Landgericht Dortmund, Urteil vom 09.04.2025, Az. 24 O 5/23
Der gerichtlichen Beweisaufnahme zufolge, hatte der Fahrer* des beschädigten Fahrzeugs bereits den ersten Gang eingelegt. Das andere, ebenfalls zurücksetzende Fahrzeug, hätte er zwei bis drei Sekunden vor der Kollision wahrnehmen können, wenn er zu diesem Zeitpunkt in Richtung der Zufahrt der Beklagten geblickt hätte. Die verbleibende Zeit hätte dann möglicherweise gerade noch ausgereicht, um aus der Halteposition weiter zurückzusetzen oder ein Hupsignal zu geben. Dies war jedoch unterblieben.
Unabwendbares Ereignis aufgrund einer Schrecksekunde?
Angesichts der Schrecksekunde des Fahrers setzte sich das Gericht auch mit dem Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG auseinander. Ein solches konnte es aber nicht erkennen.
Auch die gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gebotene Klärung der Frage des Mitverschuldens im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und Verschuldensanteile hinsichtlich der Betriebsgefahr führte zu einer vollständigen Haftung des Schädigers.
Auch dem LG Dortmund zufolge, spricht, wenn es zu einem Unfall mit dem bevorrechtigten fließenden Verkehr kommt, ein Anscheinsbeweis für den Verstoß des in die Fahrbahn Einfahrenden gegen § 10 Abs. 1 StVO.
Zur Begründung des Anscheinsbeweises reicht die Feststellung, dass es in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren zu einem Zusammenstoß gekommen ist. Dass dies gleichermaßen für einen Unfall mit einem Verkehrsteilnehmer gilt, der nicht Teil des fließenden Verkehrs ist, kann angesichts der äußersten Sorgfaltspflichten, die auch diesem gegenüber zu beachtenden sind, nicht zweifelhaft sein (vgl. auch BGH, Urt. v. 15.05.2018, Az. VI ZR 231/17; LG Saarbrücken, Urt. v. 13.11.2020, Az. 13 S 27/20)
Für den Schädiger bedeutete dies, dass sich sei Fahrverhalten am Sorgfaltsmaßstab der §§ 9 Abs. 5, 10 Abs. 1 StVO messen lassen musste.
Das bedeutet, dass er sich sowohl beim Rückwärtsfahren gemäß § 9 Abs. 5 StVO als auch beim Einfahren auf die Fahrbahn gemäß § 10 Abs. 1 StVO so hätte verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dem war aber nicht so.
Hinzu kam, dass der Schutzbereich dieser Vorschriften nicht nur den fließenden Verkehr auf der Fahrbahn, sondern alle „anderen Verkehrsteilnehmer“ erfasst, also jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, das heißt, die körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt. Dazu gehört auch derjenige, der – wie Fahrer des beschädigten Fahrzeugs auf der anderen Straßenseite ein Fahrmanöver durchführt, um in die Fahrbahn einzufahren.
Diese Grundsätze hatte der Schädiger aber missachtet. Seine alleinige Haftung stand daher auch unter diesem Aspekt fest.
Neben den Reparaturkosten ging es in der Entscheidung um die Höhe der Sachverständigenkosten, die der Inanspruchnahme eines Anwalts sowie um die Nutzungsausfallentschädigung für den Oldtimer.
Das Gericht sprach den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung ebenso unkompliziert zu wie die vollständigen Sachverständigen– und Anwaltskosten. Auch dem Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten wurde stattgegeben. Allerdings betrachtete das Gericht die Verweisung an eine freie Fachwerkstatt für zulässig.
Warum dies so war und weshalb das Gericht die Reparatur in einer Markenwerkstatt verweigert hat, erfahren Sie im nächsten Artikel.
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*Eigentümerin des Fahrzeugs war die Ehefrau, die den Vorfall beobachtet hatte und als Zeugin vernommen wurde.