LG Hanau, Beschluss vom 13.06.2023, Az. 2 S 62/22
Ist ein Fahrzeug stecken geblieben oder wendet, liegt es nahe, dass die Fahrbahn nicht nur kurzfristig, sondern über einen längeren Zeitraum hin blockiert sein wird. Bei wendenden, sich bewegenden Fahrzeugen spricht zwar oftmals der erste Schein dafür, dass die Straße nach kurzer Zeit wieder frei sein wird. Garantiert ist das aber nicht.
Wie das Landgericht Hanau feststellte, reicht es nicht, wenn ein Autofahrer darauf hofft, dass der Fahrer eines wendenden Fahrzeugs den Vorgang alsbald abgeschlossen haben und die Strecke wieder frei sein wird. Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn Gegenverkehr herrscht, sodass ein zügiger Abschluss des Manövers nicht zu erwarten ist.
Versperrt ein Fahrzeug die Straße, ist im Zweifel anzuhalten. Nicht ausreichend ist es, lediglich die Geschwindigkeit zu verringern und zu hupen. Wer dies nicht beachtet, muss sich im Zweifel einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorwerfen lassen, da ein Verhalten den Anscheinsbeweis aus § 9 Abs. 5 StVO von daher nachhaltig erschüttern kann, als es den Unfall herbeizuführen geeignet ist.
Ob ein Wendevorgang regelkonform im Sinne von § 9 Abs. 5 StVO erfolgt oder dagegen verstößt, spielt dabei keine Rolle. Denn ein Fahrzeugführer darf sich – auch bei einem verkehrswidrig auf seiner Fahrbahn wendendem, querstehenden Fahrzeug – nicht darauf verlassen, dass dieses rechtzeitig weiterfährt.
Das Landgericht Hanau kam bei dem zu entscheidenden Sachverhalt daher zu der Überzeugung, der klagende Autofahrer habe gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, indem er lediglich hupend mit verminderter Geschwindigkeit weitergefahren war, statt anzuhalten.
Dieses Verhalten sei mitursächlich für die Kollision gewesen, weshalb das Gericht – in Hinblick auf § 17 Abs. 1 StVG – eine 50%ige Mithaftung als gerechtfertigt ansah.
Was für LKW-Fahrer gilt, gilt gleichermaßen auch für PKW-Fahrer. Wenn ein PKW-Fahrer durch ein grob verkehrswidriges Wendemanöver eine gefährliche Situation herbeiführt, kann we sich bei einer anschließenden objektiv nicht erforderlichen Schreckreaktion (zum Beispiel Vollbremsung oder Ausweichmanöver eines LKWs) nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen in der Regel nicht entlasten. Kommt es dabei zu einem Schaden, z.B. durch Verrutschen unzureichend gesicherter Ladung, kann eine Haftung des PKW-Fahrers gegeben sein. Wie hoch diese Haftung ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.04.2021 – 9 U 66/19; s.a. OLG Celle, Urt. v. 10. 12.2014, Az. 14 U 139/14a).
Die Entscheidung zeigt die Wichtigkeit einer umsichtigen und vorausschauenden Fahrweise selbst dann, wenn man vermeintlich selber im Recht ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass man bei einem Verkehrsunfall weder auf sein Rechet noch auf etwaige Ansprüche auf Schadensersatz verzichten sollte.
Bei einem Unfall gilt: Sprechen Sie mit uns!
Voigt regelt!