Einem Autofahrer wurde vorgeworfen im Dezember 2017 auf einer Autobahn mit mindestens 166 km/h statt der dort zulässigen 120 km/h gefahren zu sein. Gegen den gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid vom 27.02.2018 legte er Einspruch ein.
Das Amtsgericht (AG) Oranienburg verurteilte den Autofahrer nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Fahreridentifizierung mit Urteil vom 30.09.2019 (Az. 13 b OWi 71/18) wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 46 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 160 Euro und ordnete ein einmonatiges Fahrverbot an.
Dagegen legte der Autofahrer Rechtsbeschwerde ein.
Das mit der Rechtsbeschwerde befasste Brandenburgische OLG bestätigte zwar den Geschwindigkeitsverstoß, allerdings bemängelte es die Feststellungen, dass der betroffene Autofahrer diesen begangen hat. Nach Auffassung des OLG hat das Amtsgericht bei den Ausführungen zur Feststellung der Fahreridentität sein Urteil nicht ausreichend begründet, um es überprüfbar zu machen.
Der Richter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt,
sollte in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer in sich geschlossenen (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen
.
Dass der Sachverständige 50 übereinstimmende Merkmale zwischen dem Autofahrer und dem Blitzerfoto festgestellt hat, ist als Begründung des Urteils nicht ausreichend. Vielmehr hätte der Richter zunächst feststellen müssen, ob das Messbild überhaupt geeignet ist, um den Fahrer zu erkennen. So lässt etwa ein sehr unscharfes Foto oder ein Foto, auf dem das Gesicht des Fahrers nicht oder nur zu einem geringen Teil abgebildet ist, eine Identifizierung (
) regelmäßig nicht zu.
In dem angegriffenen Urteil wurde jedoch weder auf das Messbild Bezug genommen, noch wurde es beschrieben. Daher wurde das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Angelegenheit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die eindeutige Identifizierbarkeit spielt auch immer wieder eine Rolle, wenn es darum geht ob Autofahrerinnen muslimischen Glaubens während des Fahrens einen Niquab, d.h. einen Schleier tragen dürfen, der ihren Körper und das Gesicht bis auf die Augenpartie verschleiert.
Die Behörden und auch die Gerichte lehnen Anträge auf die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen immer wieder ab.
In einer vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 25.04.2025, Az. OVG 1 N 17/25) bestätigten Entscheidung vom 27.01.2025 (Az. VG 11 K 61/24), hatte das Verwaltungsgericht Berlin gut nachvollziehbare dargelegt und begründet, weshalb Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nach der Straßenverkehrsordnung nicht so verhüllen oder verdecken dürfen, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot).
Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt.
Das Verwaltungs- als auch das Oberverwaltungsgericht bestätigten diese Entscheidung mit folgender Begründung:
“Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeuges. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.”
Entscheidend ist, ob der Fahrer auf dem Messbild erkennbar ist eindeutig identifiziert werden kann. Das hört sich einfach an, kann angesichts der existierenden Rechtsprechung aber durchaus kompliziert sein!
Sollten Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben, bei dem z.B. die Erkennbarkeit eine Rolle spielt und den Sie für ungerechtfertigt erachten, kontaktieren Sie uns!
Auch hier gilt: Voigt regelt!
Aktualisiert am 30.04.2025