Es kommt darauf an. Die Haftpflichtversicherung ist gemäß § 1 PflVersG verpflichtend abzuschließen. Sie leistet Ersatz für Sach- und Personenschäden, die durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs verursacht werden. Der Umfang richtet sich nach den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen.
Die Kaskoversicherung ist eine freiwillige Versicherung. Sie deckt die Schäden an dem versicherten Fahrzeug ab, für die anderweitig kein Ersatz verlangt werden kann. Ob und in welchem Umfang Ansprüche des Versicherungsnehmers bestehen, richtet sich dabei nicht nach den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen, sondern nach den Bedingungen des Vertrags.
Diese sind übrigens nicht einheitlich, denn die Inhalte der Kaskoversicherung können sich selbst innerhalb eines Unternehmens gravierend voneinander unterschieden. Zudem ist entscheidend, ob eine Teil- oder eine Vollkaskoversicherung besteht.
Die Vollkaskoversicherung muss Schäden, die in Zusammenhang mit einem Reifenplatzer stehen, nur ersetzen, wenn diese als Unfallschäden zu werten sind. Den aktuellen Musterbedingungen des GDV zufolge ist dies der Fall, wenn der Schaden durch ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis
verursacht worden ist (AKB 2015, A.2.2.2.2).
Schäden, die auf den normalen Betrieb des Fahrzeugs zurückzuführen sind, insbesondere solche die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entsteh(en), ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kraftfahrzeugs gehören
sind von der Kaskoversicherung nicht gedeckt (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 31.03.2016, Az. 8 O 7495/15). Der BGH hat dies in einer Entscheidung vom 23.10.1968 (Az. IV ZR 515/68) so definiert, dass derartige Schäden Auswirkungen des normalen Betriebsrisikos sind, die in Kauf zu nehmen sind.
Die Teilkaskoversicherung leistet nur, für Schäden, die auf Brand und Explosion, Entwendung, Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung, Zusammenstöße mit Haarwild, Glasbruch oder Kurzschlussschäden an der Verkabelung zurückzuführen sind. Bei einem Unfall könnten dann z.B. ein Anspruch auf den Ersatz für zerbrochene Gläser und Scheiben bestehen. Bedingungsabhängig bestehen allerdings auch hier erhebliche Leistungsunterschiede.
Wenn ein Fahrzeug durch Reifenteile beschädigt wird, nachdem der Reifen ohne erkennbare Auswirkung von außen geplatzt ist, sind diese Schäden als – nicht ersatzfähiger – Betriebsschaden einzustufen. (OLG Hamm, Urt. v. 15.11.2013, Az. I-20 U 83/13; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.09.1997, Az. 4 U 112/96; AG Düren, Urt. v. 16.05.2007, Az. 45 C 113/07).
Der Geschädigte muss dann beweisen, dass die Ursache für das Platzen des Reifens nicht im Reifen selbst liegt, sondern dass ein plötzlich von außen mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis, wie z.B. das Überfahren eines Gegenstandes, die Ursache war (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 29.06.2018, Az. 14 U 97/16). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Geschädigte, sofern er über eine Vollkaskoversicherung verfügt, gegen den Versicherer einen Anspruch auf Ersatz der Schäden hat, die das Fahrzeug durch das Abkommen von der Fahrbahn und die Kollision mit der Leitplanke erlitten hat. Etwaige Schäden durch sich lösende Reifenteile dürften angesichts des Totalschadens des Totalschadens jedoch nicht weiter ins Gewicht fallen.
Wer einen unfallbedingten Reifenschaden erleidet und die Fahrt mit den beschädigten Reifen fortsetzt und dadurch den Schaden vergrößert, muss sich nicht wundern, wenn der Versicherer grobe Fahrlässigkeit einwendet und den Ersatz des vergrößerten Schadens verweigert (z.B. AG Mainz v. 07.08.2008, Az. 83 C 98/08).
Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 17.12.2020, Az. 9 U 124/18 klargestellt, dass die – in Vollkaskoversicherungsbedingungen üblichen – unterschiedlichen Erläuterungen des Begriffs “Unfall” nichts daran ändern, dass ein Schaden, der dadurch entsteht, dass ein auf der Fahrbahn liegender Fremdkörper in den Reifen eindringt, als Unfall im Sinne der Vollkaskoversicherungsbedingungen anzusehen ist. Er begründet dies damit, dass dann, wenn man dem Begriff des “Betriebsvorgangs” eine eigenständige – den Unfallbegriff einschränkende – Bedeutung beimessen würde, eine solche Einschränkung wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam wäre.
Wörtlich heißt es daher in dem Urteil: “Wenn ein Reifen während der Fahrt durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. (Vgl. entsprechend zu einem Schaden, der durch einen im Motor befindlichen Fremdkörper verursacht wird, BGH, Urt. v. 06.02.1954, Az. II ZR 65/53). Dabei kann dahinstehen, ob der Fremdkörper (ein spitzer Stein oder beispielsweise ein Nagel) auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich schon vorher ein Fremdkörper im Reifen befindet, der während der Fahrt tiefer in den Reifen eindringt, so dass erst dadurch ein plötzlicher Druckverlust – oder ein Reifenplatzen – erfolgt. In jedem Fall handelt es sich um eine Einwirkung von außen, die unmittelbar und plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt (BGH, a. a. O.; LG Karlsruhe, Urt. v. 20.08.2013, Az. 9 O 95/12).”
Platzt der Reifen dagegen während der Fahrt allein aus “inneren” Gründen (bereits bestehender Reifenschaden, fehlerhafte Montage, falscher Luftdruck), liegt kein Unfall vor, für den Vollkaskoversicherungsschutz besteht. Die Beweislast für das Vorliegen eines Unfalls liegt beim Versicherungsnehmer.
Hinzu kommt, dass nicht jeder Schaden, der auf einem Ereignis beruht das kausal auf einen ein Reifenschaden zurückgeführt werden kann, auch als Unfallschaden im versicherungstechnischen Sinne gewertet werden kann. So dürfte ein Unfallschaden z.B. regelmäßig ausscheiden, wenn ein Zugfahrzeug und ein Wohnwagen, die infolge eines Reifenschadens ins Schleudern geraten, sich gegenseitig beschädigen. Das Ausscheiden eines Unfallschadens beruht dann darauf, dass die mechanische Einwirkung der beiden Fahrzeuge aufeinander stellt keine Einwirkung von außen darstellt (z.B. OLG Nürnberg, Urt. v. 21.02.1991, Az. 8 U 2803/90; OLG Hamm, Urt. v. 21.04.1989, Az. 20 U 255/88).
Die Abgrenzung, ob ein Betriebs- oder ein Unfallschaden vorliegt, ist naturgemäß nicht immer einfach. Wird z.B. bei einem ins Schlingern geratenen Gespann (Zugfahrzeug und Anhänger) das Zugfahrzeug dadurch beschädigt, dass der Hänger gegen die Mittelleitplanke der Bundesautobahn prallt und von dort in die hintere Seite des Zugfahrzeugs geschleudert wird, liegt ein Unfallschaden und kein Betriebsschaden vor (OLG Nürnberg, Urt. v. 21.02.1991, Az. 8 U 2803/90). Dagegen hat das Landgericht Essen aber z.B. einen vom Versicherungsschutz ausgenommenen Betriebsschaden angenommen, nachdem ein Pkw mit Wohnwagen auf regennasser Straße ins Schlingern gekommen, der Pkw an die Leitplanke geraten war und der Wohnwagen auf Grund eines Einknickvorganges den PKW beschädigt hatte (LG Essen, Urt. v. 17.12.1986, Az. 15 S 156/86).
Versicherer suchen – auch in der Kaskoversicherung – gerne nach Gründen, um ihre Leistung zu verweigern oder zu kürzen. Deshalb sollte – nicht nur wenn es sich um einen größeren Schaden handelt – grundsätzlich und frühestmöglich ein Anwalt eingeschaltet werden.
Fotos: Polizeidirektion Kaiserslautern
Aktualisiert am 10.10.2024