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Müssen Busfahrer beim Verlassen der Haltestelle blinken?

Fahrer von Linien- und Schulbussen können sich nur dann auf das Vorrecht nach § 20 Abs. 5 StVO berufen, wenn sie die Absicht des Abfahrens rechtzeitig angezeigt haben. Bei einem Unfall können sie sich nur dann auf das Vorrecht berufen, wenn sie beweisen können, dass sie rechtzeitig geblinkt haben. So oder ähnlich lässt sich der Tenor eines Urteils des OLG Celle zusammenfassen, in dem es um die Verteilung der Haftung nach einem Unfall zwischen einem PKW und einem Linienbus ging. Aber stimmt das wirklich?
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13.12.2021
ca. 4 Minuten
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Fahrer von Linien- und Schulbussen können sich nur dann auf ein Vorrecht nach § 20 Abs. 5 StVO berufen, wenn sie die Absicht des Abfahrens rechtzeitig angezeigt haben. Bei einem Unfall können sie sich nur dann auf das Vorrecht berufen, wenn sie beweisen können, dass sie rechtzeitig geblinkt haben. So oder ähnlich lässt sich der Tenor eines Urteils des OLG Celle zusammenfassen, in dem es um die Verteilung der Haftung nach einem Unfall zwischen einem PKW und einem Linienbus ging. Aber stimmt das wirklich?

Der Sachverhalt

Der Sachverhalt war als solcher unkompliziert. Ein Autofahrer war mit einem Bus kollidiert, als dieser sich in Bewegung setzte, um von einer Haltestelle aus wieder auf die Straße zu fahren. Da der fließende Verkehr nach § 20 Abs. 5 StVO wartepflichtig ist, wenn Linien- und Schulbusse von gekennzeichneten Haltestellen abfahren wollen, ist die Rechtslage eigentlich eindeutig. Dennoch kann es zu Komplikationen kommen, wenn streitig ist, ob der Bus das Anfahren durch entsprechendes Setzen des Blinkers angezeigt hatte oder nicht.  So war es hier.

Haben abfahrende Omnibusse stets Vorrang?


20 Abs. 3 StVO ist – zum Einsatz der Blinker – lediglich zu entnehmen, dass Omnibusse „die sich einer Haltestelle (Zeichen 224) nähern und Warnblinklicht eingeschaltet haben, … nicht überholt werden (dürfen) und dass an ihnen, wenn sie mit eingeschaltetem Warnblinklicht an Haltestellen halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden darf, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Weitere Angaben zur Benutzung des Blinkers fehlen. Es könnte daher angenommen werden, dass Autofahrer, die sich einer Omnibushaltestelle nähern, stets mit einem Anfahren eines dort stehenden Busses rechnen und daher entsprechend vorausschauend und vorsichtig fahren müssen.

Müssen abfahrende Busse blinken?

Eine derartige Argumentation würde allerdings bereits dem Grundsatz des § 1 StVO widersprechen, demzufolge Verkehrsteilnehmer Vorsicht und gegenseitige Rücksicht zu nehmen und sich so zu verhalten haben, „dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Dass der Vorrang des fließenden Verkehrs zu Gunsten des Vortrittsrechts von Bussen eingeschränkt (z.B. BayObLG, Beschl. v. 22.02.1990, Az. 2 Ob OWi 519/89; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.1989, Az. 1 U 65/88) ist, ändert daran nichts. Auch der Grundsatz, wonach Fahrzeugführer im fließenden Verkehr einen an einer Haltestelle stehenden Linienbus sorgfältig beobachten und ihre Fahrgeschwindigkeit der Lage anpassen müssen, und nur vorsichtig in erhöhter Bremsbereitschaft an ihn heranfahren dürfen (OLG Hamm, Urt. v. 05.08.2003, Az. 9 U 50/03), ändert daran nichts.
Folglich haben – zumal entsprechende Ausnahmevorschriften fehlen – auch Busfahrer § 10 S. 2 StVO zu beachten und ihre Absicht einzufahren oder anzufahren, unter Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger, rechtzeitig und deutlich anzukündigen sowie sich im Rückspiegel entsprechend zu vergewissern. Schließlich soll die Vorschrift bezwecken, dass sich der fließende Verkehr darauf einstellen kann, dass ein Fahrzeug beabsichtigt loszufahren und einem anfahrenden Linienbus Vorrang einzuräumen (OLG München, Urt. v. 17.12.2010, Az. 10 U 2926/10). Und das geht eben nur, wenn die entsprechende Absicht rechtzeitig vorher angezeigt worden ist.

Gilt der Anscheinsbeweis auch gegenüber Busfahrern?

Unterbleibt dies und bringt das Anfahren nicht nur einer Behinderung, sondern gar eine Gefährdung des fließenden Verkehrs mit sich, bleibt der Vorrang des fließenden Verkehrs bestehen (LG Saarbrücken, Urt. v. 05.04.2012, Az. 13 S 209/11). Die Rechtsprechung zum Entfall des Anscheinsbeweises ist dennoch uneinheitlich. Denn im Gegensatz zum KG Berlin (Urt. v. 01.11.2018, Az. 22 U 128/17; v. 24.07.2008, Az. 12 U 142/07 oder dem LG Saarbrücken, s.o.), will das OLG Celle den Anscheinsbeweis nur entfallen lassen, „wenn der Fahrer eines an einer Haltestelle haltenden Linienbusses bewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme seines Vorrechts vorgelegen haben“

Die Begründung des OLG Celle klingt überzeugend!

Zur Begründung führt das OLG Celle aus, dass die Straßenverkehrsordnung auch bei anderen Ausnahmeregelungen, die ein Vorrecht zu Lasten des eigentlich bevorrechtigten Verkehrs begründen, keine andere Beweislastverteilung vorsieht und verweist dabei auf § 38 Abs. 1 StVO. Danach muss der Halter eines Einsatzfahrzeuges bei einem Unfall die Umstände beweisen, aus denen er die Berechtigung herleitet, das Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer zu missachten.

Und so besteht das Vorrecht eines Busfahrers gem. § 20 Abs. 5 StVO “nur unter den Voraussetzungen einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Anzeige gegenüber dem ansonsten fortbestehenden Vorrang des fließenden Verkehrs. Die Beweislast für die Inanspruchnahme eines Vorrechts der Straßenverkehrsordnung trägt derjenige, der sich auf es beruft. Erst wenn der Fahrer eines an einer Haltestelle haltenden Linienbusses bewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme seines Vorrechts vorgelegen haben, entfällt der Vorrang des fließenden Verkehrs und mit ihm der Anscheinsbeweis, der auf einen Verstoß gegen die in § 10 StVO normierten Sorgfaltsanforderungen schließen lässt (entgegen KG Berlin in den Entscheidungen vom 24. Juli 2008 – 12 U 142/07 – und vom 1.11.2018 – 22 U 128/17, juris; sowie LG Saarbrücken, Urteil vom 05. April 2012 – 13 S 209/11, Rn. 13, juris).” (OLG Celle, Urt. v. 10.11.2021, Az. 14 U 96/21)

Fazit

Die Rechtsprechung bewertet die Situation, wenn es beim Ausfahren eines Busses aus einer Haltestelle zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug kommt, uneinheitlich. Das OLG Celle knüpft Verschuldensfrage und die Haftungsverteilung an die Benutzung der Blinker und die entsprechende Ankündigung der Absicht des Fahrers des Busses, in den fließenden Verkehr einzufahren. Dem Kammergericht Berlin und dem OLG Saarbrücken zufolge, ist hingegen der Beweis entscheidend, dass der Fahrtrichtungsanzeiger des Busses nicht rechtzeitig gesetzt worden ist. Wer in Berlin oder Saarbrücken in einen Unfall mit einem – aus einer Haltestelle ausfahrenden – Linienbus verwickelt wird, muss beweisen, dass der Bus nicht oder nicht rechtzeitig geblinkt hat. Kann er dies nicht, muss er mit einer Haftungsteilung rechnen. Wer in Niedersachsen in einen derartigen Unfall verwickelt wird, kann – unter Berufung auf das Urteil des OLG Celle – damit rechnen, dass die überwiegende Haftung dem Bus zugeschlagen wird. Die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs führt allerdings auch hier dazu, dass mit einem Teilverschulden von 20% zu rechnen ist.

Bildnachweis: Darius Kause/Pexels

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