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Wann darf für Tiere gebremst werden?

Wenn Tiere unvermittelt die Straße kreuzen, stellt sich immer wieder die Frage, ob ein plötzliches Brems- oder Ausweichmanöver gerechtfertigt ist oder eine Kollision mit dem Tier in Kauf genommen werden muss. Sollte es z.B. infolge eines Ausweichmanövers zu einem Schaden kommen, kann der damit verbundene Schaden unter bestimmten Voraussetzungen zwar unter dem Aspekt der Rettungskosten ersatzfähig sein. Der Aufwand und Ärger mit der Abwicklung bleibt aber dennoch. Dies gilt insbesondere auch dann wenn ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer auffährt und behauptet, der Vorausfahrende habe wegen eines Kleintiers grundlos abgebremst (hierzu OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.03.2004, Az. 1 U 152/03).
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27.07.2022
ca. 3 Minuten
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Wenn Tiere unvermittelt die Straße kreuzen, stellt sich immer wieder die Frage, ob ein plötzliches Brems- oder Ausweichmanöver gerechtfertigt ist oder eine Kollision mit dem Tier in Kauf genommen werden muss. Sollte es z.B. infolge eines Ausweichmanövers zu einem Schaden kommen, kann der damit verbundene Schaden unter bestimmten Voraussetzungen zwar unter dem Aspekt der Rettungskosten ersatzfähig sein. Der Aufwand und Ärger mit der Abwicklung bleibt aber dennoch. Dies gilt insbesondere auch dann wenn ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer auffährt und behauptet, der Vorausfahrende habe wegen eines Kleintiers grundlos abgebremst (hierzu OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.03.2004, Az. 1 U 152/03).
Denn ungeachtet jeglicher tierschutzrechtlicher Vorschriften, kann gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen, wer wegen eines Kleintiers bremst, „wenn dadurch die Verkehrssicherheit der nachfolgenden Fahrzeuge beeinträchtigt werden kann“ (LG Ravensburg, Urt. v. 18.02.2020, Az. 2 O 344/19).

Die Rechtsprechung hat z.B. wegen eines Eichhörnchens (AG München, AZ. 331 C 16026/13 v. 25.02.2014) einer Taube (LG Köln, Urt. v. 07.07.1993, Az. 11 U 63/93) oder einer Wildente (OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.07.1988, Az. 3 U 188/86; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.07.1987, Az. 1 U 288/86) keinen Grund zum Bremsen gesehen.

Allerdings hat das AG Dortmund ausgeführt, dass – nur weil es sich bei einer Taube um ein Kleintier handelt – von einem Autofahrer nicht verlangt werden kann, das Tier zu überfahren. Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Das Töten eines Wirbeltiers stellt nach §§ 4 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit dar und ist dem Beklagten zu 2) nicht zuzumuten. Diese Vorschrift ist auch Folge des im Jahr 2002 in Art. 20a GG aufgenommen Tierschutz als Staatszielbestimmung der Bundesrepublik Deutschlands” (Urt. v. 10.07.2018 (Az. 425 C 2383/18).

Die Größe des Tieres entscheidet!

Entscheidend ist das Ergebnis der Abwägung zwischen Sach- und Personenschäden. Als entscheidende Parameter können dabei sowohl die Größe des Tieres als auch die Örtlichkeit der möglichen Kollision eine Rolle spielen. So hat z.B. das AG Reinbek für einen Sachverhalt auf einer Autobahn entschieden, dass die Überquerung der Fahrbahn durch Kleintiere wie Enten oder Gänse keinen triftigen Grund für eine langsame Fahrweise darstellt. Der Schutz von Kleintieren müsse deshalb hinter denjenigen des nachfolgenden Verkehrs zurücktreten (Urt. v. 06.08.2018, Az. 18 C 939/17).

Dem AG Pfaffenhofen zufolge, soll dies auch für Füchse gelten. Das Gericht stuft, bei der insoweit vorzunehmende Güterabwägung, ein Kraftfahrzeug gegenüber einem Kleintier als das höherwertige Rechtsgut ein. Demnach darf “Ein Kraftfahrzeug … auf ein kleines Tier, das auf der Fahrbahn für ihn und sein Fahrzeug keine Gefahr bildet, nur Rücksicht nehmen, wenn ihm das ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit möglich ist” (Urt. v. 16.09.2022, Az. 1 C 130/22). Eine Besonderheit des Sachverhalts bestand darin, dass sich der Fuchs zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht direkt auf, sondern neben der Straße befunden hatte.

Das LG Essen hat die bevorstehende Kollision auf einer Landstraße anders eingestuft. Dem Gericht zufolge haftet ein Auffahrender zwar regelmäßig alleine, wenn er wegen Kleintieren bremst. Sind die Tiere aber so groß, dass eine Kollision die eigene Gesundheit gefährden kann, darf gebremst werden. Dies gilt insbesondere, dann wenn nicht nur ein einzelnes Tier, sondern eine Gruppe von mehreren Tieren die Fahrbahn kreuzt und ein ungefährliches Ausweichen situativ bedingt nicht möglich ist.

Spurwechsler müssen mit Hindernissen rechnen!

So ist z.B. bei einem Spurwechsel auf einer Landstraße – anders als auf einer Autobahn – damit zu rechnen, „dass ein Hindernis ein vorausfahrendes Fahrzeug zum Anhalten zwingt. Dies könnten nicht nur Tiere, sondern beispielsweise auch Menschen sein, die vorschriftswidrig eine solche Straße überqueren und dadurch den fließenden Verkehr auf der anderen Fahrspur behindern.“ Wer einen Spurwechsel vornehmen will hat sich daher zu vergewissern, ob die linke Fahrspur, auf die er wechseln will, auch frei ist. Wer jedoch die Spur wechselt, ohne sich vorher darüber vergewissert zu haben, dass dies auch gefahrlos möglich ist oder keine freie Sicht nach vorne hat, begeht einen derart groben Verkehrsverstoß, dass die Betriebsgefahr des auffahrenden Fahrzeugs dahinter zurücktritt.

Fazit

Das Ergebnis der Abwägung, ob für ein Tier gebremst werden darf, lässt sich mit einem Urteil des LG Itzehoe (Az. 4 O 60/21 v. 02.09.2021) plakativ auf den Punkt bringen: Sitzt ein Tier auf der Straße darf hinsichtlich der Notwendigkeit zu bremsen danach differenziert werden, „ob es sich um Taube, Amsel, Adler, Storch, Wildschwein oder Reh handelt.“ Wer am Verkehr teilnimmt hat sich daher so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird“ (§ 1 StVO). Und wer in einem Gebiet unterwegs ist, in dem mit dem plötzlichen Auftreten von Hindernissen zu rechnen ist, muss eben erhöhte Sorgfalt an den Tag legen. Schließlich könnte der Vordermann unvermittelt wegen eines Tieres auf der Straße bremsen.

Aktualisiert am 02.12.2022

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