaut sowie der erhöhten Zusatzgebühr gegen den deutschen ordre public.

c) Fremdwährungsschulden sind als solche, also in fremder Währung, einzuklagen; eine auf die falsche Währung gerichtete Zahlungsklage ist abzuweisen (im Anschluss an BGH Urteil vom 29. Mai 1980 – II ZR 99/79 – NJW 1980, 2017).


 Aktualisiert am 07.11.2022

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